Archiv der Kategorie: Premierenbesprechungen

Wie sag’ ich’s Ihr? Joseph Bolognes „L’amant anonyme“ bekommt in Essen „Unerwartete Wendungen“!

„Schwarzer Mozart“ wurde Joseph Bologne de Saint-Georges seiner dunklen Hautfarbe wegen genannt. Sohn eines ausgedienten Musketiers und einer schwarzen Sklavin, konnte er den Geigenbogen ebenso brillant wie den Degen führen. Er hat in der französischen Nationalgarde die junge Republik verteidigt und wäre dennoch fast auf dem Schafott gelandet. Sechs Opern hat er komponiert. Eine, „L’amant anonyme“, ist komplett überliefert. Am Aalto in Essen wird diese „Comédie mêlée en deux actes“ wiederentdeckt und bekommt „Unerwartete Wendungen“: Neue Musik, ein „Seniorinnenquartett“, zwei Zuschauer, zwei „Spoken Word Artists“ und „Street-Dancers“! Es geht erstaunlich gut! (Von Sabine Weber)
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Thalheimers „Eugen Onegin“ – im abstrakten Raum pur!

Peter Tschaikowskys „Eugen Onegin“ um 1878 komponiert, ist ein Gesellschafts und Personendrama aus dem 19. Jahrhundert und basiert auf Alexander Puschkin. Nach 20 Jahren hat die Oper jetzt wieder auf die Bühne der Düsseldorfer Oper am Rhein gefunden. Die Regie von Michael Thalheimer verzichtet auf Folklore und pointiert das höchstmenschliche Drama zweier Paare in einem abstrakten Raum! Faszinierend! Denn wir saßen für Sie in der Premiere, gestern, Sonntag, den 25. Februar 2024, und Klaus Kalchschmid beantwortet wie immer ein paar Fragen, die in diesem podcast favori „Die Oper der Woche“ nachzuhören sind. (Die Fragen stellt Sabine Weber) Thalheimers „Eugen Onegin“ – im abstrakten Raum pur! weiterlesen

Bertins „Fausto“. Der Geniestreich einer französischen Komponistin erlebt am Aalto die Deutsche Erstaufführung

Die erste französische Faust-Oper kommt nicht von Berlioz oder Gounod. Eine fünfundzwanzigjährige Komponistin entwirft sie mit einem eigenen Libretto, und lässt komische, kuriose und dramatische Settings über die Bühne gehen, Szenen mit Solisten und Chor, Ensembles und Instrumentales aus dem Graben, die ein außerordentliches Talent verraten. Nicht auszudenken, was Louise Bertin noch geliefert hätte, wäre sie nicht in Paris so dermaßen von den französischen Patriarchen ausgebremst worden. Das Aalto verbucht die Deutsche Erstaufführung ihrer dritten Oper. (Von Sabine Weber) Bertins „Fausto“. Der Geniestreich einer französischen Komponistin erlebt am Aalto die Deutsche Erstaufführung weiterlesen

Die erste szenische Wiederaufführung seit der Uraufführung! Dortmund rehabilitiert mit „La Montagne Noire“ Augusta Holmès als romantische Klangkünstlerin

(13. Januar 2024, Oper Dortmund) Die Oper Dortmund darf sogar ein bisschen von Uraufführung sprechen! Bei der Uraufführung 1895 in Paris war der vierte Akt nämlich am Ende zusammengestrichen und einiger großartiger Musik beraubt. Erstmals seitdem ist „Montagne Noire“ – übersetzt „Der schwarze Berg“ – derzeit in Dortmund zu erleben. Und bei der Premiere saßen auch Franzosen im Publikum. (Von Sabine Weber) Die erste szenische Wiederaufführung seit der Uraufführung! Dortmund rehabilitiert mit „La Montagne Noire“ Augusta Holmès als romantische Klangkünstlerin weiterlesen

Brillante Spaßszenen im Breughelland – der Untergangsprophet als Narr richtet in Barkhatovs Frankfurter „Grand Macabre“ da wenig aus!

In eingeblendeten Fernsehnachrichten aus aller Welt wird vor dem Einschlag eines riesigen Kometen gewarnt. Der Vorhang hebt sich und das Publikum lacht. Denn auf der Bühne ist eine Karambolage auf einer Autobahnauffahrt ins Bild gesetzt. Auf der Flucht und ausgebremst. Grell gelbes „Yellow Cab“ vorne, silbernes Coupé daneben, ein Wohnmobil hinten, und weitere Karossen ineinander verkeilt. Oben auf der Brückenüberführung hängt sogar ein originaler Polizeiwagen in der Leitplanke! Großartig gemacht von Bühnenbildner Zinovy Margolin. Die Einleitungstoccata von György Ligeti zu seinem „Grand Macabre“ hat ihr Bild. Denn ein wildes Hupkonzert hat Ligeti da hinein komponiert. Vasily Barkhatov verordnet dem Weltuntergangspektakel im fiktionalen Breughelland das Hier und Jetzt. Ob das in allem so aufgeht? (Von Sabine Weber) Brillante Spaßszenen im Breughelland – der Untergangsprophet als Narr richtet in Barkhatovs Frankfurter „Grand Macabre“ da wenig aus! weiterlesen

Ecce homo Alberich! Castellucci eröffnet seinen Brüsseler Ring!

Es ist der erste Ring von Regisseur Romeo Castellucci. Und nicht von ungefähr verwirklicht er ihn am De Munt/ La Monnaie in Brüssel. Hier hat er 2011 sein Regiedebüt mit Wagners „Parsifal“ gegeben. Inszenierungen von Glucks „Orphée et Eurydice“ 2014, der „Zauberflöte“ 2018 und Honeggers „Jeanne d‘Arc au bûcher“ 2019 folgten. In dieser und der nächsten Saison schmiedet er also einen belgischen Wagner-Ring. Im wahrsten Sinne des Wortes, wie im „Rheingold“ gestern zu erleben war. Maschinenbauer unter Sicherheitshelmen biegen live an einer Drehmaschinenwerkbank gewaltige Eisenstangen zu Riesenringen. Das omnipräsente Symbol. Auch eine Metallsäge kreischt auf und schneidet in das Metall. Der stets asketisch schwarz gekleidete Regisseur mit dick schwarz umrandeter Brille und dunkel-dichtem Haar liebt das Drastisch- Realistische. Alberich gilt seine besondere Aufmerksamkeit. Seiner Versehrtheit, seinem Versagen, seinem Bloßgestellt werden. (Von Sabine Weber) Ecce homo Alberich! Castellucci eröffnet seinen Brüsseler Ring! weiterlesen

Reduziertes Bild – Rauschende Musik. Thalheimers „Parsifal“ in Düsseldorf!

Axel Kober wird schon enthusiastisch beim ersten Antritt begrüßt. Vor jedem weiteren Aufzug des Parsifal und vor allem am Ende nach fünf Stunden. Die Düsseldorfer schätzen ihren Wagner-Dirigenten und bis Sommer 2024 noch ihr GMD. Er wird die Saison auch mit einem „Holländer“ abrunden. Dass in der euphorischen Beklatschung der Solisten für den Parsifal- und die Kundry-Interpreten vereinzelt Buhrufe auszumachen sind, ist wirklich ungehörig.

Gast Daniel Frank ist vielleicht nicht die optimale Verkörperung eines jungen strahlenden Helden. Aber in die vom Regisseur Michael Thalheimer angelegte Rollendeutung fügt er sich hervorragend ein und meistert seinen Part stimmlich sehr gut. Da habe ich schon anderes erlebt. Sara Ferede aus dem Ensemble gibt und spielt ihr Rollendebüt ebenfalls großartig. Nicht in allem makellos, aber der wirklich heiklen Momente sind wenig, und insgesamt überzeugt sie zudem durch ihr Spiel. Über die Rollenausdeutung lässt sich streiten. Das Regie-Team spaltet das Publikum. Beängstigend laut waren die Für- und Widerreaktionen, sodass man einen ausbrechenden Tumult befürchten musste. (Von Sabine Weber) Reduziertes Bild – Rauschende Musik. Thalheimers „Parsifal“ in Düsseldorf! weiterlesen

Die dunkeldüsteren Macbeths und die „Légèreté“ Verdis! Nicht nur daran scheitert die Regie der aktuellen Produktion am Aalto, die musikalisch grandios ist!

Man spürt die Freude des Essener Publikums, wieder Oper zu haben! Und sein Votum ist einhellig bei dieser Eröffnungspremiere: die Solisten werden mit euphorischem Applaus bejubelt! Massimo Cavalletti in der Titelpartie. Als Gast besteht er sein Aalto-Debüt in dieser erstmals einstudierten, wirklich schweren Baritonpartie bravourös. Ihm gelingt auch das von Verdi geforderte sotto voce, beziehungsweise das „Nicht zu singen, sondern mit verhohlen und verschleierter Stimme Darzustellen!“ An seiner dunklen Seite Astrik Khanamiryan als Lady Macbeth mit Durchschlagkraft und wohl geformter Fühligkeit und Suggestion. Dazu Sebastian Pilgrim als dunkeltönender Banco und der mexikanische Tenor Alejandro del Angel als Macduff, Macbeth‘ Gegenspieler. Sie sind neu im Ensemble, das für das italienische Belcanto-Fach bestens aufgerüstet ist. Als der neue GMD Andrea Sanguineti aufs Podium kommt, der Tomáš Netopil nach 10 Jahren nachfolgt, gibt es sogar stehende Ovationen. Der Meister des italienischen Fachs wird als alter Bekannter begrüßt, er hat am Aalto bereits mit Verdis „Don Carlo“ und Donizettis „Lucrezia Borgia“ gepunktet. Beim Regieteam um Emily Hehl weichen die Jubelschreie den Buhs. Obwohl man spürt, dass alle eher Jubel wollen, auch wegen der supersympathischen neuen Intendantin, die das Publikum vor der Vorstellung herzlich begrüßt hat. (Von Sabine Weber)

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Für Janaceks „Aus einem Totenhaus” auf der Ruhrtriennale bringt Tscherniakov die Zuschauer ins Gefängnis

Für Janaceks „Aus einem Totenhaus” auf der Ruhrtriennale bringt Tscherniakov die Zuschauer ins Gefängnis

Leos Janacek hatte in seinen Opern immer die Schwachen der Gesellschaft im Visier, die vom Weg abgekommenen, die Rechtlosen, die auch noch Unrecht begehen. Frauen, die aus Not gegen das Gesetz verstoßen („Jenufa” und „Katja Kabanova”), im „Schlauen Füchslein” die schutzlose Tierwelt. In seiner letzten Oper geht er so weit wie nie, denn er vertont die Aufzeichnungen „Aus einem Totenhaus” von Fjodor Dostojewski. Dostojewski hat vier Jahre im Gefängnis beziehungsweise einem Gulag-Vorläufer durchleben müssen. Janaceks 1926/27 komponierte Oper ist immer ein existentielles Erlebnis für die Zuschauer, denn Verurteilten, Gewaltverbrechern, dem Abschaum der Gesellschaft leiht Janacek seine Musik. Dmitri Tscherniakov hat für die diesjährige Ruhrtriennale hautnah inszeniert und das Publikum gleich mit ins Gefängnis gebracht. Premiere war gestern, am 31. August 2023. Mit im Gefängnis der Jahrhunderthalle Bochum der Chor der Janacek-Oper des Nationaltheaters Brünn. Die Bochumer Sinfoniker saßen zwar vor den Gittern, aber Chef Dennis Russell Davis war auf Bildschirmen omnipräsent. Noch im Foyer der Bochumer Jahrhunderthalle hat klassikfavori das Mikrofon gezückt und mit Opernexperte Klaus Kalchschmid das Erlebnis in einem podcast kommentiert. (Die Fragen stellt Sabine Weber) Für Janaceks „Aus einem Totenhaus” auf der Ruhrtriennale bringt Tscherniakov die Zuschauer ins Gefängnis weiterlesen