Und Klassikfavori hat ihn bereits gesichtet und hingehört. Denn Olga Neuwirth ist gerade für ihr Lebenswerk mit dem Robert-Schumann-Preis geehrt worden. Das enge Verhältnis von Text, Szene und Musik hat Olga Neuwirth seit „Bählamms Fest“ (1998) nach der Satire von Leonora Carrington stets interessiert; oft arbeitete sie dabei mit Elfriede Jelinek zusammen. Erst 15 Jahre nach der Uraufführung im Jahr 2003 konnten die multimedialen Finessen von „Lost Highway – A Video-Opera“ nach dem gleichnamigen Film von David Lynch bei einer Frankfurter Produktion erfüllt werden. Mit ihrer musikalischen Überschreibung und inhaltlichen Neufassung von Alban Bergs Oper als „American Lulu“ (2011) betrat die österreichische Komponistin ebenso Neuland, wie sie mit dem Musiktheater nach Virginia Woolfs „Orlando“ (Wien 2019) alle Register der Literaturvertonung zog. Auch mit ihrer ebenso kühnen wie stilistisch vielfältig geschichteten Musik zu einem Film wie „Die Stadt ohne Juden“, der zugleich Antisemitismus vorführt und sich ihm entgegenstellt, wagt die 51-jährige Komponistin wieder viel und gewinnt noch mehr. (Von Klaus Kalchschmid)
Archiv für den Monat: April 2020
Gaspare Spontinis „Die Eroberung von Mexiko“ auf DVD beim Label Dynamic
Das italienische Label Dynamic darf sich die Weltpremiereneinspielung von „Die Eroberung von Mexiko“ auf die Fahnen schreiben. Jedenfalls die der Urfassung dieser Historien-Oper mit mehr als drei Stunden Musik. Bei der Uraufführung im Pariser Théâtre de l‘Academie Impériale 1809 ist Kaiser Napoleon I. dabei. Er hat „Die Eroberung von Mexiko“ und den Konquistadoren Fernand Cortez als Titelhelden bei Gaspare Spontini auch bestellt. Der laufende Feldzug gegen Spanien sollte eine ideologisch-musikalische Überhöhung bekommen. Cortez hatte seinen geostrategischen Krieg um Gold als katholische Mission gegen Menschenopfernde Atzteken verbrämt. Der Europa-Erschütterer Napoleon will sich als Befreier der Spanier von der blutrünstigen katholischen Inquisition ins Licht setzen. Der spanische Feldzug endet allerdings im Desaster. Die Oper wird nach zwanzig Aufführungen abgesetzt. Um aufführungswürdig zu bleiben, verändert Spontini. Und was für eine Volte in der Aufführungsgeschichte! Die Cortez-Oper gelangt in einer vierten Fassung nach Berlin, diesmal zurechtgestutzt für eine neue Weltordnung. Friedrich Wilhelm III. lässt „Die Eroberung von Mexiko“ aufführen, um den Sieg über Napoleon zu feiern! Ein kurioser Bedeutungswandel! Und die Oper bleibt auf Siegerseite! Das Opernfestival Maggio Musicale in Florenz ist letztes Jahr anlässlich 500 Jahre Eroberung Mexikos zu ihren Anfängen zurück gesprungen. Das Manuskript der Urfassung dieser Spektakel-Oper mit großen Massenszenen ist neu gesichtet worden. Das Label Dynamic hat aufgezeichnet. Nachzuerleben ist, dass bei der Aufführung im Teatro Maggio Musicale Fiorentino im Oktober 2019 nicht an Aufwand gespart worden ist. Die Regie von Cecilia Ligorio zeigt sich allerdings der Wucht des Stoffes nicht gewachsen. (Von Sabine Weber)
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Shaghajegh Nosrati spielt Werke von Charles-Valentin Alkan ein
Für die Pianistin Schaghajegh Nosrati steht Bach an erster Stelle! 1989 in Bochum als Kind iranischer Eltern geboren, gelingt ihr 2014 der Durchbruch als Preisträgerin beim internationalen Bach-Wettbewerb in Leipzig. Auf ihrer Debüt-CD nimmt sie die „Kunst der Fuge“ auf. Drei Klavierkonzerte von Bach auf ihrer zweiten CD mit dem Deutschen Kammerorchester Berlin. Auf ihrer neuen CD beim CAvi-music Label spielt die Pianistin Werke von Charles-Valentin Alkan ein. Und dessen Klavierwerk hat erstaunlich viel mit Bach zu tun! (Von Sabine Weber) Shaghajegh Nosrati spielt Werke von Charles-Valentin Alkan ein weiterlesen
Das Quatuor Ébène veröffentlicht einen Beethoven-Gesamtzyklus, aufgenommen rund um den Globus!
Es war das letzte Konzert, das in München noch stattfinden konnte und eines der aufregendsten der Saison! Der zweite Abend des Quatuor Ébène mit dem kompletten Beethoven-Zyklus, für den im Herkulessaal der Residenz knapp unter 1000 Karten verkauft waren. Das Konzert am 11. März durfte noch stattfinden, und hoffentlich wird – unter Ausfall des für den 25. März geplanten Termins – der Zyklus im Herbst wie geplant mit den letzten drei Konzerten zu Ende geführt. Bis dahin kann man mit den Ébènes und den 16 Streichquartetten Ludwig van Beethovens virtuell um die Welt Reisen. (Von Klaus Kalchschmid)
Zum Jahrestag der Katastrophe in Notre-Dame am 15. April
(15. April 2020) Zum Jahrestag der Notre-Dame-Katastrophe ist die Frage berechtigt: Wann werden die Chöre der Maîtrise Notre-Dame de Paris wohl wieder in ihrer Bischofskirche eine Messe oder eine Vesper singen? „In fünf Jahren sei die Kathedrale wieder aufgebaut“, hat der französische Präsident unmittelbar nach der Brandkatastrophe am 15. April 2019 markig verkündet. Ein Jahr später ist man immer noch mit der Schadenssichtung beschäftigt. Von Wiederaufbau und Restaurierung noch keine Spur. Zum Jahrestag der Katastrophe in Notre-Dame am 15. April weiterlesen
Klassikfavori wünscht Frohe Ostern! Mit besonderen Ostereiern!
Das Bemalen von Ostereiern soll ein besonderer Zeitvertreib von Paul Hindemith (er feiert dieses Jahr seinen 125. Geburtstag) gewesen sein! Ein Löwe taucht immer wieder auf. Seine Gattin Gertrud, treue Begleiterin, ist in diesem Tierkreiszeichen geboren! (Foto aus: Paul Hindemith, Die letzten Jahre, Schott/Atlantis 1965)
Beethrifft 2020! Otto Klemperer hat Erklärungen für Beethoven-Stille, die nichts mit Corona zu tun hat!
Otto Klemperer gehörte zu den charismatischen Dirigenten des 20. Jahrhunderts. Prag, Hamburg, Straßburg sind seine Stationen. Seit 1917 Kapellmeister an der Köln Oper wird er 1923 dort auch Generalmusikdirektor. Er verschafft dem Opernhaus und sich selbst ein großes Renommee und wird wohl nicht von ungefähr als „Kl’Empereur“ apostrophiert. Er soll autoritäre Züge an den Tag gelegt haben. Klemperer hat auch komponiert, unter anderem sechs Sinfonien. In Thomas Manns Roman Doktor Faustus von 1947 dirgiert er die Uraufführung von Leverkühns „Opus Apocalipsis cum Figuris“. Klemperer soll sich dazu geäßert haben: „Ein sehr gutes Werk, ich bin drin!“ Klemperers Meinung galt. Auch zu Beethoven anlässlich einer Interview-Umfrage 1927:
„Was kann man über Beethoven sagen, außer, dass er ein Genie war und dass ich hoffe, eines Tages, falls ich lang genug lebe, fähig zu sein, seine Musik so zu spielen, wie sie gespielt werden sollte? Ich glaube nicht, dass Beethoven auf die heutigen Komponisten irgend einen Einfluss ausübt. Er war ein Romantiker, war subjektiv. Sie sind objektiv. Sie kehren zu Bach zurück. Wenn Sie mich fragten, wie man den 100. Todestag Beethovens am besten beginge, würde ich Ihnen antworten: seine Musik ein Jahr lang nicht aufzuführen. Sie wird zu viel gespielt!“
Gefragt wurde er auch anlässlich des Beethovenjahrs 1970 vom Südwestfunk Baden-Baden: „Warum spielen wir heute noch Beethoven?“ Otto Klemperer: „Ich habe sehr viel über Ihre Frage nachgedacht. Beim allerbesten Willen – ich weiß kein Antwort. Soll ich etwa sagen „wegen der einmaligen Musik“? Das weiß ja jeder. Oder „wegen der sichern Kasse-Einnahme“? Auch das ist höchst evident! Mit anderen Worten, ich weiß wirklich keine Antwort und muss es deshalb mit Bedauern ablehenen, an Ihrer Rundfrage teilzunehmen“.
Beide Zitate sind nachzulesen in Otto Klemperer. Anwalt guter Musik. Henschel Verlag Berlin 1993