Archiv der Kategorie: Oper

Korngolds „Die tote Stadt“ gebiert in Düsseldorf Wiedergänger!

Titelbild: Corby Welsh (Paul) und Nadja Stefanoff (Marietta). Foto: Sandra Then. „Die tote Stadt“ von Erich Wolfgang Korngold ist Brügge. Dieser hübschen mittelalterlichen Backsteinstadt mit engen Gasen und Kanälen hat Georges Rodenbach in seinem symbolistischen Roman „Bruge-la-Morte“, 1903 ins Deutsche übersetzt, die morbide Atmosphäre eingeschrieben. Korngold nutzt sie für ein Portrait des Fin du siècle mit berauschender zugleich subkutan bedrohlicher Musik, die mit Regisseur Daniel Kramer sogar Tote leibhaftig werden lässt. (Von Sabine Weber) Korngolds „Die tote Stadt“ gebiert in Düsseldorf Wiedergänger! weiterlesen

Senta erfährt ein neues Schicksal – Im Kölner Holländer!

Senta (Ingela Brimberg) geistert auf der Schiffsbrücke und versucht sich zu erinnern. „Und schon kommen sie mir entgegen, die mich damals kannten…“, tönt eine Geisterstimme in den Raum. Senta hat also ihre Begegnung mit dem Holländer überlebt! Damals. Die Oper ist Erinnerung. Und die setzt ein, wenn mit dem Quart-Quint-Signal der Hörner das Vorspiel beginnt! (Von Sabine Weber) Senta erfährt ein neues Schicksal – Im Kölner Holländer! weiterlesen

Witzig spritzig und mit Stil! – André Messagers Operette légère „Passionnément“ begeistert am Theater Krefeld!

André Messager (1853-1929) war eine außergewöhnliche Persönlichkeit. Er leitete Aufführungen an den Folies Bergère, setzte sich als Dirigent aber auch für Ur- und Erstaufführungen ein – unter anderem hebt er Debussys „Pelléas et Mélisande“ und Charpentiers „Louise“ aus der Taufe. Er war Kirchenmusiker und als Organist an Saint Sulpice tätig. Und schrieb erfolgreiche, dem Unterhaltungsgenre nahe Bühnenwerke, die am Ende seines Lebens gekonnt zwischen Opéra-comique und Operette schillern, spritzig aber elegant mit französischer Salonmusik und amerikanischer Popmusik jonglieren. (Von Sabine Weber) Witzig spritzig und mit Stil! – André Messagers Operette légère „Passionnément“ begeistert am Theater Krefeld! weiterlesen

Fokus 33. Umberto Giordanos „Siberia“ in Bonn

Umberto Giordano zählt mit Mascagni, Leoncavallo oder Cilea zu den „Veristen“, die sich in Sachen Oper vom übermächtigen Verdi abzusetzen versuchten. Giordanos „Andrea Chénier“ (1896) und „Fedora“ (1898) sind auf heutigen Bühnen noch präsent. Seine 1903 an der Mailänder Scala uraufgeführte, heute unbekannte „Siberia“, hat letzten Juli bei den Bregenzer Festspielen eine Wiederaufführung erlebt. Vom Bodensee ist die Produktion an den Rhein gekommen. Vasily Barkhatov inszeniert. Die Premiere in Bonn wurde begeistert gefeiert. (Von Sabine Weber) Fokus 33. Umberto Giordanos „Siberia“ in Bonn weiterlesen

Die Uraufführung von „Dogville“ in Essen wird euphorisch gefeiert!

Nach 15 Jahren stemmt das Aalto-Theater wieder eine Uraufführung! Und sie ist ein totaler Erfolg: die Oper „Dogville“ von Gordon Kampe in der Regie von David Hermann nach Lars von Triers gleichnamigem Film. Der dänische Filmemacher, der mit „Melancholia“ oder „Der Antichrist“ polarisiert, hat mit „Dogville“ 2003 sogar in einer experimentellen Versuchsanordnung gedreht. Häuser, Räume und Straßen von Dogville sind Spielbrett-ähnlich nur mit Kreidestrichen angedeutet, auf denen die Bewohner der piefigen Kleinstadt auf die Ankunft eines Flüchtlings, Grace, reagieren. (Im Film übrigens grandios dargestellt von Nicole Kidman) Grace wird wiederwillig aufgenommen, dann ausgenutzt, als Sklavin an die Kette gelegt gedemütigt, misshandelt bis sie sich im Finale rächt. Zu diesem Brechtischen Drama hat Gordon Kampe eine dichte und von Schlagzeugeffekten energetisch aufgeladene Musik geschrieben. (Von Sabine Weber) Die Uraufführung von „Dogville“ in Essen wird euphorisch gefeiert! weiterlesen

Mercadantes „Francesca da Rimini“ – Ein stillstehendes Dauerdrama in Frankfurt!

Verblüffend, welch unglaublich gute Musik drinsteckt. Viele Arien sind nach dem barocken Belcanto-Muster gestrickt. Jede Menge schwereloser Fiorituren also. Spitzentöne in Gleichnis- und Wutarien. Gleichzeitig empfindsame Cabalettas oder Cavatinen, die aus Glucks Reformopern kommen könnten, sogar an Mozart erinnern. Dazu Rossinischer Steigerungsgalopp und eine instrumentale Farbigkeit, Holzbläserensembles, Harfenbegleitung, ein Gesangs-Trio nur von drei Hörnern begleitet ist geradezu sensationell, das verrät kompositorische Könnerschaft! Doch das Drama entwickelt sich nicht, tritt mehr oder weniger drei Stunden lang auf der Stelle. Ein stillstehendes Dauerdrama! (Von Sabine Weber)
Mercadantes „Francesca da Rimini“ – Ein stillstehendes Dauerdrama in Frankfurt! weiterlesen

Verdis „Luisa Miller“ in Köln – Die Menschen sind das Drama!

(Titelbild: Rodrigo Porras Garulo, Rudolfo, Mané Galoyan, Luisa. Foto: Thomas Auri) Das genaue Gegenteil von „Nixon in China“ in Dortmund! Die aktuelle Kölner „Luisa Miller“. In einem puristischen Setting, weiße Wände in Flucht zu einer Tür hinten, ein Tisch zwei Stühle, sind allein die Menschen das Drama! Die Glyndebourne-Inszenierung (2021) von Bühnenbildner Johannes Leiacker, Regisseur Christof Loy und Ko-Regisseur Georg Zlabinger (siehe klassikfavori-Interview) scheint noch einmal geschärft. Wie kongenial Giuseppe Verdi und sein Librettist Salvatore Cammarano den zwischenmenschliche Zündstoff in Schillers „Kabale und Liebe“ für die Opernbühne aufbereitet haben, dicht und Katastrophen-fixiert, ist in jedem Moment trotz oder gerade wegen der Strenge der Szenerie unmittelbar zu erleben. Wie das Ensemble spielerisch und sängerisch hochkarätig agiert, vom Gürzenich-Orchester energetisch unter Roberto Rizzi Brignoli begleitet, ist höchstes Nivau. Die Premiere wird zu Recht euphorisch gefeiert! (Von Sabine Weber) Verdis „Luisa Miller“ in Köln – Die Menschen sind das Drama! weiterlesen

„Nixon in China“ – als Superlativ-Oper in Dortmund!

(Titelbild: Morgan Moody (Henry Kissinger), Daegyun Jeong (Chou En-lai), Petr Sokolov (Richard Nixon), Irina Simmes (Pat Nixon), Opernchor Theater Dortmund. Foto: Thomas Jauk)
Das von einem Fachmagazin gekürte beste Opernhaus 2022 will offenkundig seinen Ruf verteidigen. Für John Adams‘ „Nixon in China“ schüttet Regisseur Martin G. Berger ein Füllhorn an Bildern, Videos, Animationen aus, entfesselt Tanzaktionen mit dem NRW Juniorballett und dem Senior*innenTanztheater. Der Opernchor sowie ein Projekt-Extrachor füllen die Bühne, dazu 10 Solisten, darunter eine Solo-Tänzerin, teilweise in opulenten Kostümen. Selbst wer nur die Hälfte dieses Bilder-Furors mitbekommt, dürfte sich überversorgt fühlen. Dabei zielt nichts ins Leere, sondern fügt sich bunt wie ein Musical und entwickelt gewaltige Spannungshöhepunkte. (Von Sabine Weber)
„Nixon in China“ – als Superlativ-Oper in Dortmund! weiterlesen

„Boccanegra“ sorgt für tragische Verdi-Stunden, in Essen mit Prilblumen konterkariert

(Titelbild: Statisterie, Carlos Cardoso (Gabriele Adorno), Daniel Luis de Vicente (Simon Boccanegra, für den in dieser Aufführung Dimitris Tiliakos eingesprungen ist), Jessica Muirhead (Amelia) (v.l.). Foto: Matthias Jung) Ganz klar: Simon Boccanegra ist ein besonderer Verdi! Das sonst eher reservierte Essener Publikum ist in dieser zweiten Aufführung zu recht aus dem Häuschen! Denn Verdi zeichnet die scheiternde politische Mission eines Menschen nach, der verzweifelt um Frieden zwischen rivalisierenden Seemächten ringt, der versucht, einen zerfleischenden Bruderkrieg innerhalb der Stadtmauern mit einer großen Friedensrede zu beenden, seine verschwundene Tochter wiederzufinden, deren Mutter aus einer verfeindeten Familie stammt und daher in den Tod getrieben wurde. Und im Aalto werden drei Stunden lang die Verdi-Register musikalisch großartig gezogen. Die Essener Philharmoniker unter Giuseppe Finzi fluten den Saal mit ausdifferenziert durchleuchtenden Klängen, liefern aber auch neben unheilig donnerndem Blechgetöse himmlische Kirchenmusik, begleiten innigliche Verzweiflungsmomente mit einsamen Klarinetten- oder Oboenkantilenen und beenden ein Liebesduett mit in den Himmel steigender Harfe. Das großartige Ensemble (Muirhead, Amelia; Tiliakos, Boccanegra; Trinsinger, Paolo; und Cardoso, Adorno) werden exzellent begleitet. Essen ist auf dem Weg zur Belcanto-Stadt! (Von Sabine Weber) „Boccanegra“ sorgt für tragische Verdi-Stunden, in Essen mit Prilblumen konterkariert weiterlesen

Tschaikowskys „Jungfrau von Orléans“ als mythisches Kriegsdrama in Düsseldorf und „Die Zauberin“ als Sozialdrama in Frankfurt

Das zweite Adventwochenende präsentiert gleich zwei staunenswerte Tschaikowsky-Raritäten. Sowohl „Die Jungfrau von Orléans“ von 1881 – auf ein eigenes Libretto nach Schiller und russischen Übersetzungen -, wie auch „Die Zauberin“ auf ein Libretto von Ippolit Schpaschinsky lassen einen auf viele Emotionslagen differenziert eingehenden Tschaikowsky hören. Wie er den Chor als tragende Handlungsmasse und Kommentator in einem Drama einsetzt an der Oper am Rhein in Düsseldorf, und welche Möglichkeiten er am Rande des Experimentellen ausschöpft an der Frankfurter Oper. Beide Opern entstehen übrigens zwischen den beiden Puschkin-Opern „Eugen Onegin“ und „Pique Dame“. Da reizt doch ein Vergleich. (Von Sabine Weber) Tschaikowskys „Jungfrau von Orléans“ als mythisches Kriegsdrama in Düsseldorf und „Die Zauberin“ als Sozialdrama in Frankfurt weiterlesen