Kurz vor Weihnachten: Neue CD Aufnahmen mit Jaroussky und Orlinski

Sie gehören beinahe zwei Generationen von Countertenören an und doch singen Philippe Jaroussky, geboren 1978, und der gerade mal 30 Jahre alte Jakub Józef Orlinski in einer, und beide in der höchsten Liga: Hier der erfahrene Franzose mit einer kaum mehr überschaubaren Diskographie, dort der Newcomer aus Polen, der freilich auch schon großartige Auftritte auf den Bühnen Europas – und zuletzt in der Met – hatte, sowie bereits zwei fantastische Solo-Alben veröffentlicht hat. Mit „Anima Aeterna“ knüpft er an seine Debüt-CD „Anima Sacra“ von 2018 an. (Von Klaus Kalchschmid)

Anima Aeterna ist bei Warner Classics erschienen. 0190296743900
Motetten von Jan Dismas Zelenka (1679-1745) stehen dabei im Mittelpunkt. Eine, das dramatische Barbara, dira, effera (ZWV 164), bestreitet er mitsamt dem herrlich delirierend jubilierenden „Alleluja“ als Finale allein, für die 21 Minuten von Laetatus sum (ZWV 90) hat er sich eine zauberhafte Sopranistin als Partnerin gesucht – und gefunden: Fatma Said. Wenn die beiden zusammen auf Lateinisch nur zur Begleitung von Truhenorgel und Blockflöte singen: „Bittet dafür, was Jerusalem zum Frieden dient: und Überfluss für die, die sich lieben“ oder in zwei weiteren Duetten ihre Stimmen umeinander ranken, dann ist das Glück des Hörers mehr als vollkommen.
Aber auch Arien von Johann Joseph Fux, Francisco António de Almeida, Bartolomeo Nucci oder der letzte Track, Händels Alleluja, zeigen Orlinski mit seiner ungemein biegsamen, warmen und so fein sinnlichen Alt-Stimme in all dieser Geistlichen Musik von seiner besten Seite. Famos das Duell, das er sich in Nuccis „Un giusto furore“ mit einer Trompete liefert. Man bekommt eine Ahnung davon, wie Kastraten oder auch veritable Countertenöre, die es schon immer gab, einst diese Musik sangen. Da schoss Rom wohl ein Eigentor, als es unter dem Motto „Mulier tacet in ecclesia“ Frauen das Singen in der Kirche verbot!

„À sa guitare“ ist ebenfalls bei Warner unter der Bestellnummer 0190295005702 erschienen
Philippe Jaroussky hat die vergleichsweise hellere, manchmal fast körperlos schwebende und vermeintlich kühlere Stimme, aber auch er besitzt einen erotischen Thrill und eine technische Vollkommenheit des Singens. Und das seit 20 Jahren und nach fast zwei Dutzend Solo-Alben noch immer mit der gleichen Unmittelbarkeit, Frische und Strahlkraft! Für das Album À sa guitare verzichtet der 43-Jährige Jaroussky auf das Samtkissen eines kleinen (Barock-)Orchesters und singt zur flexiblen, klangschönen und lebendig mitgestaltenden Gitarre des 27-jährigen Thibaut Garcia ein breites Repertoire von Caccini, Dowland und Purcell über Mozart, Paisiello, Schubert und Rossini bis Fauré und Poulenc, verschiedene spanische Komponisten bis hin zu Benjamin Britten.
Ob Caro mio ben, die ergreifende Sterbeszene der Dido, Schuberts Erlkönig, Mozarts Abendempfindung, spanische Folklore, französische Mélodies oder Tancredis berühmte Arie Di tanti palpiti unmittelbar neben einem Tango für Gitarre – auch hier ist das Entzücken beim Hören jeder der 22 Tracks groß und ebenso die Bewunderung über das stilistische Spektrum Jarousskys von Lied über Zarzuela bis Oper wie seine Ausdrucksmacht und Vielsprachigkeit, angefangen bei seiner Muttersprache über Deutsch und Englisch bis Italienisch und Spanisch!

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