Beim ARD-Musikwettbewerb: sensationelle 368 Gesangsbewerbungen!

(Titelbild: Anastasiya Taratorkina und das Münchner Rundfunkorchester unter Matthias Foremny. Foto: Daniel Delang) Endlich hat der Internationale Musikwettbewerb der ARD nach einem Jahr pandemiebedingter Aussetzung wieder stattgefunden. Wenn auch in den 1. Runden nur digital, in der 2. Runde nur vor der Jury und ausgewähltem Fachpublikum, leider nicht wie sonst vor begeistert mitfiebernden Zuhörern im vollbesetzten Saal. Alle Semifinali und Finali in den Fächern Klavierduo, Geige, Gesang und Horn konnten dann aber vor Publikum in Herkulessaal und Prinzregententheater vor Publikum stattfinden. Nach 14 Tagen Dauereinsatz und –berichterstattung mit etwas Abstand jetzt das Resümée eines wahrhaft starken Jahrgangs, der gezeigt hat, wieviel Potenzial bei hervorragenden jungen Musikerinnen und Musikern seit März 2020 brach liegen musste und jetzt vital hervorbrach. Die Semi-Finali und Finali sowie die drei Preisträgerkonzerte können übrigens als kostenloses Video on Demand abgerufen werden. In der ARD Mediathek ist ein ttt-extra von Michael Wende zum 70. ARD-Musikwettbewerb zu sehen, das am 19. September auch im Ersten ausgestrahlt wurde. (Von Klaus Kalchschmid) Beim ARD-Musikwettbewerb: sensationelle 368 Gesangsbewerbungen! weiterlesen

Glucks „Orfeo“ in der Parma-Fassung mit Kabarett, dazu Dressmanshow mit Spitzentönen bei den Gluckfestspielen

Sie sind in Franken und beim TV-Fasching legendär: Waltraud und Mariechen, das Kabarettisten-Travestie-Duo mit den echten Namen Volker Heißmann und Martin Rassau. Nun kalauern sich die beiden brillant durch die Eröffnung der diesjährigen Gluck-Festspiele vor dem Vorhang des neobarocken Stadtheaters Fürth. Im verbalen Dialekt-Pingpong machen sie deutlich, dass nicht Jacques Offenbachs „Orpheus“ auf dem Programm steht („Schood, ich had mich ächt auf den Kang Kang gefreut“) und der Sänger der Titelpartie von Glucks „Orfeo ed Euridice“ eben erst in Bayreuth aufgetreten sei: „Naa, ned oben im Feschbielhaus, sondern drundn im Markgräflichen Obbernhaus!“ (Von Klaus Kalchschmid)

Bruno de Sà. Foto: Khrystyna Jalowa

(16./17. September 2021 Gluckfestspiele, Fürth, Neumarkt) Ein männlicher Sopran wie Bruno de Sà kann die Partie, die einst Soprankastrat Giuseppe Millico 1769 in der Parma-Fassung verkörperte tatsächlich singen. Gluck hatte seinen Orfeo sieben Jahre zuvor für Wien für einen Altkastraten komponiert. Diese Urfassung wird heute meist gesungen, von einem weiblichen Mezzo, oder Countertören wie Franco Fagioli, Philippe Jaroussky oder Bejun Behta.

Die Parma-Fassung entstand für die Hochzeit von Erzherzogin Maria Amalia mit Herzog Ferdinand von Bourbon-Parma sogar als ein mehrteiliges musikalisch-theatralisches Spektakel. Le feste d’Apollo heißt es und Atto d’Orfeo (Parma-Fassung) ist der abschließende Teil davon. Nach der von Gluck 1774 grundlegend für Paris und einen hohen Tenor auf Französisch veränderten Fassung ist die sogenannte „Parma-Fassung“ bis heute die am seltensten aufgeführte. Denn die hier um eine Terz oder gar eine Quart nach oben transportierte Soprankastratenpartie liegt den meisten Countertenören zu hoch, einem Bruno de Sà oder Samuel Mariño, der ursprünglich vorgesehen war, dagegen fast zu tief!

Sà musste vor zwei Wochen die Partie von Grund auf lernen, um sie nicht nur musikalisch in die Stimme, sondern auch in den Körper zu bekommen. Denn geplant war eine auswendig gesungene konzertante Version mit einem Hauch von Szene mit Samuel Mariño. Der hatte wohl wegen seines Lieder-Recitals abgesagt. De Sà schien leider gesundheitlich angeschlagen. Das hat zu Nervosität geführt und manchmal mangelnder Tragfähigkeit der Stimme in Mittellage und Tiefe. Die Spitzentöne strahlen dennoch stets wunderbar. Als Sà einmal einen hohen Ton ohne Vibrato mit immer mehr Lautstärke und vibrierendem Klang vom Pianissimo ins Fortissimo steigert, geht ein Raunen durch die Reihen.

Ihm zur Seite steht eine feine, ihr Unverständnis ob des scheinbar gefühllosen Mannes immer stärker artikulierende Euridice in Gestalt von Georgina Melville und als Amor der sicher und kraftvoll agierender Knabensopran Cajetan Deßloch von den Tölzern. Dessen musikalischer Leiter ist der Dirigent dieses Abends und der neue Festival-Leiter seit dieser Saison, Michael Hofstetter. Er trägt mit dem auf Originalklang-Instrumenten spielenden Händelfestspielorchester Halle prägnant musizierend den Abend, während das fünfköpfige Calmus Ensemble, manchmal erweitert um den Kammerchor Josquin des Préz, schöne junge Stimmen mit Ausdruck hören, aber doch auch manchmal die chorische Mischung vermissen lässt.

Michael Hofstetter, Leiter der Gluckfestspiele. Foto: Stuart Armitt

Tags darauf staunt das Publikum im Neumarkter Reitstadl: Denn da durfte es hören, was für ein großartiger Orfeo der Venezulaner Samuel Mariño wohl gewesen wäre. Er singt das berühmte „Che farò senza Euridice“ nach Ende des offiziellen Programms nicht nur brillant, sondern lebt die tiefe Verzweiflung des thrakischen Sängers über den erneuten Verlust seiner Geliebten in jedem Ton und mit jeder Faser seines Körpers aus. Das ist überwältigend, wie der ganze Abend, ebenfalls mit dem Händelfestspielorchester Halle unter Michael Hofstetter. Das spielte sogar noch um einiges packender und knackiger als tags zuvor, lässt sich von Mariño wohl auch infizieren.

Samuel Mariño. Foto: Khrystyna Jalowa

Der präsentiert das halbe Programm seiner aktuellen Debüt-CD bei Orfeo, aufgenommen im Oktober 2019. Also etwa „M’allontano, sdegnose pupille“ des Meleagro aus Händels Atalanta und „Quella fiamma“ aus dessen Arminio: ein herrlicher Wettstreit mit einer Solo-Oboe um die schönste Kadenz, die geilste Verzierung und den glanzvoll ausgehaltenen hohen Ton, immer wieder kulminierend in einem dreigestrichenen C, das sogar manch‘ weiblichem Sopran schwerfällt.

Dazu trägt Mariño erst ein silbrig schimmerndes Sakko über nackter Haut, später für Gluck dann ein dunkles Sakko über schwarzem, durchsichtigen Netzhemd. Und auf seinen Plateau-Schuhen stolzierte er elegant viril-feminin, als wären’s High Heels.

Nach der Sinfonia aus Glucks Antigono folgt fulminant verkörpert die große Szene der Berenice („Berenice, che fai“) und „Care pupille“ aus Il Tigrane. Jede Koloratur sitzt perfekt, jede Verzierung girrt, jeder Triller vibriert sexy dazu eine perfekt tänzelnde Bühnen-Show. Eine Kreuzung aus Cecilia Bartoli und Michael Jackson könnte er genannt werden. Und flirtet auch mal mit dem Cellisten im Orchester.

Am Ende gibt Mariño außer der Klagearie des Orpheus noch zwei weitere Zugaben, darunter eine herrlich vital gurrende und noch eine ganz intime, leise Händel-Arie: „Care selve“ des Meleagro aus Atalanta – nur mit Begleitung von Laute und Cello!

Im nächsten Jahr gibt es im Mai bei den Gluck-Festspielen unter anderem zwei szenische Produktionen von Gluck-Opern im Markgräflichen Opernhaus Bayreuth und im Stadttheater Fürth. Die Besetzung soll hochkarätig und international sein. Details werden im Herbst bekanntgegeben.

Schnittstellen II: Junge Opernmacher in Wort, Musik und Bild an der Oper in Köln

In diesem „Podcast favori. Das Opernprojekt der Woche“ heißt es: Schnittstellen II. Der Titel klingt vielleicht etwas unpoetisch. Dahinter steht aber ein Projekt, das so zukunftsweisend ist, dass es in die Opernwelt hinaus gerufen werden muss. Die Kölner Oper gibt Nachwuchskünstlern eine Chance auf ganzer Linie: drei junge Librettistinnen verfassen, drei junge Komponisten komponieren und angehende Architekten und Bildende Künstler entwerfen Bilder im Auftrag der Oper Köln für drei Kurzopern. Schnittstellen II: Junge Opernmacher in Wort, Musik und Bild an der Oper in Köln weiterlesen

„Die tote Stadt“ von Korngold eröffnet die Opern-Saison 21/22 in Köln

Und die Hoffnungen sind groß, diese Saison ohne Unterbrechungen live durchspielen zu können. Das Gürzenich-Orchester sitzt in gigantischer Großbesetzung in der Ausweichspielstätte im Staatenhaus rechts sichtbar aufgebaut aber noch auf Coronadistanz mit dem ein oder anderen Plexiglas zwischen den Musikern. Die zwei Harfen schallen neben der Sitztribüne aus einem schwarzen Kasten heraus. Die gewaltigen Choreinlagen nebst Kinderchor kommen aus dem off von hinten oder der Seite oder die Sänger*innen stellen sich in Distanz links zur Bühne auf. (Von Sabine Weber) „Die tote Stadt“ von Korngold eröffnet die Opern-Saison 21/22 in Köln weiterlesen

RT_21: D•I•E – Überforderungstrance mit Hologrammen, Aufzählungspoesie und Frauengeschrei

„Rauschartige Überforderungstrance“ – kündet das Programmheft an! Michael Wertmüllers neues Musiktheater D•I•E setzt ein klassisches Streichquartett, ein Metal-Jazz-Neue-Musik-Trio, eine Garage-Band, drei Sängerinnen, eine Rapperin und eine Performerin in rotierenden 3-D Raumbilder in Aktion! (Von Sabine Weber) RT_21: D•I•E – Überforderungstrance mit Hologrammen, Aufzählungspoesie und Frauengeschrei weiterlesen

Eine Ausnahmesängerin! Julia Varady zum 80. Geburtstag!

Julia Varady zum 80. Geburtstag. Eine 10 CD Box der Orfeo-Recording.

Heute feiert Julia Varady ihren 80. Geburtstag! Eine 10 CD-Box der Orfeo-Recordings durchstreift das Lebenswerk dieser großen Sängerin. Klaus Kalchschmid mit persönlichen Eindrücken einer Bühnenpersönlichkeit, die ihm Mitte der 1970er zum ersten Mal begegnet ist. Eine Ausnahmesängerin! Julia Varady zum 80. Geburtstag! weiterlesen