Es bleibt einiges auf dem Tisch liegen, wenn es Auszeiten gibt. So auch diese CDs, alle längst gehört, teilweise mit Kopfhörer beim Ergo-Training in der Reha. Endlich präsentiert bei klassikfavori von Sabine Weber:
Alte Musik (Teil 1)
7 Movements. Johanna Rose mit Werken von Bach und Sainte-Colombe Vater und Sohn. Rubicon: RCD1101
… ma cantabile. Tatjana Vorobjova spielt 18 Sonaten von Domenico Scarlatti. Dabringhausen und Grimm: MDG 921 2252
Passacalle de la Follie. Philippe Jaroussky und L‘Arpeggiata. Erato: Warner Classics 5054197221873
Songs of Oak. Florence Price; Sensations. Gautier Capucon und Beyond Words. Felix Klieser folgen im Teil 2.
Johanna Rose greift nicht als erste Gambistin auf die Cello-Solosuiten von Bach zurück. Sie kombiniert sie auf ihrer neuen CD mit Solowerken von Sainte-Colombe Vater und Sohn. Frühe deutsche Hochkunst für solistisches Violoncello, mit vielen Doppelgriffen durchaus gambistisch auf Resonanz gedacht und so zu hören, trifft also auf Sätze der ersten berühmten französischen Gambisten. Sainte-Colombe Vater war wie Dubuisson Schüler von Nicolas Hotman (Hottemant) und selbst Lehrer des großen Gambisten Marin Marais. Wobei Vater Sainte-Colombe seine Konzerte für zwei Gamben – Lehrer und Schüler – pädagogisch gedacht komponiert hat. Rose hat sie für sich arrangiert und spielt auf einer natürlich siebensaitigen Gambe. Der mystisch-mythische Sainte-Colombe hat die tiefe Saite der Legende nach dem Instrument hinzugefügt. Das Instrument, das Rose verwendet, klingt wie ein Cello-Gambenzwitter, muss seines kräftig eher rauen, auch mal ruppigen Klanges sehr massiv – italienisch – gebaut sein. Klingt also eher nicht französisch. Die Zusammenstellung schafft den besonderen Reiz, weil sie hören lässt, dass die französische Gambenhochkunst in Bachs Suiten durchaus nachklingt. „7 Movements“ ist eine Huldigung der magischen Saitenzahl 7.
Domenico Scarlatti legt im portugiesischen, später spanischen Musik-Exil an die 600 Sonaten seiner Mäzenin Maria Barbara da Braganza zu Füßen. Nur wenige werden gedruckt. Und weisen bis auf den heutigen Tag diesen außergewöhnlichen Komponisten aus, der wie sein Vater Alessandro auch Opern hinterlässt. Als Geheimschatz gehoben und weitergegeben, wurden sie von Svjatoslav Richter oder Horrowitz geschätzt und gespielt. Die Sonaten, stets galant zweistimmig, sind außergewöhnliche Miniaturen an verschiedenen Stimmungen, mit klagenden Cante-jondo-Zitaten oder Flamenco-Harmonien. Tatjana Vorobjova wählt hier eher nicht-virtuose, poetisch träumerische und dem modernen Belcanto-Stil (mit „Cantabile“ überschrieben) aus. Die kleinen Musikdramen bringt Vorobjova geschickt in eine Dramaturgie, die unaufdringlich und selbstverständlich die Feinheiten dieser Werke erklingen lässt. Eine CD, die sich wunderbar durchhören lässt!
Passacalle de la Follie! L‘Arpeggiata unter Christina Pluhar hat einen alten Weggefährten, Countertenor Philippe Jaroussky, mal wieder eingeladen. Vor 13 Jahren sorgten sie erstmals in zahlreichen Konzerten für Furore. Mit ihrem „All‘Improviviso“ und swingigen Bearbeitungen barocker Basso-Ostinati-Modellen aus Italien – „Ciaccone, Bergamasche, & und po‘ di Follie“, so der Untertitel. Damals dabei der Klarinettist Gianluigi Trovesi, dessen Instrument ja klanglich sofort im Jazz ankommt. Auf der neuen CD, die den Bassmodellen der barocken Literatur auf der Spur ist, swingt Dorin Sherwin virtuos auf dem Zink. Pluhar hat wieder gekonnt und herrlich Air de cours von Lambert, Moulinié oder Boësset aufgetan, dazu Improvisationen über die immer gleichen Harmonien der Follia, dieses Mal heraus zu hören die berühmten Follie d‘Espagne für Gambe von Marin Marais. Mit einer Plainte vom Gambistenkomponisten Louis Caix D‘Hervelois verzaubert Roney Prada kurz vor Schluss. Die CD mit dem alt-neuen Erfolgsmodell ist wieder großartig gelungen. Ihr haftet allerdings das Wiederholungsmuster an, das Abdriften im Stück in triolische Bewegungsmuster und dazu der Einsatz einer die Swingbesen immitierenden Percussion. Jarousskys Stimme, immer noch wunderbar leicht, hat ein wenig mehr Schärfe. Am meisten rühren dennoch die eher innigen Stücke, die auch mit Theorben-Lauten-Solostücken abgemischt sind, die bei Pluhar immer silbrig hell klingen.