„Au Monde!“ Daniel Zapico bearbeitet Prachtstücke aus Versailles für die Theorbe und versetzt den Hörer in profunde Schwingung

Klassikfavori wünscht allseits einen guten Start ins Neue! Hier mit einer Geschichte, die im letzten Jahr beginnt: Kurz vor Weihnachten schickt mir ein Kollege eine CD, die erst einmal liegen bleibt, die Ferien über auf dem Stapel wartet, dann im Neuen Jahr wie nebenbei in den Player wandert und bereits bei den ersten Tönen innehalten lässt. Horchen und Staunen ob der Klänge. Tief, profund, dennoch weich und französisch, bekannt und doch ganz anders. Hits aus der Zeit des französischen Stile Classique – ich gebe es gleich zu, meine Lieblingsepoche! – bearbeitet von dem asturischen Theorbisten Daniel Zapico für sein Instrument! (Von Sabine Weber)

Alborada éditions ALB001, EÖ Dezember 2020

Und da ist sie in der Welt! Au monde, so der Titel der Debüt-Solo-CD eines Theorbisten, der sich nicht damit begnügt, die Theorbe nur ein barockes Continuo-Operninstrument sein zu lassen. Ihr nicht vorhandenes Solo-Repertoire füllt Daniel Zapico also mit genialen Transkriptionen auf. Eine damals in Frankreich verbürgte Praxis, mir bisher allerdings nur bekannt von Cembalisten und bezogen auf spielbar gemachtes Opernrepertoire. In seinem kurzen, aber ausreichenden Booklettext auf einem riesigen zusammengefalteten Blatt klärt Daniel Zapico sein Anliegen auf. Leider gibt es keine deutsche Übersetzung. Aber die Musik spricht auch ohne alle Erklärung für sich. Das erste Stück ist die Bearbeitung von La Couperin aus der ersten Suite des teuflischen Gambisten Antoine Forqueray, von dessen Sohn Jean-Baptiste herausgegeben, weil der Vater seine Virtuosen-Preziosen zu Lebzeiten nicht der Öffentlichkeit Preis geben wollte. Das lässt das Herz jedes Gambisten und jeder Gambistin (moi) höher schlagen.

Daniel Zapico. Foto: Julián J. Rus

Die Pièce beginnt mit markanten Basstönen im unisono von Sologambe und Continuo. Daniel Zapico findet einen adäquat überzeugenden Einstieg auf seinen tiefsten Saiten. Und sofort zaubert er aus dem noblement et marqué die Melodie, dazu feine Umspielungen, die Bass- und Oberstimme galant verbinden. (Der stile brisé, das Nacheinander von Begleit- und Melodietönen ist jedem Lautenisten natürlich ein Begriff!) Alles gleitet aber auch ganz organisch zu den Betonungen hin, die sitzen, wo sie sitzen müssen. Ohne dabei forciert zu werden, was so oft gemacht wird. Zapico erfindet auch effektvolle Überleitungen zur Wiederholung und ebenso zum weiterführenden Teil. Haupt- und Nebenstimmen immer fein nuanciert. Die Harmonien auskostend. Die Verzierungen mit Bon goût wie nebenbei als Gewürz eingestreut, nie verzögert oder akzentuiert, sondern geschmackvoll und mit Stilgefühl. Les Barricades mysterieuses, über diesen Titel wird bis heute gerätselt, aus den Cembalossuiten von François Couperin (aus dessen 6ème Ordre de clavecin) ist vielleicht das bekannteste Stück. Und man fragt sich, wie Zapico das hinbekommt, auf dem mit tiefen Saiten dominierenden und auf wenige Melodiesaiten reduzierten Instrument so entspannt die Oberstimme aus den gebrochenen Harmonien fließen zu lassen.

Daniel Zapico. Foto: Gonzalo Sanguinetti

Auch in dem folgenden Lautenstück von Robert de Visée nach einer Vorlage von Jaen-Baptiste Lully, Assez de Pleurs, einer stimmungsvollen Plainte oder Klagegesang, der sich selbst überwindet. Woraus sich der Passcagliabass für Ma bergère est tendre et fidelle ganz organisch heraus entwickelt. Das Liebeslied mit leidvollen Untertönen, steigert sich dramatisch und bricht dennoch aus der fein gezupften Welt nicht aus, sondern versetzt sie in großartige Schwingung. Für eine Ciaccona oder auch eine Passacaglia? In einer Air de Cour von Michel Lambert findet Zapico zarte Töne und imitiert in der nächsten Pièce dann auch mal eine rhythmisch schlagende Gitarre und lässt in der Pastorale, wieder vom Lautenmeister Visée, ein bisschen andalusisches Flamenco-Flair einfließen. Jedes Stück ist eine Entdeckung, wunderbar eingespielt und auch aufgenommen, in perfekter Dramaturgie angeordnet. Le Carillon de Passy, diesmal aus Forquerays vierter Suite, ist das berühmteste Gambenstück dieser Einspielung. Aber jedes Stück ist vor allem eine Welt für sich. Und es endet, wie es in Frankreich in der Oper enden muss, mit einer Chaconne. Daniel Zapico macht eindrucksvoll vor, dass die Theorbe ab sofort zu den faszinierenden Soloinstrumenten gerechnet werden darf. Und nicht nur, wer die französische Musik zur Zeit Ludwigs des XIV. und XV. liebt, wird von seinem Spiel fasziniert sein und eingenommen werden. Diese Einspielung hat alle Ehren-Sterne verdient, die es zu vergeben gibt. Und hat auch schon einige wohl eingesammelt. Das wird wohl auch das noch junge spanische Label Alborado-Editions freuen. Und auch Zapicos exaltierten Mentor und musikalischen Berater Nino Laisné, der auf Zapicos Website als Dalì- oder Buñuel-Wiedergänger posiert. Alles Prix de Choc verdächtig …

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