Mussorgskys „Boris Godunov“ in Mannheim

Iwan der Schreckliche ist tot. Seine Söhne sind ermordet. Die Dynastie erloschen. In dieses Machvakuum wird Boris Godunov als neuer Zar gewählt, hadert fortan mit der Macht, kämpft aber bis zuletzt um ihren Erhalt. Er will ein guter Herrscher sein, aber ein wankelmütiges Volk, das all zu gern falschen Mönchen und Predigern folgt, wendet sich ab. Kompromittierenden Legenden von auferstandenen Ermordeten lassen dunkle Schatten der Vergangenheit länger werden. Seine Legitimation wird in Frage gestellt.

Patrick Zielke (Boris Godunow), Opernchor des Nationaltheaters. Foto: Christian Kleiner

Alexander Puschkin greift in seiner „Dramatischen Erzählung. Lustspiel über die wahren Probleme des Staates Moskau…“ die historische Figur des Godunov auf. Modest Mussorgsky nimmt sich Puschkins Vorlage, um zum italienischen Melodramma und der französischen Grand Opéra ein russisches Pendant zu liefern, das für Russland identitätsstiftend sein sollte. Sie soll die Lieblingsoper Josef Stalins gewesen sein. Dürfen wir uns heute einen zeitlosen oder entrussifizierten Boris gönnen?, fragt eine russische Dramaturgin in einem Programmbuchtext.

Opernchor des Nationaltheater Mannheim.
Foto: Christian Kleiner

Im Nationaltheater in Mannheim im Ludwigshafener Pfalzbau konzentrieren Regisseur Lorenzo Fioroni und sein Bühnenbildner Paul Zoller jedenfalls alle Szenen in einem geschlossenen phobischen Raum unter einem Kronleuchter in Form einer Zarenkrone. Patrick Zielke kehrt als Autokratenherrscher Boris sein Innerstes nach außen und lässt uns Anteil nehmen an seinen menschlichen Verwerfungen und Verzweiflungen. Roberto Rizzi Briganzoli hält mit seinem Orchester dazu vier Stunden lang die Spannung, und begleitet aus dem Graben ein 16köpfiges Gesangsensensemble sowie große Einsätze des Theaterchores. Und wir sind froh, dass wir totz Stromausfall im Mannheimer HBF wegen einer eingestürzten Oberleitung es auf Umwegen geschafft haben, die Aufführung am 1. Februar rechtzeitig aus München und Köln zu erreichen. Wir, das sind Klaus Kalchschmid und Sabine Weber . Unsere Eindrücke haben wir im folgenden Podcast favori „Die Oper der Woche” am Tag danach zusammengefasst.

Patrick Zielke (Boris Godunov), Sung Ha (Pimen). Foto: Christian Kleiner

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