Archiv der Kategorie: Nachruf

Der letzte große Komponist des 20. Jahrhunderts ist tot: Aribert Reimann

Aribert Reimann. Foto: Schott-Verlag

Der Komponist, Pianist und leidenschaftliche Liedbegleiter Aribert Reimann ist am 13. März im Alter von 88 Jahren in Berlin verstorben. Über siebzig Werke füllen seinen Katalog, Liederzyklen, Kammermusik, Orchesterwerke und neun Opern. Wie in klassikfavori-Kritiken dokumentiert, gehörte Aribert Reimann zu den Opernkomponisten, deren Werke es ins Repertoire der Häuser Europas geschafft haben. Das zeigen zuletzt die besprochenen Inszenierungen von Hilsdorf „Bernarda Albas Haus“ für Gelsenkirchen, Marthalers „Lear“ in München oder Kay Links „Medea“ am Aalto in Essen. Derzeit steht „Lear” in der Inszenierung von Joe Hill-Gibbins auf dem Spielplan der Staatsoper in Hannover. Während der Proben hat Reimann regen Anteil am Entstehen genommen und stand in direktem Kontakt mit Beteiligten. Am 21. März findet dort die letzte Aufführung „in memoriam” statt. Schon lange begleitet Klaus Kalchschmid Reimanns Opern. Für Klassikfavori hat er einen persönlichen Nachruf verfasst.
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Keine Justiz ist unfehlbar! – Robert Badinter ist tot!

Robert Badinter 2013. Foto: Wiki Commons

Selten hat mich eine Begegnung so fasziniert wie die mit Robert Badinter.

1928 geboren, hat er als ehemaliger Justizminister unter François Mitterand für die Abschaffung der Todesstrafe 1981 in Frankreich gesorgt. Am 9. Februar 2024, also letzten Freitag, ist er 95jährig in Paris verstorben. Warum Badinter auf klassikfavori einen Nachruf verdient ist, weil er ein Opernliebhaber war, ein Literat und ein Opern-Libretto verfasst hat. Seine Oper „Claude“ nach der Novelle „Claude Geux“ von Victor Hugo ist am 27. März 2013 an der Lyoner Oper (Opéra de Lyon) aufgeführt worden. Ich war dabei, habe Badinter getroffen und mit ihm gesprochen. Hier der Radiobeitrag, den ich damals zur Uraufführung gemacht habe, in dem er auch zu Wort kommt. Und ein ausführliche Artikel, der für die Zeitschrift „Kunst und Recht“ verfasst wurde. (Von Sabine Weber) Keine Justiz ist unfehlbar! – Robert Badinter ist tot! weiterlesen

Kaija Saariaho ist im Alter von 70 Jahren einem Krebsleiden erlegen

(Titelbild mit Kaija Saariaho und Camilla Hoitenga. Foto: Hoitenga) Am 2. Juni ist Kaija Saariaho einem Krebsleiden erlegen. Die finnische Komponistin hat sich mit Opern eine Namen gemacht. Die Kölner Produktion von L‘amour de loin“ hat klassikfavori besprochen. Zur Aufführung von „Only the sound remains“ an der Opéra Garnier – vor fünf Jahren – hat Sabine Weber Kaija Saariaho in der Rue d’Amsterdam in Paris besucht. Es ging da auch um das Komponieren und Ihre Ästhetik. (Von Sabine Weber)

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Ein neuer „Tannhäuser” in Essen – Erinnerung an den alten „Tannhäuser” unter Stefan Soltesz

Zurück aus dem Urlaub und die Opernsaison 22/23 startet. Als erste Premiere im Aalto-Theater in Essen hat eine Neuinszenierung von Wagners „Tannhäuser“ Premiere (24. September 2022, 18 Uhr). Sie löst die Inszenierung von Hans Neuenfels am Haus ab, die Maestro Stefan Soltesz 2008 im Graben aus der Taufe gehoben hat. Und weil mir mitten im Thyrrenischen Meer die Todesanzeigen in die Hand gefallen sind, hier ein Rückblick auf eine Generalprobe, damals, mit Soltesz und Neuenfels am Platz, die mit dazu beitrug, dem Haus den Titel “Opernhaus des Jahres 2008” beim Voting der Opernwelt-Journalisten einzutragen! (Sabine Weber)

(28. Juli 2022) Blaues Wasser bis zum Horizont. Ausgerechnet auf der Fähre von Genua nach Palermo fallen mir die Todesanzeigen in die Hand. Von Maestro Stefan Soltesz, am 22. Juli 2022 im Orchestergraben in München verstorben, die Pressemeldung ging ja letzte Woche durch. Daran erinnern mich jetzt wieder diese drei Todesanzeigen. Und während das Blau vorbeizieht, zieht eine Erinnerung in meinen Kopf auf. Auch wenn Stefan Soltesz’ bereits in vielen Nachrufen gedacht wurde. Vor allem seiner Zeit als langjähriger Intendant und Generalmusikdirektor am Aalto-Theater in Essen und Intendant der Essener Philharmoniker. 16 Jahre lang, von 1997 bis 2013, hat Soltesz Essens Musiker maßgeblich geprägt, „mit Musikalität und Energie, mit Leidenschaft für die Oper sowie mit einem besonderen Gespür für große Stimmen und talentierte Regisseure“, so sein Haus zu dessen Tod. Ein Regisseur verdient Erwähnung: Soltesz war es, der erstmals Hans Neuenfels für eine Tannhäuser-Inszenierung nach Essen holen konnte. Und vor der Premiere 2008 erlebte ich eine hochexplosive Generalprobe. Mit Neuenfels am Regietisch und Soltesz am Pult. Neuenfels war unzufrieden. Der Pilgerchor, statt heilig in Kutte zu prozessionieren, sollte in schwarzen, innen flammenrot ausgekleideten Ledermänteln über die Bühne wirbeln. Ein „Verführerchor“, der Tannhäuser auf die falsche Fährte lockt. Aber der Chor will nicht, die Männer in Lederbustiers – unter dem Mantel Brustwarzenfrei – trauen sich nicht so, wie Neuenfels will, oder können nicht, obwohl Neuenfels bekanntlich schon Wochen vor der regulären Probenzeit angefangen hat, seine Interpretation einzustudieren. In der GP bewegt sich der Essener Theaterchor jedenfalls immer noch nicht zur Zufriedenheit des Regisseurs. Der will entrüstet unterbrechen. Aber Soltesz am Pult ist Sachwalter der Musik! Sozusagen in Verlängerung des Regietisches biegt er in den Graben hinein Neunfels’ Anweisungen um. „Wir brauchen den Durchlauf, wir unterbrechen nicht! Ruhe am Regiepult, Korrekturen später!“ Und schon polterte Neuenfels wieder von hinten. „So geht das nicht! So und so, wir müssen unterbrechen…!“ Ich weiß nicht mehr die präzisen Wortlaute, die vom Regiepult zum Orchestergraben hin und her wechselten. Soltesz mit erhobenem Stab „weiter“, Neuenfels „mehr Bewegung, das ist doch nichts!“ Ich erwarte Explosion. Denn Regie und Musik-Maestro verharren auf ihren Standpunkten, und beharken sich verbal. Soltesz verteidigt den Solisten, Chor und seinen Essener Philharmonikern den Durchlauf. Hinterher ist es genau die Inszenierung, die Essen die Auszeichnungen der Zeitschrift Opernwelt zum Opernhaus des Jahres 2008 einträgt. Mich hat damals ungemein beeindruckt, wie jeder der beiden Meister ihres Faches um ihre Sache gekämpft haben und schlussendlich beide, doch freundschaftlich, miteinander gerungen haben. Mit Erfolg. In dem anschließenden Interview mit Hans Neuenfels  war dann auch eine der zentralen Fragen, wie wichtig die Einstellung des Dirigenten für das Gelingen einer Regie sei. (Siehe auch den Nachruf )

Stefan Soltesz. Foto: Matthias Jung

Stefan Soltesz war sicherlich einer der Maestri, der Regieansätze der unterschiedlichsten Art herausgefordert, unterstützt und gefördert hat. Nicht zuletzt hat Soltesz in Essen auch eine Orchesterakademie zur Förderung junger Orchestermusiker ins Leben gerufen, für die in der Todesanzeige seiner Frau statt Kranz- und Blumenspenden geworben wird. (Orchesterakademie der Essener Philharmoniker e.V.) Seine Musiker waren ihm letztendlich aber immer das Wichtigste!

Hans Neuenfels – Nachruf auf einen genialen Vertreter modernen Regietheaters

(Titebild: Hans Neuenfels portraitiert von Oliver Mark, Berlin 2006. Wikicommons)

Er galt als heftig, hochfahrend, pathetisch, zerrissen, exzentrisch und verletzlich. Regisseur Hans Neuenfels sei der letzte Protagonist des Achtundsechziger Theaters. Mit Dauerzigarette in der Hand und knarziger Stimme verteidigte er seine Ansichten. Sein Name war ein Synonym für gepriesenes wie verschmähtes Regietheater. Seit über 50 Jahren haben seine provokanten Inszenierungen Theatergeschichte geschrieben. Am Sonntag, den 6. Februar, ist er 80jährig in Berlin verstorben. (Von Klaus Kalchschmid und Sabine Weber) Hans Neuenfels – Nachruf auf einen genialen Vertreter modernen Regietheaters weiterlesen

Die Musikwelt hat einen Grandseigneur verloren: Bernard Haitink

Mit 92 Jahren hat der niederländische Dirigent ein stolzes Alter erreicht. Klassikfavori hat eines seiner letzten Konzerte miterelebt. Mit immer noch absolut präzisen Handbewegungen hat er das Chamber Orchestra of Europe in der Luxemburger Philharmonie im Februar 2019 kurz vor seinem 90. Geburtstag dirigiert. Interviews durfte er zu diesem Zeitpunkt schon keine mehr geben. Dazu hatte ich 2002 Gelgenheit und habe Sie genutzt, wie in dem folgenden Audio nachzuhören ist… Zu allererst habe ich natürlich gefragt, wie er zum Dirigieren gefunden hat… (von Sabine Weber, Foto: Sébastien Grébille)

Edita-Farewell! Ein Nachruf auf die Primadonna assoluta

Der Abend des 27. März 2019 an der Bayerischen Staatsoper in München bleibt unvergessen: Wie bei der Premiere fünfzehn Jahre zuvor und in allen weiteren 51 Vorstellungen ist Edita Gruberova Königin Elisabeth I. in Gaetano Donizettis “Roberto Devereux“. Christof Loy inszeniert sie in einer Business-Welt als Margaret Thatcher. Am Ende schreitet die Gruberova dann doch noch gekrönt im langen schwarzen Samtkleid wie eine Königin zum bitteren Finale. Sie verabschiedet sich von der Regentschaft wie von ihrer letzten Liebe, aber auch vom Leben, nimmt die Krone ab und zieht sich die Perücke ab, um schüttere Spinnfäden-Haare preiszugeben, bevor sie vor den Insignien ihrer Macht zu Boden geht… Danach folgten Ovationen, ein Regen aus Rosenblättern und ein Kniefall des Intendanten Nikolaus Bachler, der ihr die Bühnen-Krone schenkt. Denn diese Vorstellung war die letzte der Produktion und zugleich der letzte Abend, an dem Edita Gruberova auf einer Bühne stehen sollte. „Es war sehr schön, es war wunderbar, und es war genug“, sagt sie damals. (Ein Nachruf von Klaus Kalchschmid) Edita-Farewell! Ein Nachruf auf die Primadonna assoluta weiterlesen