Mit Bestürzung, Fassungslosigkeit und tiefer Trauer gab Ars Choralis Coeln am Montag, den 23. Dezember 2024 den plötzlichen und unerwartete Tod ihrer Ensembleleiterin, Freundin und Mentorin Maria Jonas bekannt. Über die Umstände liegen noch keine Informationen vor. Weit über Köln hinaus hatte Maria Jonas sich mit dem Frauenchor einen Namen erworben, unter anderem mit Messgesängen der Hildegard von Bingen, dem Liederbuch der Anna von Köln oder Musik um die Heilige Elisabeth von Thüringen. Über die Beschäftigung mit mittelalterlicher Musik kam Maria Jonas zu anderen Musikkulturen und integrierte bald Weltmusik in ihre Programme. Mit dem irakischen in Köln lebenden Djoze-Spieler Bassem Hawar nahm sie die CD Prima Materia – الرَحِم الأوّل – Al-Rahem Al-Aoual und gewann 2023 den Preis der Deutschen Schallplattenkritik in der Kategorie Traditionelle Ethnische Musik. In diesem Jahr feierte das Ensemble sein 20jähriges Bestehen.
Archiv der Kategorie: Nachruf
Wolfgang Rihm ist tot!
Musik war sein Leben! Und er war eine Instanz. Ein gewaltiges Oeuvre hinterlässt der Karlsruher Komponist Wolfgang Rihm, der heute, am 27. Juli 2024 72jährig verstorben ist. Alle Gattungen, vom Streichquartett bis hin zu Solokonzerten und riesigen Orchesterwerken hat er bedient, und mit seinen 10 Bühnenwerken, darunter die Kammeroper „Jakob Lenz“ (frei nach Büchner 1977/78), die „Hamletmaschine“ (nach Heiner Müller 1983-86) oder „Die Eroberung von Mexico“ (nach Antonin Artaud und Octavio Paz 1987-91) weltweit berühmt wurde.
Immer wieder hat sich Wolfgang Rihm neu erfunden und mit einem weiten Spektrum inhaltlicher wie ästhetischer Art erstaunt, wie Eleonore Büning in ihrer Rihm-Biographie zum 70. Geburtstag des Komponisten erschienen dargestellt hat. Seit 1985 leitete Rihm eine Kompositionsklasse an der Musikhochschule in Karlsruhe. Seit 2016 setzte er sich als künstlerischer Leiter der Lucerne Festival Academy für Nachwuchskünstler ein. Seit mehreren Jahren litt der gebürtige Karlsruher an einer Krebserkrankung. Vor zwei Jahren hat Klaus Kalchschmid für klassikfavori ihm eine persönliche Hommage verfasst, auf die wir anlässlich seines Todes gern verweisen wollen.
Zum Tode von Maurizio Pollini und Peter Eötvös
Nach dem Tod von Aribert Reimann hat die Welt der klassischen Musik nun zwei weitere Verluste zu beklagen.
Am Samstagabend nach dem Nachhausekommen konnte man schon die Nachrufe auf Maurizio Pollini im Radio hören. Auch hier in Köln war er häufig zu Gast. (Von Jukka Höhe)
Vor weniger als zehn Jahren noch ganz auf der Höhe seiner Kunst in der Kölner Philharmonie: Ein Soloabend, geprägt von der souveränen Beherrschung der Technik, die es ihm ermöglichte, sich ganz der Interpretationen des Werkes zu widmen.

Dies alles erschien so selbstverständlich, das man es an dem Abend gar nicht so wahr nahm: erst in der Erinnerung, der Distanz wird die Größe wahrnehmbar.
Pollini vermochte es, seine Zuhörer ganz in das Werk mit zu nehmen. So dass dieser Abend mit ihm in der großen, 2000 Zuhörer fassenden Philharmonie, ganz intim, wie ein Kammermusikabend erschien, gegeben für sich und einige wenige vertraute Freunde. Ein souveräner Abend.
Wenige Jahre später: erneut steht ein Abend mit Pollini an. Die erste Absage, das Konzert wird verschoben. Kurz vor dem Nachholtermin dann die zweite Absage, eine erneute Verschiebung. Auf unbestimmte Zeit. Schließlich wird das Konzert ganz abgesagt.
Dann ergibt sich doch noch die Möglichkeit, Pollini erneut in der Philharmonie zu erleben. Er spielt wie für sich allein, als gebe es nur ihn, seinen Flügel und die Musik. Seine vertraute Musik, die er so oft gespielt hat: Er spielt frei, und es scheint, als spielte er seine ganz persönlichen Variationen der Werke: ein berührender Abend. Und ein Abschied.
Am Sonntagabend dann die nächste Nachricht: Peter Eötvös ist nach langer Krankheit gestorben. Schon zur Premiere seiner letzten Oper Valuschka konnte er nicht mehr anreisen. Er der so sehr die Interpretationen seiner Werke durch andere Musiker schätzte, denn sie erschienen ihm – neben dem reichen Zuspruch des Publikums – wie ein Prüfstein für die Qualität des Werks. Er freute sich stets, den Blick seiner Kollegen, Ihre Sichtweise auf sein Werk, zu erleben.

So war es kein Wunder, ihm auch bei der Premiere von Der Goldene Drache in Mönchengladbach zu begegnen.
Auf das Gespräch, dass sich bei dieser Gelegenheit mit dem großen Komponisten und feinen Menschen Peter Eötös ganz spontan ergab, möchten wir Sie, statt eines langen Nachrufes, hinweisen.
Der letzte große Komponist des 20. Jahrhunderts ist tot: Aribert Reimann

Der Komponist, Pianist und leidenschaftliche Liedbegleiter Aribert Reimann ist am 13. März im Alter von 88 Jahren in Berlin verstorben. Über siebzig Werke füllen seinen Katalog, Liederzyklen, Kammermusik, Orchesterwerke und neun Opern. Wie in klassikfavori-Kritiken dokumentiert, gehörte Aribert Reimann zu den Opernkomponisten, deren Werke es ins Repertoire der Häuser Europas geschafft haben. Das zeigen zuletzt die besprochenen Inszenierungen von Hilsdorf „Bernarda Albas Haus“ für Gelsenkirchen, Marthalers „Lear“ in München oder Kay Links „Medea“ am Aalto in Essen. Derzeit steht „Lear“ in der Inszenierung von Joe Hill-Gibbins auf dem Spielplan der Staatsoper in Hannover. Während der Proben hat Reimann regen Anteil am Entstehen genommen und stand in direktem Kontakt mit Beteiligten. Am 21. März findet dort die letzte Aufführung „in memoriam“ statt. Schon lange begleitet Klaus Kalchschmid Reimanns Opern. Für Klassikfavori hat er einen persönlichen Nachruf verfasst.
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Keine Justiz ist unfehlbar! – Robert Badinter ist tot!

Selten hat mich eine Begegnung so fasziniert wie die mit Robert Badinter.
1928 geboren, hat er als ehemaliger Justizminister unter François Mitterand für die Abschaffung der Todesstrafe 1981 in Frankreich gesorgt. Am 9. Februar 2024, also letzten Freitag, ist er 95jährig in Paris verstorben. Warum Badinter auf klassikfavori einen Nachruf verdient ist, weil er ein Opernliebhaber war, ein Literat und ein Opern-Libretto verfasst hat. Seine Oper „Claude“ nach der Novelle „Claude Geux“ von Victor Hugo ist am 27. März 2013 an der Lyoner Oper (Opéra de Lyon) aufgeführt worden. Ich war dabei, habe Badinter getroffen und mit ihm gesprochen. Hier der Radiobeitrag, den ich damals zur Uraufführung gemacht habe, in dem er auch zu Wort kommt. Und ein ausführliche Artikel, der für die Zeitschrift „Kunst und Recht“ verfasst wurde. (Von Sabine Weber) Keine Justiz ist unfehlbar! – Robert Badinter ist tot! weiterlesen
Kaija Saariaho ist im Alter von 70 Jahren einem Krebsleiden erlegen
(Titelbild mit Kaija Saariaho und Camilla Hoitenga. Foto: Hoitenga) Am 2. Juni ist Kaija Saariaho einem Krebsleiden erlegen. Die finnische Komponistin hat sich mit Opern eine Namen gemacht. Die Kölner Produktion von „L‘amour de loin“ hat klassikfavori besprochen. Zur Aufführung von „Only the sound remains“ an der Opéra Garnier – vor fünf Jahren – hat Sabine Weber Kaija Saariaho in der Rue d’Amsterdam in Paris besucht. Es ging da auch um das Komponieren und Ihre Ästhetik. (Von Sabine Weber)
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Der Pianist Lars Vogt ist tot…
Am 8. September 2022, morgen, wäre er 52 geworden. Vorgestern ist er seiner Krankheit erlegen. Tröstlich einzig, dass er das Leben trotz Krankheit bis zuletzt umarmt hat. Und viel hinterlässt. (Von Sabine Weber) Der Pianist Lars Vogt ist tot… weiterlesen
Ein neuer „Tannhäuser“ in Essen – Erinnerung an den alten „Tannhäuser“ unter Stefan Soltesz
Zurück aus dem Urlaub und die Opernsaison 22/23 startet. Als erste Premiere im Aalto-Theater in Essen hat eine Neuinszenierung von Wagners „Tannhäuser“ Premiere (24. September 2022, 18 Uhr). Sie löst die Inszenierung von Hans Neuenfels am Haus ab, die Maestro Stefan Soltesz 2008 im Graben aus der Taufe gehoben hat. Und weil mir mitten im Thyrrenischen Meer die Todesanzeigen in die Hand gefallen sind, hier ein Rückblick auf eine Generalprobe, damals, mit Soltesz und Neuenfels am Platz, die mit dazu beitrug, dem Haus den Titel „Opernhaus des Jahres 2008“ beim Voting der Opernwelt-Journalisten einzutragen! (Sabine Weber)
(28. Juli 2022) Blaues Wasser bis zum Horizont. Ausgerechnet auf der Fähre von Genua nach Palermo fallen mir die Todesanzeigen in die Hand. Von Maestro Stefan Soltesz, am 22. Juli 2022 im Orchestergraben in München verstorben, die Pressemeldung ging ja letzte Woche durch. Daran erinnern mich jetzt wieder diese drei Todesanzeigen. Und während das Blau vorbeizieht, zieht eine Erinnerung in meinen Kopf auf. Auch wenn Stefan Soltesz’ bereits in vielen Nachrufen gedacht wurde. Vor allem seiner Zeit als langjähriger Intendant und Generalmusikdirektor am Aalto-Theater in Essen und Intendant der Essener Philharmoniker. 16 Jahre lang, von 1997 bis 2013, hat Soltesz Essens Musiker maßgeblich geprägt, „mit Musikalität und Energie, mit Leidenschaft für die Oper sowie mit einem besonderen Gespür für große Stimmen und talentierte Regisseure“, so sein Haus zu dessen Tod. Ein Regisseur verdient Erwähnung: Soltesz war es, der erstmals Hans Neuenfels für eine Tannhäuser-Inszenierung nach Essen holen konnte. Und vor der Premiere 2008 erlebte ich eine hochexplosive Generalprobe. Mit Neuenfels am Regietisch und Soltesz am Pult. Neuenfels war unzufrieden. Der Pilgerchor, statt heilig in Kutte zu prozessionieren, sollte in schwarzen, innen flammenrot ausgekleideten Ledermänteln über die Bühne wirbeln. Ein „Verführerchor“, der Tannhäuser auf die falsche Fährte lockt. Aber der Chor will nicht, die Männer in Lederbustiers – unter dem Mantel Brustwarzenfrei – trauen sich nicht so, wie Neuenfels will, oder können nicht, obwohl Neuenfels bekanntlich schon Wochen vor der regulären Probenzeit angefangen hat, seine Interpretation einzustudieren. In der GP bewegt sich der Essener Theaterchor jedenfalls immer noch nicht zur Zufriedenheit des Regisseurs. Der will entrüstet unterbrechen. Aber Soltesz am Pult ist Sachwalter der Musik! Sozusagen in Verlängerung des Regietisches biegt er in den Graben hinein Neunfels’ Anweisungen um. „Wir brauchen den Durchlauf, wir unterbrechen nicht! Ruhe am Regiepult, Korrekturen später!“ Und schon polterte Neuenfels wieder von hinten. „So geht das nicht! So und so, wir müssen unterbrechen…!“ Ich weiß nicht mehr die präzisen Wortlaute, die vom Regiepult zum Orchestergraben hin und her wechselten. Soltesz mit erhobenem Stab „weiter“, Neuenfels „mehr Bewegung, das ist doch nichts!“ Ich erwarte Explosion. Denn Regie und Musik-Maestro verharren auf ihren Standpunkten, und beharken sich verbal. Soltesz verteidigt den Solisten, Chor und seinen Essener Philharmonikern den Durchlauf. Hinterher ist es genau die Inszenierung, die Essen die Auszeichnungen der Zeitschrift Opernwelt zum Opernhaus des Jahres 2008 einträgt. Mich hat damals ungemein beeindruckt, wie jeder der beiden Meister ihres Faches um ihre Sache gekämpft haben und schlussendlich beide, doch freundschaftlich, miteinander gerungen haben. Mit Erfolg. In dem anschließenden Interview mit Hans Neuenfels war dann auch eine der zentralen Fragen, wie wichtig die Einstellung des Dirigenten für das Gelingen einer Regie sei. (Siehe auch den Nachruf )

Stefan Soltesz war sicherlich einer der Maestri, der Regieansätze der unterschiedlichsten Art herausgefordert, unterstützt und gefördert hat. Nicht zuletzt hat Soltesz in Essen auch eine Orchesterakademie zur Förderung junger Orchestermusiker ins Leben gerufen, für die in der Todesanzeige seiner Frau statt Kranz- und Blumenspenden geworben wird. (Orchesterakademie der Essener Philharmoniker e.V.) Seine Musiker waren ihm letztendlich aber immer das Wichtigste!
Hans Neuenfels – Nachruf auf einen genialen Vertreter modernen Regietheaters
(Titebild: Hans Neuenfels portraitiert von Oliver Mark, Berlin 2006. Wikicommons)
Er galt als heftig, hochfahrend, pathetisch, zerrissen, exzentrisch und verletzlich. Regisseur Hans Neuenfels sei der letzte Protagonist des Achtundsechziger Theaters. Mit Dauerzigarette in der Hand und knarziger Stimme verteidigte er seine Ansichten. Sein Name war ein Synonym für gepriesenes wie verschmähtes Regietheater. Seit über 50 Jahren haben seine provokanten Inszenierungen Theatergeschichte geschrieben. Am Sonntag, den 6. Februar, ist er 80jährig in Berlin verstorben. (Von Klaus Kalchschmid und Sabine Weber) Hans Neuenfels – Nachruf auf einen genialen Vertreter modernen Regietheaters weiterlesen
Die Musikwelt hat einen Grandseigneur verloren: Bernard Haitink
Mit 92 Jahren hat der niederländische Dirigent ein stolzes Alter erreicht. Klassikfavori hat eines seiner letzten Konzerte miterelebt. Mit immer noch absolut präzisen Handbewegungen hat er das Chamber Orchestra of Europe in der Luxemburger Philharmonie im Februar 2019 kurz vor seinem 90. Geburtstag dirigiert. Interviews durfte er zu diesem Zeitpunkt schon keine mehr geben. Dazu hatte ich 2002 Gelgenheit und habe Sie genutzt, wie in dem folgenden Audio nachzuhören ist… Zu allererst habe ich natürlich gefragt, wie er zum Dirigieren gefunden hat… (von Sabine Weber, Foto: Sébastien Grébille)