Archiv der Kategorie: Uraufführung

Kurtágs Beckett-Oper „Fin de Partie“ – genial umgesetzt in Dortmund

Wer die szenisch eher langweilige Uraufführungs-Regie von „Fin de Partie” in Mailand gesehen hat, wird erstaunt sein, was Regisseur Ingo Kerkhof für Dortmund mit Kurtágs Beckett-Oper entfesselt. Das Publikum durchlebt das „Endspiel“, so der ins Deutsche übersetzte Titel, der vier versehrten Alten in Schicksalsgemeinschaft hautnah auf der Bühne sitzend. Die Dortmunder Philharmoniker bringen Kurtágs detail- und farbversessene, auf kammermusikalisch in neuen Instrumentenkombinationen setzende Partitur wie sprechend zum Klingen. Sodass unter der Leitung von Johannes Kalitzke ein Gesamtsprachklang entsteht, der der Genialität von Kurtágs Opus magnum in allem gerecht wird! (Von Sabine Weber) Kurtágs Beckett-Oper „Fin de Partie“ – genial umgesetzt in Dortmund weiterlesen

Alzheimer und Wahlverwandschaften in „Dark Fall“ von Hans Thomalla in Mannheim

Der Komponist Hans Thomalla bringt Alzheimer mit Goethes Wahlverwandschaften in einem dunklen Fall zusammen. In seiner vierten Oper „Dark Fall“ mit 13 Szenen, die gestern, am 29. Februar 2024 am Nationaltheater Mannheim im Schlosstheater Schwetzingen uraufgeführt wurde. Klaus Kalchschmid war dabei und ob es mehr Musical oder Oper ist, erfahren Sie in folgendem Podcast favori „Die Oper der Woche“ mit Sabine Weber. Die Musikbeispiele stammen von der Generalprobe.
Weitere Aufführungen im März
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Antisemitismus aus Eifersucht – Glanerts „Jüdin von Toledo“ an der Semperoper erzählt von Liebesutopie und Hassspiralen

Die Jüdin ist bereits eine große tragische Figur in „La Juive“. Komponist Halévy und seine Librettist Eugène Scribe thematisierten 1835 den Hass zwischen Juden und Christen bis hin zu Pogromstimmungen in Deutschland Anfang des 15. Jahrhunderts. Detlev Glanert und sein Librettist Hans-Ulrich Treichel greifen für ihre Hauptfigur auf die spanische Legende der „Jüdin von Toledo“ aus dem ausgehenden 13. Jahrhundert zurück. Lope de Vega hat sie im 17. Jahrhundert dramatisiert, Franz Grillparzer im 19.  Schließlich schrieb Lion Feuchtwanger Mitte des 20. Jahrhunderts seinen Roman. Grillparzers Verse dienten als Vorlage der Jüdin, die wie bei Halévy auch bei Glanert-Treichel Rahel heißt. Sie lebte angeblich im 12. Jahrhundert in al-Andalus, dem von Mauren, Christen und sephardischen Juden bewohnten Spanien, wird vom spanischen König Alfonso VIII begehrt, geliebt und verliert deshalb ihr Leben. Doch statt Pogromstimmung mündet der Tod von Rahel an der Semperoper in der Regie von Robert Carsen in ein weltkriegsartiges Inferno, in dem alle verlieren, Christen, Juden, Moslems… (Von Sabine Weber) Antisemitismus aus Eifersucht – Glanerts „Jüdin von Toledo“ an der Semperoper erzählt von Liebesutopie und Hassspiralen weiterlesen

In Genf wird die Uraufführung von Héctor Parras Oper „Justice“ zum Requiem für die Opfer eines Schwefelsäure-Unfalls im Kongo

Schon im letzten Jahr gab es in Genf die Uraufführung einer Oper, die auf einer realen menschlichen Tragödie basierte. „Voyage vers l‘espoir“ von Christian Jost. Genf als Sitz der UN scheint das herauszufordern. Aktuell wird für ein verheerendes Unglück im Kongo Gerechtigkeit gefordert. Mit der Uraufführung einer Oper des spanischen Komponisten Héctor Parras in der Inszenierung von Milo Rau. (Von Klaus Kalchschmid) In Genf wird die Uraufführung von Héctor Parras Oper „Justice“ zum Requiem für die Opfer eines Schwefelsäure-Unfalls im Kongo weiterlesen

Schmelzendes Eis und warnende Rufe! Die Uraufführung von Bernard Foccroulles „Cassandra“ ist ein durchschlagender Erfolg zu Beginn dieser Saison in Brüssel!

In einem genialen Wurf bringen Librettist Matthew Jocelyn und Komponist Bernard Foccroulle den alten Mythos vom Fall Trojas mit der Klimakatastrophe zusammen, changieren zwischen den Zeiten und weisen auf Übereinstimmungen der ungehörten Warnungen Kassandras und einer Klimawissenschaftlerin von heute hin, die gegen Klimawandelleugnung kämpft. Regisseurin Marie-Eve Signeyrole, eine Meisterin des Filmischen, leuchtet die 13 Szenen subtil symbolisch aus und gestaltet ein Bühnengeschehen, in dem analoge und mediale Bilder bruchlos ineinander übergehen und sich ergänzen. Die Ebenen des Vergangenen und Aktuellen sind perfekt mit einander verwoben. Es wird menschlich überzeugend agiert, und sogar die Zuschauer im wunderbar historischen Operntheater werden mit einbezogen. (Von Sabine Weber) Schmelzendes Eis und warnende Rufe! Die Uraufführung von Bernard Foccroulles „Cassandra“ ist ein durchschlagender Erfolg zu Beginn dieser Saison in Brüssel! weiterlesen

„La Bête dans la jungle“ – Ein Egotripp in die einsame Männerseele…

Weder mit dem Dschungelbuch hat Arnaud Petits Oper „La Bête dans la jungle“ etwas zu tun. Noch mit „La Belle et la Bête“ und ist auch keine Kinderoper, wie einige irrtümlich annahmen. Der Titel verleitet zu solchen Assoziationen. Dies ist ein Tripp in eine vereinsamte Männerseele. Denn „The Beast in the Jungle“ (1903) – „Das Raubtier im Dschungel“ ist eine Kurzgeschichte von Henry James. Und wie in seiner Novelle „The Turn of the Screw“ (1898), die ja Britten vertont hat, geht es um die Undurchdringlichkeit des Inneren – der Dschungel , den Spiegel, in dem sich Menschen selbst erkennen. Und mit Schauereffekt dürfen  auf der anderen Seite auch gern Geister erscheinen. Unter François-Xavier Roth ist Arnauds „La Bête dans la jungle“ in der Regie von Frederic Wake-Walker am 14. April uraufgeführt worden. In dieser Aufführung leitet Arne Willimiczik das Gürzenich-Orchester. Kein Nachteil, denn Willimiczik zeichnet verantwortlich für die komplette Einstudierung in Zusammenarbeit mit Emily Hindrichs, Miljenko Turk, den beiden Hauptdarstellern, und dem anwesenden Komponisten. (Von Sabine Weber) „La Bête dans la jungle“ – Ein Egotripp in die einsame Männerseele… weiterlesen

Die Uraufführung von „Dogville“ in Essen wird euphorisch gefeiert!

Nach 15 Jahren stemmt das Aalto-Theater wieder eine Uraufführung! Und sie ist ein totaler Erfolg: die Oper „Dogville“ von Gordon Kampe in der Regie von David Hermann nach Lars von Triers gleichnamigem Film. Der dänische Filmemacher, der mit „Melancholia“ oder „Der Antichrist“ polarisiert, hat mit „Dogville“ 2003 sogar in einer experimentellen Versuchsanordnung gedreht. Häuser, Räume und Straßen von Dogville sind Spielbrett-ähnlich nur mit Kreidestrichen angedeutet, auf denen die Bewohner der piefigen Kleinstadt auf die Ankunft eines Flüchtlings, Grace, reagieren. (Im Film übrigens grandios dargestellt von Nicole Kidman) Grace wird wiederwillig aufgenommen, dann ausgenutzt, als Sklavin an die Kette gelegt gedemütigt, misshandelt bis sie sich im Finale rächt. Zu diesem Brechtischen Drama hat Gordon Kampe eine dichte und von Schlagzeugeffekten energetisch aufgeladene Musik geschrieben. (Von Sabine Weber) Die Uraufführung von „Dogville“ in Essen wird euphorisch gefeiert! weiterlesen

Theatrale Sprachklänge! _hand werk gestaltet großartiges Musiktheater von und mit François Sarhan in der Feuerwache Köln!

Dem derzeit in Berlin lebenden französischen Komponisten François Sarhan (*1972) ist dieser Abend gewidmet. Sarhan ist nicht nur anwesend, sondern im zweiten Teil auch aktiv und trägt in „Telegrams from the Nose“ von 2011 Phrasen eines Schauprozesses vor, die Mitglieder des Zentralkomitee, unter anderem Stalin, gegen Genosse Bakhutin ins Feld geführt haben. Vor einer Wand von William Kentridge mit Zeitungsausschnitten, trägt Sarhan sie sogar auf russisch vor. Zu Schattenspielen und Scherenschnitten die gleichzeitig über die Tafel laufen. Sarhans „Symphony für Flöte, Klarinette, Schlagzeug, Violine, Cello und Klavier“ erlebt an diesem Abend im ersten Teil seine Uraufführung – mit den Stimmen aller Beteiligten von _hand werk! (Von Sabine Weber) Theatrale Sprachklänge! _hand werk gestaltet großartiges Musiktheater von und mit François Sarhan in der Feuerwache Köln! weiterlesen

„Shirine“ von Thierry Escaich wird an der Oper in Lyon uraufgeführt – Was für eine Genese!

Nach „Claude“ 2013 – feiert jetzt „Shirine“ ihre Weltpremiere in Lyon. Beides Opern von Thierry Escaich. Die erste Oper hatte einen prominenten Librettisten, Robert Badinter, ehemals Justizminister der Mitterrand-Regierung. Er verarbeitete die Novelle „Claude Geux“ von Victor Hugo, in der Hugo die Todesstrafe anprangert, die schon zu dessen Zeiten vor allem sozial Benachteiligte getroffen hat. Eine Oper von historischer Relevanz also, zumal Badinter die Guillotine auch abgeschafft hat. Das Libretto zu Escaichs zweiter Oper, ebenfalls ein Auftrag der Lyoner Oper, hat der afghanisch-französische Schriftsteller Atiq Rahimi verfasst, Prix de Goncourt-Preisträger, also der höchsten Auszeichung für Schriftsteller in Frankreich. Seine Vorlage: ein Epos des persischen Dichters Nizami aus dem 12. Jahrhundert. Es handelt von der Liebe zwischen einem persischen Prinzen und einer armenischen Prinzessin, die sich erst im Liebestod vollzieht. Diese persische Weltliteratur trifft in Lyon auf modernes Musiktheater. (von Sabine Weber) „Shirine“ von Thierry Escaich wird an der Oper in Lyon uraufgeführt – Was für eine Genese! weiterlesen

„Singularity“ von Miroslav Srnka, ein SciFi fürs Cuvillés-Theater

Es ist schon Miroslav Srnkas dritte Oper für die Bayerische Staatsoper: 2011 debütierte der damals 36-jährige tschechische Komponist als Musikdramatiker mit „Make no noise“ nach dem Film „The Secret Life of Words“ von Isabel Coixet während der Münchner Opernfestspiele, Schauplatz: eine Bohrinsel. Die erfolgreiche Kammeroper wurde 2016 bei den Bregenzer Festspielen nachgespielt. Im gleichen Jahr folgte die Uraufführung von „South Pole“ im Münchner Nationaltheater mit Rolando Villazón und Thomas Hampson als Scott und Amundsen auf Südpol-Expedition, 2017 neuinszeniert in Darmstadt. Und nun wieder eine Kammeroper – für das Ensemble des Opernstudios der Bayerischen Staatsoper im Cuvilliés-Theater! (Von Klaus Kalchschmid) „Singularity“ von Miroslav Srnka, ein SciFi fürs Cuvillés-Theater weiterlesen