„Nixon in China“ – als Superlativ-Oper in Dortmund!

(Titelbild: Morgan Moody (Henry Kissinger), Daegyun Jeong (Chou En-lai), Petr Sokolov (Richard Nixon), Irina Simmes (Pat Nixon), Opernchor Theater Dortmund. Foto: Thomas Jauk)
Das von einem Fachmagazin gekürte beste Opernhaus 2022 will offenkundig seinen Ruf verteidigen. Für John Adams‘ „Nixon in China“ schüttet Regisseur Martin G. Berger ein Füllhorn an Bildern, Videos, Animationen aus, entfesselt Tanzaktionen mit dem NRW Juniorballett und dem Senior*innenTanztheater. Der Opernchor sowie ein Projekt-Extrachor füllen die Bühne, dazu 10 Solisten, darunter eine Solo-Tänzerin, teilweise in opulenten Kostümen. Selbst wer nur die Hälfte dieses Bilder-Furors mitbekommt, dürfte sich überversorgt fühlen. Dabei zielt nichts ins Leere, sondern fügt sich bunt wie ein Musical und entwickelt gewaltige Spannungshöhepunkte. (Von Sabine Weber)
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Verdis „Luisa Miller“ wird im Kölner Staatenhaus vorbereitet. Ko-Regisseur Georg Zlabinger gibt Auskunft

Verdis „Luisa Miller“ wird im Kölner Staatenhaus vorbereitet. Ko-Regisseur Georg Zlabinger gibt Auskunft

Die Oper Köln hat eine Produktion vom Glyndebourne-Festival 2021 Übernommen. Die Kölner Premiere findet am 4. März statt. Schon in Glyndebourne vor anderthalb Jahren ist der Wiener Georg Zlabinger für die Umsetzung von Christof Loys Regieidee federführend gewesen, wie in diesem Interview nach einer Probe zu erfahren ist. (Die Fragen stellt Sabine Weber) Verdis „Luisa Miller“ wird im Kölner Staatenhaus vorbereitet. Ko-Regisseur Georg Zlabinger gibt Auskunft weiterlesen

„Boccanegra“ sorgt für tragische Verdi-Stunden, in Essen mit Prilblumen konterkariert

(Titelbild: Statisterie, Carlos Cardoso (Gabriele Adorno), Daniel Luis de Vicente (Simon Boccanegra, für den in dieser Aufführung Dimitris Tiliakos eingesprungen ist), Jessica Muirhead (Amelia) (v.l.). Foto: Matthias Jung) Ganz klar: Simon Boccanegra ist ein besonderer Verdi! Das sonst eher reservierte Essener Publikum ist in dieser zweiten Aufführung zu recht aus dem Häuschen! Denn Verdi zeichnet die scheiternde politische Mission eines Menschen nach, der verzweifelt um Frieden zwischen rivalisierenden Seemächten ringt, der versucht, einen zerfleischenden Bruderkrieg innerhalb der Stadtmauern mit einer großen Friedensrede zu beenden, seine verschwundene Tochter wiederzufinden, deren Mutter aus einer verfeindeten Familie stammt und daher in den Tod getrieben wurde. Und im Aalto werden drei Stunden lang die Verdi-Register musikalisch großartig gezogen. Die Essener Philharmoniker unter Giuseppe Finzi fluten den Saal mit ausdifferenziert durchleuchtenden Klängen, liefern aber auch neben unheilig donnerndem Blechgetöse himmlische Kirchenmusik, begleiten innigliche Verzweiflungsmomente mit einsamen Klarinetten- oder Oboenkantilenen und beenden ein Liebesduett mit in den Himmel steigender Harfe. Das großartige Ensemble (Muirhead, Amelia; Tiliakos, Boccanegra; Trinsinger, Paolo; und Cardoso, Adorno) werden exzellent begleitet. Essen ist auf dem Weg zur Belcanto-Stadt! (Von Sabine Weber) „Boccanegra“ sorgt für tragische Verdi-Stunden, in Essen mit Prilblumen konterkariert weiterlesen

Musiktheater im Revier: Auftakt für den Mir-Publikumsbeirat

Das Musiktheater im Revier lädt Menschen aus Gelsenkirchen ein, sich im Rahmen eines Publikumsbeirates zu engagieren. Angesprochen sind nicht nur all jene, die regelmäßig Veranstaltungen im Musiktheater im Revier besuchen, sondern besonders die Gelsenkirchener*innen, die das MiR vielleicht nur als Namenspaten einer Haltestelle kennen oder vor langer Zeit zum letzten Mal eine Vorstellung besucht haben.

Den vollständigen Aufruf finden Sie hier.

Ein CD-Potpourri an Alter, Romantischer und chilliger klassischer Musik

Es bleibt einiges auf dem Tisch liegen, wenn es Auszeiten gibt. So auch diese CDs, alle längst gehört, teilweise mit Kopfhörer beim Ergo-Training in der Reha. Endlich präsentiert bei klassikfavori von Sabine Weber:

Alte Musik (Teil 1)
7 Movements. Johanna Rose mit Werken von Bach und Sainte-Colombe Vater und Sohn. Rubicon: RCD1101
… ma cantabile. Tatjana Vorobjova spielt 18 Sonaten von Domenico Scarlatti. Dabringhausen und Grimm: MDG 921 2252
Passacalle de la Follie. Philippe Jaroussky und L‘Arpeggiata. Erato: Warner Classics 5054197221873

Songs of Oak. Florence Price; Sensations. Gautier Capucon
und Beyond Words. Felix Klieser folgen im Teil 2.

Johanna Rose greift nicht als erste Gambistin auf die Cello-Solosuiten von Bach zurück. Sie kombiniert sie auf ihrer neuen CD mit Solowerken von Sainte-Colombe Vater und Sohn. Frühe deutsche Hochkunst für solistisches Violoncello, mit vielen Doppelgriffen durchaus gambistisch auf Resonanz gedacht und so zu hören, trifft also auf Sätze der ersten berühmten französischen Gambisten. Sainte-Colombe Vater war wie Dubuisson Schüler von Nicolas Hotman (Hottemant) und selbst Lehrer des großen Gambisten Marin Marais. Wobei Vater Sainte-Colombe seine Konzerte für zwei Gamben – Lehrer und Schüler – pädagogisch gedacht komponiert hat. Rose hat sie für sich arrangiert und spielt auf einer natürlich siebensaitigen Gambe. Der mystisch-mythische Sainte-Colombe hat die tiefe Saite der Legende nach dem Instrument hinzugefügt. Das Instrument, das Rose verwendet, klingt wie ein Cello-Gambenzwitter, muss seines kräftig eher rauen, auch mal ruppigen Klanges sehr massiv – italienisch – gebaut sein. Klingt also eher nicht französisch. Die Zusammenstellung schafft den besonderen Reiz, weil sie hören lässt, dass die französische Gambenhochkunst in Bachs Suiten durchaus nachklingt. „7 Movements“ ist eine Huldigung der magischen Saitenzahl 7.

Domenico Scarlatti legt im portugiesischen, später spanischen Musik-Exil an die 600 Sonaten seiner Mäzenin Maria Barbara da Braganza zu Füßen. Nur wenige werden gedruckt. Und weisen bis auf den heutigen Tag diesen außergewöhnlichen Komponisten aus, der wie sein Vater Alessandro auch Opern hinterlässt. Als Geheimschatz gehoben und weitergegeben, wurden sie von Svjatoslav Richter oder Horrowitz geschätzt und gespielt. Die Sonaten, stets galant zweistimmig, sind außergewöhnliche Miniaturen an verschiedenen Stimmungen, mit klagenden Cante-jondo-Zitaten oder Flamenco-Harmonien. Tatjana Vorobjova wählt hier eher nicht-virtuose, poetisch träumerische und dem modernen Belcanto-Stil (mit „Cantabile“ überschrieben) aus. Die kleinen Musikdramen bringt Vorobjova geschickt in eine Dramaturgie, die unaufdringlich und selbstverständlich die Feinheiten dieser Werke erklingen lässt. Eine CD, die sich wunderbar durchhören lässt!

Passacalle de la Follie! L‘Arpeggiata unter Christina Pluhar hat einen alten Weggefährten, Countertenor Philippe Jaroussky, mal wieder eingeladen. Vor 13 Jahren sorgten sie erstmals in zahlreichen Konzerten für Furore. Mit ihrem „All‘Improviviso“ und swingigen Bearbeitungen barocker Basso-Ostinati-Modellen aus Italien – „Ciaccone, Bergamasche, & und po‘ di Follie“, so der Untertitel. Damals dabei der Klarinettist Gianluigi Trovesi, dessen Instrument ja klanglich sofort im Jazz ankommt. Auf der neuen CD, die den Bassmodellen der barocken Literatur auf der Spur ist, swingt Dorin Sherwin virtuos auf dem Zink. Pluhar hat wieder gekonnt und herrlich Air de cours von Lambert, Moulinié oder Boësset aufgetan, dazu Improvisationen über die immer gleichen Harmonien der Follia, dieses Mal heraus zu hören die berühmten Follie d‘Espagne für Gambe von Marin Marais. Mit einer Plainte vom Gambistenkomponisten Louis Caix D‘Hervelois verzaubert Roney Prada kurz vor Schluss. Die CD mit dem alt-neuen Erfolgsmodell ist wieder großartig gelungen. Ihr haftet allerdings das Wiederholungsmuster an, das Abdriften im Stück in triolische Bewegungsmuster und dazu der Einsatz einer die Swingbesen immitierenden Percussion. Jarousskys Stimme, immer noch wunderbar leicht, hat ein wenig mehr Schärfe. Am meisten rühren dennoch die eher innigen Stücke, die auch mit Theorben-Lauten-Solostücken abgemischt sind, die bei Pluhar immer silbrig hell klingen.