Köln

Hunding mit Stierhorn und die Walküren mit Flüstertüte! Concerto Köln unter Nagano ist noch bis August auf Tournee!

(Titelfoto: Das Podium der Kölner Philharmonie ist gefüllt! Foto: Michael Graubner) Nach konzertanten Aufführungen an der Staatsoper in Prag und im Concertgebouw Amsterdam gastiert Concerto Köln unter Kent Nagano in der Kölner Philharmonie. Verstärkt durch das Dresdner Festspielorchester. Mit „Rheingold“ hatte Concerto Köln unter Nagano schon 2021 stürmischen Applaus entfesselt. Jetzt springt das Publikum sogar nach jedem „Walküren“-Aufzug aus den Sesseln. Im letzten Aufzug allerdings erst nach 10 Sekunden, so groß ist die Erschütterung. Wotan verstößt nach der emotional bis zum letzten aufgeladenen Auseinandersetzung Brünnhilde doch noch. Die seit 2018 angesagten „Wagner-Lesarten“ wirken. Das „sprechende Singen“ vor allem, das Wagners Diva Wilhelmine Schröder-Devrient, zu Wagners großer Freude, mitgeprägt haben soll! (Von Sabine Weber)

Termine: Elphilharmonie Hamburg, 1. Mai 2024, Dresdner Musikfestspiele 9. Mai 2024, Lucerne Festival 21. August 2024

(24. März 2024, Kölner Philharmonie) Auf den Text kommt es an. Wagners Ringdichtung war nicht von ungefähr in Sachsen Schullektüre. Wer noch nie Brünnhilde pianissimo und textverständlich gehört hat, konnte das mit Christiane Libor in der Titelrolle am Sonntag in der Kölner Philharmonie erleben. Außerdem, wie Wagner die Dialoge psychologisiert hat. Hunding kitzelt im ersten Aufzug Hunding Siegmunds Herkunft heraus und instrumentalisiert Sieglinde. Patrick Zielke verpasst Hunding zischende Konsonanten und ein höhnisch rollendes „r“.

Ric Furman, ein Siegmund mit Rückenlangem Blondhaar, stellt sich als der Gejagte von Hunding heraus und gleichzeitig als der schmerzlich vermisste Bruder Sieglindes, verkörpert von Sarah Wegener mit einfühlsamem Timbre. Die langersehnte Liebe des Einzelgängers Siegmund und der missbrauchten Sieglinde ist Erlösung und Dilemma zugleich. Im zweiten Aufzug macht Claude Eichenberger, eine Fricka mit edlem aber unnachgiebigem Mezzotimbre, Wotan die Hölle heiß. Derek Welton, ein Wotan mit sonorer Baritonstimme, kann in diesem Ehekrach nur klein beigeben und presst die Stimme durch die Zähne.

Dieser Wagner-Klang ist transparent

Wie ein Hörbuch ist diese Walküre. Die Monologe sind auch erschütternde Selbstoffenbarungen. Und die Sänger singen nicht mit der Pressstimme laut, wie gewohnt. Kent Nagano hüpft also im Ausfallschritt vor und zurück, um Akzente zu setzen und sofort wieder zurück zu nehmen. Concerto Köln, verstärkt durch das Originalklangorchester der Dresdner Musikfestspiele, spielt mit angezogener Handbremse. Der Klang ist dadurch aber ungewohnt transparent. Leichte Intonationstrübungen und die erste Violinen nicht immer perfekt zusammen, sind entschuldigt. Es kommt aber auch zu Ausbrüchen. Dann rasen die Bögen und wippen die Köpfe. Die Finali der drei Auszüge sind Cliffhanger.

Walküren-„Hoijotoh“ durch Flüstertüten

Alles geht musikalisch unter die Haut. Auch, weil die Solisten Opern-erfahren mit Gestik und Mimik spielen. Sie finden Wege, von rechts, von links aufs Podium, stehen oben auf einer Empore, nebeneinander oder sich gegenüber. Im Walkürenritt finden die wilden Schwestern Wege durchs Parkett und schmettern ihr „Hoijotoh“ durch Flüstertüten. Es fehlt nichts. Die Musik ist die Szene. Sie liefert – so interpretiert – alles.

Originale Wagertuben und ein Stierhorn

Sogar originale Wagnertuben sind dabei. Ende des 19. Jahrhunderts in Dresden gebaut, sind sie Stephan Katte in die Hände gefallen, der sie vor der „Entsorgung“ gerettet hat. Katte hat auch das Stierhorn spielbar gemacht, das Wagner „original”  fordert. In der Götterdämmerung sollen sogar drei Stierhörner spielen. Zum 150. Jubiläum der Uraufführung des Rings 2026 soll der neue „Wagner Cycle“ komplett sein. Jetzt warten erst einmal alle auf Siegfried!

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