SciFi in Opernform! Detlev Glanerts Oper „Solaris” nach dem gleichnamigen Roman von Stanisɫaw Lem erlebt am 2. November ihre deutsche Erstaufführung in Köln

Moderne hat Traditionen an der Kölner Oper! In der 1957 neu erstandenen Oper am Offenbachplatz dirigiert noch im selben Jahr Gürzenichkapellmeister Günter Wand die Uraufführung von Wolfgang Fortners „Bluthochzeit”. 1965 erleben Die Soldaten von Bernd Alois Zimmermann unter Michael Gielen hier ihre Weltpremiere. Dann 2011 „Sonntag” aus Licht von Karlheinz Stockhausen im Staatenhaus. So fasst Opernintendantin Birgit Meyer in gewichtigen Schritten die Impulse zusammen, die von der Musikstadt Köln ausgehen. Am 2. November soll eine weitere Lanze für das zeitgenössische Musiktheater gebrochen werden. Detlev Glanerts jüngste Oper „Solaris” nach der gleichnamigen Romanvorlage von Stanisɫaw Lem, uraufgeführt bei den Bregenzer Festspielen 2012, wird ihre Deutsche Erstaufführung an der Kölner Oper am Dom erleben. Gesamtkonzept und Regie liegen in Händen von Patrick Kinmonth, der in der letzten Saison schon Franz Schrekers „Die Gezeichneten” inszeniert hat. Am Pult des Gürzenichorchesters steht der Neue Musik Fachmann und Wolfgang Rihm- und Helmut Lachenmann-Spezialist Lothar Zagroseck. Erstmals setzt er sich mit einer Partitur von Glanert auseinander. (Von Sabine Weber)

Erinnerungen formen die Zukunft, aber wirklichen Fortschritt gibt es nur, wenn man sich von der Vergangenheit auch befreien kann. In seinem wie eine wissenschaftliche Versuchsanordnung aufgezogenen Roman versucht Lem zentrale Frage der Menschheit aufzuwerfen. Können wir unserer Schuld immer entfliehen ? Und was, wenn das nicht gelingt ?
Weltraumforscher stoßen auf dem Planeten Solaris auf eine neue Form der organischen Intelligenz. Ein Plasmameer lässt ständig unfassliche Gebilde und Landschaften entstehen und sie auch wieder verschwinden. Der Ozean vermag aber auch in die Psyche der Raumstationsbesatzung einzudringen und sich ihrer schuldbehafteten Erinnerungen zu bemächtigen und reproduziert die damit verbundenen Menschen. SNAUT ist mit seiner Mutter konfrontiert. KELVIN steht plötzlich seiner verstorbenen Geliebten HAREY gegenüber, an deren Tod er sich schuldig fühlt. Und wieder genau vor derselben Situation ! Aus vier Tönen entwickelt Glanert seinen Klangkosmos in die Horizontale und Vertikale, begleitet von Leitthemen. Der Chor symbolisiert unter anderem in fünf Zwischenspielen optisch und auch klanglich das immer neue Formen entwickelnde Plasmameer. Die Wiederkehr Hareys wird von einer Art „drehendem Klang” begleitet, in den sich Bekanntes und Unbekanntes zu einer « Zwischenmenschlichkeit » mischen sollen. Das Duett Harey-Kelvin im zweiten Teil der Oper ist ein Höhepunkt. Simultan werden alle emotionalen Beziehungsmöglichkeiten durchgelebt. Patrick Kinmonth lässt den Zuschauer in eine optische Umsetzung von Bewusstseinsschichten in den eigenen Kopf blicken. Raumschiff, Planet und Plasmameer sollen aber auf der Bühne erkennbar sein. Zum Schluss führt Kelvin in einem großen Schlussmonolog aus dem existentiellen Chaos fantastischer Innen- und Außenwelten. Aber das Vergangene ist niemals tot !
Premiere am 2.11. 18.00 Uhr, weitere Vorstellungen am 6.11., 8.11., 12.11. und am 14.11. um 19.30 Uhr und am 14.11. (zum letzten Mal)
www.operkoeln.com

Opéra du Rhin in Straßburg und die Staatsoper in Nürnberg geben eine Oper nach “Quai Ouest” vom Kultdramatiker Bernard-Marie Koltès in Auftrag. Am 28. September war die Uraufführung in Straßburg

„Ich schreibe im Grunde genommen nur, um Schwarze und Araber und Türken auf der Bühne zu sehen.“ Mit solchen Aussagen hat der zeitgenössische französische Kultdramatiker Bernard-Marie Koltès die Kulturszene geschockt. In die französische – und auch deutsche – Bühnenlandschaft ist er wie ein Meteorit eingeschlagen. Und bald verglüht. Mit 41 Jahre – in diesem Jahr vor genau 25 Jahren – ist er an Aids verstorben. Das hat zu seinem Mythos mit beigetragen. In den 80er Jahren bringen seine Stücke Schauplätze ins Theater, die dem Kino vorbehalten scheinen. Er bevölkert Autobahnen, Industriebrachen oder kaputte Bars mit Strichern, Junkies, Ganoven, Migranten und Ausländern. Schon die Titel sprechen für sich: „Der Kampf des Negers und der Hunde“ oder „Die Einsamkeit der Baumwollfelder“. Patrice Chéreau entdeckt ihn und inszeniert seine Stücke. Auf der Bühne des berühmten Pariser Vorstadtheaters in Nanterre erschüttern die in Dialogen ausgelebten sozialen Kollisionen und Auseinandersetzungen. Koltès begreift sie als eine natürliche Folge von Migrations- und Globalisierungsprozessen, lange bevor diese Begriffe geprägt wurden. „Quai West“ ist Magrationstheater pur. Wie wegweisend seine Stücke noch heute sind, hat die Staßburger Opéra du Rhin begriffen. In Kooproduktion mit der Staatsoper in Nürnberg hat sie den Stoff von „Quai West“ als Oper auf die Bühne gebracht. Der aus Marseille stammende Komponist Régis Campo hat das von Regisseur Kristian Frédric und Florence Doublet adaptierte Libretto vertont. Am 27.9.2014 war Premiere.
Ein Audio-Beitrag von Sabine Weber