Archiv der Kategorie: CD-Besprechungen

CD-Überraschungen: Neue Countertenor-Sounds von Orlińsky und Jaroussky. Und exquisite Duette zweier Damen: Katharina Konradi und Catriona Morison

Philippe Jaroussky wagt sich an Schubert, vermeidet aber wohlweislich die großen Zyklen (ERATO). Orlińsky lässt sich auf Jazz-Popallüre ein (ERATO). Konradi und Morison entfalten nach romantischen Duetten von Schumann und Brahms mit französischen Mélodies einen ganz persönlichen Sound (AVI/ DEUTSCHE GRAMMOPHON). (Von Sabine Weber) CD-Überraschungen: Neue Countertenor-Sounds von Orlińsky und Jaroussky. Und exquisite Duette zweier Damen: Katharina Konradi und Catriona Morison weiterlesen

Zurück zur Substanz! – Christoph Timpe spielt die sechs Sonaten und Partiten für Violine solo von Bach

Christoph Timpe, Sonaten und Partiten für Solo Violine. BWV 1001-1006. Coviello Classics COV

Die „Sei Soli“, die sechs Sonaten und Partiten für Violine solo von Johann Sebastian Bach sind ein geigerisches Opus Magnum. Und werfen doch immer noch viele Fragen auf. Was ist nicht schon alles da hinein interpretiert, spekuliert und gedeutet worden. Fakt ist, dass alle Geigerinnen und Geiger sich den Herausforderungen aus BWV 1001 bis 1006 einmal in ihrem Leben stellen wollen. Der Barockgeiger Christoph Timpe hat sich über Jahre hinweg auch mit Fragen rund um den Zyklus beschäftigt, beispielsweise, welche Genres, wie Triosonate oder Arien hat Bach in einzelnen Sätzen der drei Sonaten zum Vorbild genommen, wie könnten Tanzformen in den drei Partiten wirklich hörbar gemacht werden und hat Bach überhaupt geigerisch gedacht? Den Zyklus von seinem angehäuften Bedeutungsberg zu entschlacken, war Christoph Timpes erstes Anliegen. Ich würde sagen, die Substanz ehrlich hörbar zu machen und das inzwischen zur Regel gewordene verschwummerte „genialisch“ irgendwie Drüberhuschen mal wieder durch altmodische Genauigkeit zu ersetzen sein und Auszuspielen durchzieht als Geisteshaltung Timpes Interpretation. Und da wirken selbst auffallend schnelle Tempi nie aufgeregt virtuos oder selbstdarstellerisch. Die Interpretation steht im Dienst der Idee. Die Aufnahme ist bei Coviello Classic (COV 92405) erschienen. Klassifavori hat den Geiger im März bei den Karlsruher Händelfestspielen zufällig in der Kantine getroffen. Und da hat Christoph Timpe seine Herangehensweise erklärt, was Sie in diesem podcast favori nachhören könnten.
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Glanz und Pracht in Lullys „Te Deum“ mit Les Epopées unter Stéphane Fuget

Jean-Baptiste Lully bedient in dieser geistlichen Musik nicht nur die große Opernklaviatur, sondern fügt Pauken und (sic) sieben Trompeten hinzu, um dem lateinischen Text des „Te Deums“ das Klangbild der Majestät zu verleihen. Stéphane Fuget und sein Ensemble Les Épopées, samt Chorverstärkung von Les Chantres und dem Kinderchor Les Pages am Centre de Musique Baroque de Versailles glänzen in ihrer „Collection des Grand Motets“ mit einer neuen Aufnahme. (Von Sabine Weber)

Label Centre de Musique de Barocke de Versailles. CVS117

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CDs: Marais-Caldara-Bononcini


Marais-Caldara-Bononcini! Da liegen drei CDs auf meinem Schreibtisch, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Gambistin Noémie Lenhof entdeckt Marin Marais. Und erweckt Werke, die nicht in dessen fünf Büchern, sondern in einem Manuskript zu finden sind, das in der National Library of Scotland, in Edinburgh aufbewahrt wird. Das Ensemble Intende Voci und das Orchestra Da Camera Canova stellen unter Mirko Guadagnini ein Gloria von Antonio Caldara in Weltveröffentlichung vor. Und Counter Alois Mühlbacher – ebenfalls in Weltersteinspielung – Alt-Kantaten mit Violin-Begleitung von Antonio Bononcini. (Von Sabine Weber)
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Ein grausames deutsches Schicksal – Grete Minde auf CD beim Orfeo-Label

Eine erschütternde und zugleich begeisternde Entdeckung ist diese Aufnahme! Erschütternd ist das wahre Schicksal der Margarete von Minden aus Tangermünde. Die Patriziertochter wird von ihrer Familie als Hexe angeklagt, um sie vom Erbe auszuschließen, grausam gefoltert und 1619 hingerichtet. Die Stadt hatte mit ihr auch den Sündenbock für ein verheerendes Stadtfeuer drei Jahre zuvor. Theodor Fontane liebte Frauenfiguren. Er hat dieses historische Frauenschicksal in einer Novelle 1880 überformt. Der jüdische Kaufmann Eugen Engel hat auf der Basis dieser Novelle 1933 eine Oper fertiggestellt, die bis letztes Jahr auf ihre Uraufführung gewartet hat. Die hat die Oper Magedeburg posthum nachgeholt. Und im Mai dieses Jahr ist ein Live-Mitschnitt des Deutschlandfunks auf CD veröffentlicht worden. Gestern landete sie in meinem CD-Player. Und ich muss sagen, seit langem war ich nicht mehr so begeistert wie hier von der ersten Minute an. Ohne Unterbrechung musste durchgehört werden. (Von Sabine Weber)

Eugen Engels „Grete Minde“ ist mit Solisten, Opernchor und den Magdeburger Philharmonikern bei ORFEO C260352 erschienen

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Ein CD-Potpourri an Alter, Romantischer und chilliger klassischer Musik

Es bleibt einiges auf dem Tisch liegen, wenn es Auszeiten gibt. So auch diese CDs, alle längst gehört, teilweise mit Kopfhörer beim Ergo-Training in der Reha. Endlich präsentiert bei klassikfavori von Sabine Weber:

Alte Musik (Teil 1)
7 Movements. Johanna Rose mit Werken von Bach und Sainte-Colombe Vater und Sohn. Rubicon: RCD1101
… ma cantabile. Tatjana Vorobjova spielt 18 Sonaten von Domenico Scarlatti. Dabringhausen und Grimm: MDG 921 2252
Passacalle de la Follie. Philippe Jaroussky und L‘Arpeggiata. Erato: Warner Classics 5054197221873

Songs of Oak. Florence Price; Sensations. Gautier Capucon
und Beyond Words. Felix Klieser folgen im Teil 2.

Johanna Rose greift nicht als erste Gambistin auf die Cello-Solosuiten von Bach zurück. Sie kombiniert sie auf ihrer neuen CD mit Solowerken von Sainte-Colombe Vater und Sohn. Frühe deutsche Hochkunst für solistisches Violoncello, mit vielen Doppelgriffen durchaus gambistisch auf Resonanz gedacht und so zu hören, trifft also auf Sätze der ersten berühmten französischen Gambisten. Sainte-Colombe Vater war wie Dubuisson Schüler von Nicolas Hotman (Hottemant) und selbst Lehrer des großen Gambisten Marin Marais. Wobei Vater Sainte-Colombe seine Konzerte für zwei Gamben – Lehrer und Schüler – pädagogisch gedacht komponiert hat. Rose hat sie für sich arrangiert und spielt auf einer natürlich siebensaitigen Gambe. Der mystisch-mythische Sainte-Colombe hat die tiefe Saite der Legende nach dem Instrument hinzugefügt. Das Instrument, das Rose verwendet, klingt wie ein Cello-Gambenzwitter, muss seines kräftig eher rauen, auch mal ruppigen Klanges sehr massiv – italienisch – gebaut sein. Klingt also eher nicht französisch. Die Zusammenstellung schafft den besonderen Reiz, weil sie hören lässt, dass die französische Gambenhochkunst in Bachs Suiten durchaus nachklingt. „7 Movements“ ist eine Huldigung der magischen Saitenzahl 7.

Domenico Scarlatti legt im portugiesischen, später spanischen Musik-Exil an die 600 Sonaten seiner Mäzenin Maria Barbara da Braganza zu Füßen. Nur wenige werden gedruckt. Und weisen bis auf den heutigen Tag diesen außergewöhnlichen Komponisten aus, der wie sein Vater Alessandro auch Opern hinterlässt. Als Geheimschatz gehoben und weitergegeben, wurden sie von Svjatoslav Richter oder Horrowitz geschätzt und gespielt. Die Sonaten, stets galant zweistimmig, sind außergewöhnliche Miniaturen an verschiedenen Stimmungen, mit klagenden Cante-jondo-Zitaten oder Flamenco-Harmonien. Tatjana Vorobjova wählt hier eher nicht-virtuose, poetisch träumerische und dem modernen Belcanto-Stil (mit „Cantabile“ überschrieben) aus. Die kleinen Musikdramen bringt Vorobjova geschickt in eine Dramaturgie, die unaufdringlich und selbstverständlich die Feinheiten dieser Werke erklingen lässt. Eine CD, die sich wunderbar durchhören lässt!

Passacalle de la Follie! L‘Arpeggiata unter Christina Pluhar hat einen alten Weggefährten, Countertenor Philippe Jaroussky, mal wieder eingeladen. Vor 13 Jahren sorgten sie erstmals in zahlreichen Konzerten für Furore. Mit ihrem „All‘Improviviso“ und swingigen Bearbeitungen barocker Basso-Ostinati-Modellen aus Italien – „Ciaccone, Bergamasche, & und po‘ di Follie“, so der Untertitel. Damals dabei der Klarinettist Gianluigi Trovesi, dessen Instrument ja klanglich sofort im Jazz ankommt. Auf der neuen CD, die den Bassmodellen der barocken Literatur auf der Spur ist, swingt Dorin Sherwin virtuos auf dem Zink. Pluhar hat wieder gekonnt und herrlich Air de cours von Lambert, Moulinié oder Boësset aufgetan, dazu Improvisationen über die immer gleichen Harmonien der Follia, dieses Mal heraus zu hören die berühmten Follie d‘Espagne für Gambe von Marin Marais. Mit einer Plainte vom Gambistenkomponisten Louis Caix D‘Hervelois verzaubert Roney Prada kurz vor Schluss. Die CD mit dem alt-neuen Erfolgsmodell ist wieder großartig gelungen. Ihr haftet allerdings das Wiederholungsmuster an, das Abdriften im Stück in triolische Bewegungsmuster und dazu der Einsatz einer die Swingbesen immitierenden Percussion. Jarousskys Stimme, immer noch wunderbar leicht, hat ein wenig mehr Schärfe. Am meisten rühren dennoch die eher innigen Stücke, die auch mit Theorben-Lauten-Solostücken abgemischt sind, die bei Pluhar immer silbrig hell klingen.

Camille Saint-Saëns! Palazzetto Bru Zane erforscht dessen Opernschaffen

„Samson et Dalila“ hat es ins Repertoire geschafft. Doch Camille Saint-Saëns (1835-1921), Titulaire an der Madeleine, also Organist und Pianist, vor allem sinfonischer Komponist, der bis ins hohe Alter hinein für Frankreich untypisch großartige kammermusikalische Werke wie Sonaten für Holzblasinstrumente schreibt nicht zu vergessen: die erste französische Stummfilmmusik vorlegt – er hat zeitlebend versucht, die Opernbühne zu erobern. Auch seine französischen Kollegen Bizet, Berlioz oder Massenet kämpften da mit Widerständen. Ob es an Charles Baudelaire lag, der beim Besuch einer Tannhäuser-Aufführung in Paris 1870 ein spirituelles Erlebnis in der Größenordnung einer „schwindelerregenden Opium-Vorstellung“ erlebt und mit seiner anschließenden Schrift der „Wagner-Rausch“ einen Wagner-Hype in Paris ausgelöst hat?
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Goebel mit dem Orchestre de l‘Opéra Royal und la Tempesta unter Bismuth erweisen Versailles großartige Reverenzen

Gleich zwei CD-Veröffentlichungen laden Ende Februar in das beeindruckende Opernhaus des Château de Versailles ein. Reinhard Goebel, ehemals barocker Virtuosengeiger und spiritus rector der Musica Antiqua Köln, heute ein bis unter die Haarspitzen mit Erfahrungen aus der historischen Aufführungspraxis gewappneter Dirigent, lässt das seit 2019 dort inthronisierte Königliche Opernorchester informiert tanzen. Patrick Bismuth und La Tempesta mit fünfköpfigem Sängerensemble – verleihen einem allegorischen Bühnenspiel von André Campra neuen Glanz. Die verschollene Partitur hat Bismuth als Zufallsfund aus der Mediathek von Saint-Denis gezogen. Ihr Thema: Krieg und Frieden in einem neuen Jahrhundert! Mit pädagogischem Fingerzeig also und höchst aktuell. Im Mai 1700 wurde es erstmals am Collège de Louis-Le-Grand mit Jesuitenschülern aufgeführt. (Von Sabine Weber)

Les Caractères de la Danse Du Bourgois Genilhomme à Orphée. Chateau de Versailles Spectacles. CVS055

(2. März 2022) In diesen Zeiten möchten wir doch gern in heile arkadische Welten flüchten und mit Fragonards Schaukeldame in Rosa auf dem Booklet über Rosen und Amouretten den Schuh fliegen lassen. Heute wie damals sind solche glücklichen Momente natürlich Blasen gewesen. Kriege gegen Spanien, die Niederlande, Deutschland, der pfälzische Erbfolgekrieg hat des Sonnenkönigs Frankreich letztendlich ruiniert und eine elende Hungersnot heraufbeschworen. Aus der Entfernung betrachtet lässt sich die arkadische Blase allerdings wunderbar aufblasen. Zumal sie mit französischer Musik des Stile classique und des aufziehenden galanten Rokokos vom Feinsten gefüllt werden kann.

Reinhard Goebel und Musica Antiqua Köln machten mit diesem Repertoire für die Einspielung der Filmmusik zu Le Roi danse bereits vor 20 Jahren Bekanntschaft. Zum Film über Jean-Baptiste Lully und seinem Aufstieg am Hofe Ludwigs XIV. lieferte Lully natürlich auch die Musik. Als musikalischer Zeremonienmeister eines durch den Sonnenkönig neu heraufbeschworenen kulturellen Nationalstolzes natürlich beste Filmmusik. Freilich mit Goebel als Spezialist für hochvirtuoses italienisches und deutsches Violin-dominiertes Repertoire, damals als deutscher Beitrag aus Köln ein „muss“, weil Filmförderung von dort kam, klang es irritierend ruppig, Goebels Bon goût eher kantig. Zwanzig Jahre später hat es sich gemildert. Mit dem Orchestre de l‘Opéra Royal klingt es geradezu irritierend weich, was auch an der indirekten Mikrofonierung liegen könnte, aber auch an den etwas verschwommenen, wenig konturierten Innenstimmen und den auffallend zurückgenommenen Akzentuierungen, beispielsweise der Auftakte.

Dass Jean-Baptiste Lullys Tanzsätze zu Molières Stück Le Bourgeois Gentilhomme einen 16-Fuß bekommen, ist nicht stilecht, aber akzeptabel. Erst mit Rameau sollte das Orchester in der Tiefe rumpeln. Die Tanzsätze der 4. Szene zu dessen Pygmalion-Einakter – als solche zwar nicht Air des differents Caractères überschrieben – sind aber tatsächlich eine Folge von pétits mouvements de danses wie die Caractères-de-la-Danses-Miniaturen Jean-Ferry Rebels, die angeblich einer Charakterfolge der Frankreich zugehörigen Provinzen entsprechen sollte. Interessanterweise sei Rebels Tanzmusik die erste gewesen, mit der Damen aufs französische Parkett gebeten wurden, so Goebel, womit sie die ewig männliche Kriegsgötterei mildern konnten. Rameau konnte auf die Tänzerin Marie Sallé in seinen Tanzopern fest setzen. Und hat auch Anspruch auf den 16-Fuss der Kontrabässe, wobei er auch mal petites flûtes in Terzen zwitschern lässt. Dennoch, so richtig schwungvoll geraten die Rameautänze noch nicht, die eigentlich zum Besten zählen, was Rameau komponiert haben soll…

Mit Christoph Willibald Glucks Tänzen aus Orphée et Eurydice entwickeln Klang und Darstellung mit einem Mal Selbstbewusstsein und Charakterstärke. In der Ouvertüre schon allein der Hörner wegen! Im Maestoso eröffnen sie furchterregend das Tor für die Furien der Unterwelt. Ihr Tanz hat verblüffende Ähnlichkeit mit Don Juans Höllenfahrt aus Glucks nach dem Frauenheld benannter Ballettmusik. In einer Don-Juan-Vorstellung soll das Wiener Theater bis auf die Grundmauern abgefackelt worden sein.

Wolfgang Amadeus Mozarts Ballettmusik zu Idomeneo ist die Schlussapotheose dieser französischen Tanzgenealogie in die Wiener Klassik hinein, wobei Mozarts Chaconne eigentlich keine ist, wie Goebel in seinem rekurrierenden Begleittext wissend erläutert. Gekonnt liefert er Bogen und die Erklärung dazu, warum mit Lullys Tanzmusik seinen Anfang nahm, was bei Mozart furios mit Pauken endet.

André Campra, Le Destin Du Nouveau Siècle. Château de Versailles Spectacles. CVS061

Die Wieder-entdeckung und Wiederaufführung von André Campras allegorischem Spiel Le Destin Du Nouveau Siècles ist ein Coup: beste Musik, Airs, Récits und großartige Choreinlagen. Die hatte man ja schon mit dessen Opern-Ballett L‘Europe galante auf dem Plan. Dazu – wie könnte es auch hier anders sein – großartige Tanzmusik. Noch bis in die Romantik müssen auf französischen Bühnen immer Ballette sein. Also hier barocke Menuette, Giguen, Musetten – seltsamerweise keine Sarabanden – die das heraufziehende Jahrhundert begleiten, beflügeln, Kriegern Ruhm und Prestige, den Pazifisten Kunst und Kultur bringen. Leider muss der Zwischensieg des Friedens im dritten und letzten Teil wieder dem Krieg Platz einräumen, der als unvermeidbar ins Bild zu gehören hat. Angesichts des aktuellen Kriegs unfassbar. Der Vierzehnte führte unentwegt Krieg, das hatten die angehenden Schüler zu begreifen. Konzentrieren wir uns lieber darauf, dass die Musikausbildung in dem Jesuitenkolleg Louis-Le-Grand damals ambitioniert gewesen sein muss. Heute ist das Gymnasium immer noch die erste Pariser Adresse für gesellschaftliche Aufsteiger in Paris. Allerdings inzwischen weniger in musischer Hinsicht. Die Chöre für die damaligen Zöglinge sind anspruchsvoll, die Tänze nicht minder. Heute wird ganz sicher nicht mehr getanzt. Die Aufführungen dieses Jesuitenkollegs sollen damals sogar eine Stadtattraktion gewesen sein. Und Komponisten wie Charpentier, Colasse und eben Campra haben dafür komponiert, damit die besten Choreographen die Tänze entwickeln konnten. Die Götter, der allegorisierte Frieden sowie der Krieg bekommen von großartigen Solisten (Florie Valiquette, Claire Lefilliâtre, Marc Mauillon, Mathias Vidal, Thomas van Essen) ihre Stimme geliehen, fein austariert konturiert klingen die Instrumente unter Patrick Bismuths Leitung. Vielleicht ist die allegorische Trouvaille insgesamt ein bisschen zu lang. Aber wunderbare französische Bühnenmusik des Stile classique, die hier erstmals auf CD gebannt erscheint.

„Au Monde!“ Daniel Zapico bearbeitet Prachtstücke aus Versailles für die Theorbe und versetzt den Hörer in profunde Schwingung

Klassikfavori wünscht allseits einen guten Start ins Neue! Hier mit einer Geschichte, die im letzten Jahr beginnt: Kurz vor Weihnachten schickt mir ein Kollege eine CD, die erst einmal liegen bleibt, die Ferien über auf dem Stapel wartet, dann im Neuen Jahr wie nebenbei in den Player wandert und bereits bei den ersten Tönen innehalten lässt. Horchen und Staunen ob der Klänge. Tief, profund, dennoch weich und französisch, bekannt und doch ganz anders. Hits aus der Zeit des französischen Stile Classique – ich gebe es gleich zu, meine Lieblingsepoche! – bearbeitet von dem asturischen Theorbisten Daniel Zapico für sein Instrument! (Von Sabine Weber) „Au Monde!“ Daniel Zapico bearbeitet Prachtstücke aus Versailles für die Theorbe und versetzt den Hörer in profunde Schwingung weiterlesen

Kurz vor Weihnachten: Neue CD Aufnahmen mit Jaroussky und Orlinski

Sie gehören beinahe zwei Generationen von Countertenören an und doch singen Philippe Jaroussky, geboren 1978, und der gerade mal 30 Jahre alte Jakub Józef Orlinski in einer, und beide in der höchsten Liga: Hier der erfahrene Franzose mit einer kaum mehr überschaubaren Diskographie, dort der Newcomer aus Polen, der freilich auch schon großartige Auftritte auf den Bühnen Europas – und zuletzt in der Met – hatte, sowie bereits zwei fantastische Solo-Alben veröffentlicht hat. Mit „Anima Aeterna“ knüpft er an seine Debüt-CD „Anima Sacra“ von 2018 an. (Von Klaus Kalchschmid) Kurz vor Weihnachten: Neue CD Aufnahmen mit Jaroussky und Orlinski weiterlesen