„Das Kind im Erwachsenen“ wollte die Regisseurin Beatrice Lachaussée mit ihrer Inszenierung ansprechen. Das ist ihr wohl gelungen, jedenfalls den Lachern im Publikum nach zu urteilen, die vornehmlich vom „älteren“ Publikum kamen. Immer wieder durchziehen erwachsenentaugliche Gags das doch bitterernste Musikmärchen von Engelbert Humperdinck, wie zum Beispiel eine als Video-Projektion auf den Waldvorhängen zu Gretels Lied „Ein Männlein steht im Walde“ herumhüpfende Hagebutte, zwei „Findet Nemo“-Fische, die gemeinsam mit anderen video-animierten Tieren Hänsel und Gretel bei ihrem Abendlied begleiten oder nicht zuletzt der Tanz der Knusperhexe in knatsch engen, rosa Glitzer-Leggings an ihrem gigantischen Zuckerstab wie an einer Pole-Dance-Stange. (Von Lina-Marie Dück) Obszöner Konsumwahn – Oper Köln und Gürzenich-Orchester bringen „Hänsel und Gretel“ gekonnt in die Moderne weiterlesen
Archiv für den Monat: Dezember 2021
Lehárs „Giuditta“ – mal als Spieloper, mal als Komödie oder als Operette
Franz Lehárs Schwanengesang „Giuditta“ war 1934 ein Sensations-Erfolg an der Wiener Staatsoper mit 120 angeschlossenen Rundfunkanstalten weltweit und zugleich ein Kassenschlager mit 43 ausverkauften Vorstellungen bis 7. März 1938. An diesem Tag sang Richard Tauber in der männlichen Hauptrolle des Octavio auch seine letzte Vorstellung im Haus am Ring, bevor er ins Exil gehen musste. Nun war „Giuditta“ erstmals am Nationaltheater in München zu erleben; sie ist dort erst die zweite Operette – neben der unverwüstlichen „Fledermaus“, die seit 1895 nicht aus dem Spielplan der Bayerischen Staatsoper verschwunden ist. (Von Klaus Kalchschmid) Lehárs „Giuditta“ – mal als Spieloper, mal als Komödie oder als Operette weiterlesen
Elektra von Dmitri Tscherniakov in Hamburg
Dezember, Weihnachtszeit!
Weihnachtsopern gehören in das Programm jeder bürgerlichen Oper. Und es wäre auch nicht so, dass an der Hamburgischen Staatsoper nicht eine „Hänsel und Gretel“ Premiere gefeiert hätte. Derzeit läuft in der Oper am Gänsemarkt allerdings auch ein Stück, das seinem Komponisten den Beinamen Bürgerschreck eingejagt hat. Richard Strauss „Elektra“ in der Regie von Dmitri Tscherniakov, der nicht gerade zimperlich ist und Opernhandlung gern in Gesellschaftsszenarien hinein implementiert, um diese dann zu sprengen. Unser Opernexperte Klaus Kalchschmid analysiert im Gespräch mit Sabine Weber im podcast favori. Die Oper der Woche auch ein ungwöhnliches Finale, das einem dieser grausigen schwedischen Krimi entnommen sein könnte. Elektra von Dmitri Tscherniakov in Hamburg weiterlesen
Kurz vor Weihnachten: Neue CD Aufnahmen mit Jaroussky und Orlinski
Sie gehören beinahe zwei Generationen von Countertenören an und doch singen Philippe Jaroussky, geboren 1978, und der gerade mal 30 Jahre alte Jakub Józef Orlinski in einer, und beide in der höchsten Liga: Hier der erfahrene Franzose mit einer kaum mehr überschaubaren Diskographie, dort der Newcomer aus Polen, der freilich auch schon großartige Auftritte auf den Bühnen Europas – und zuletzt in der Met – hatte, sowie bereits zwei fantastische Solo-Alben veröffentlicht hat. Mit „Anima Aeterna“ knüpft er an seine Debüt-CD „Anima Sacra“ von 2018 an. (Von Klaus Kalchschmid) Kurz vor Weihnachten: Neue CD Aufnahmen mit Jaroussky und Orlinski weiterlesen
„Moving Picture“ – ein Gerhard Richter Bild malt sich im Film selbst zu live-Musik von Rebecca Saunders
„Moving Picture (946-3)“ liegt eine Idee von Gerhard Richter zugrunde, die er in seinem Buch „Patterns. Divided Mirrored Repeated“ 2011 entwickelt hat. Autorin und Filmemacherin Corinna Belz hat sie nach zehn Jahren Beschäftigung mit Richters Gedanken jetzt filmisch umgesetzt. Die Kölnerin begleitet den öffentlichkeitsscheuen, ebenfalls in Köln ansässigen Maler bereits über Jahrzehnte. „Moving Picture“ ist nach „Das Kölner Domfenster“ (2007), der den World Media Gold Award gewann und nach „Gerhard Richter Painting“ von 2011, mit dem Deutschen Filmpreis in Gold ausgezeichnet, ihr dritter Film über Richter. Belz hat bei der filmischen Umsetzung auch mit Richter zusammengearbeitet. Richter skizziert die mathematischen Prinzipien, die als Möglichkeiten einer filmischen Umsetzung Bildsequenzen erzeugen sollen und schlägt auch eines seiner Bilder (946-3) als filmische Grundlage vor. Aus dem Scan des Bildes entwickelt die Regisseurin das strenge Verfahren von Teilung, Spiegelung und Wiederholung und durch die Zerlegung in Einzelbilder im filmischen Prozess eine verblüffende Vielfalt an Formen und Farben. Die haben wiederum Komponistin Rebecca Saunders zu einer Soundscape inspiriert, zu der Trompeter Marco Blaauw mit experimentellen Klängen live performed. Ursprünglich als Welturaufführung für den Kölner Romanischen Sommer 2020 geplant, hat das multimediale Gesamtkunstwerk am 11. Dezember im Filmforum seine NRW-Premiere gefeiert. (Von Sabine Weber) „Moving Picture“ – ein Gerhard Richter Bild malt sich im Film selbst zu live-Musik von Rebecca Saunders weiterlesen
Das reinrassige Ei! Braunfels „Die Vögel“ und Traumata der beiden Weltkriege kongenial verschränkt und schlüssig erzählt von Nadja Loschky
Wie aktuell die Dramen beziehungsweise Komödien aus dem antiken Athen sein können, erleben wir immer wieder. Aristophanes‘ Komödie „Die Vögel“ (414 v. Chr.), von Walter Braunfels auf ein selbst verfasstes Libretto 1920 zu einem lyrisch-phantastischen Musikspiel in zwei Aufzügen verwandelt, war bei seiner Uraufführung an der Bayerischen Staatsoper auch ein großer Erfolg. Die anlässlich des 100. Geburtstages des Werks im letzten Jahr am Uraufführungsort München von Frank Castorf besorgte Inszenierung weniger. Geriet sie doch sehr trashig bis lieblos, trotz großartigem Sängeraufgebot und im Orchester gelungener Ausführung. Regisseurin Nadja Loschky zeigt jetzt in Köln, wie brisant und politisch Braunfels‘ „Vögel“ gedeutet werden können und dass eine schlüssige Erzählung die Anspielung auf Hitchcocks „Die Vögel“ (wie bei Castorf) nicht braucht. Dabei wird auch nicht die Poesie und das Märchenhafte dieser Fabel vergessen, in allen Bildern unterstützt von fantasievollen Kostümen der Kostümbildnerin Irina Spreckelmeyer. (Von Sabine Weber)
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Lyrisch, dramatisch, bezaubernd! Solen Mainguené wird als Manon in Freiburg bejubelt!
Elsa Dreisig war zuletzt die Manon-Entdeckung in Hamburg. Solen Mainguené dürfte ihr in der Manon-Oper Jules Massenets in Freiburg jetzt den Rang ablaufen. (Im Titelbild mit Joshua Kohl – Des Grieux – in Feierlaune. Foto: Paul Leclaire) Nicht nur ist sie äußerst attraktiv und erfüllt von unschuldig bis charmant-verführerisch bis zuletzt den aus Männersicht unwiderstehlichen französischen Frauentyp, wie eine Mischung Emmanuelle Seigneur, Sophie Morceau, Catherin Deneuve. Schauspielerisch umwerfend, aber auch stimmlich, als Französin perfekt im Sprech-Timbre liefert sie berührende Momente. Joshua Kohl als Des Grieux, vom Vater aus der wilden Beziehung in Paris entführt, kann ihr selbst im Schutz der Kirche und in Priestersoutane nur kurz Widerstand leisten. Mainguenés subtil gestaltete pianissimo-Passagen in ihrer Verführungsarie „Ist’s nicht meine Hand“, 3. Akt, lassen es sogar im Zuschauerraum knistern. Das Philharmonische Orchester des Theaters Freiburg unter der Stabführung des ersten Kapellmeisters am Haus, Ektoras Tartanis, geht mit dem französischen Klang exquisit um. (Von Sabine Weber) Lyrisch, dramatisch, bezaubernd! Solen Mainguené wird als Manon in Freiburg bejubelt! weiterlesen