Schlagwort-Archive: Oper Frankfurt

Brillante Spaßszenen im Breughelland – der Untergangsprophet als Narr richtet in Barkhatovs Frankfurter „Grand Macabre“ da wenig aus!

In eingeblendeten Fernsehnachrichten aus aller Welt wird vor dem Einschlag eines riesigen Kometen gewarnt. Der Vorhang hebt sich und das Publikum lacht. Denn auf der Bühne ist eine Karambolage auf einer Autobahnauffahrt ins Bild gesetzt. Auf der Flucht und ausgebremst. Grell gelbes „Yellow Cab“ vorne, silbernes Coupé daneben, ein Wohnmobil hinten, und weitere Karossen ineinander verkeilt. Oben auf der Brückenüberführung hängt sogar ein originaler Polizeiwagen in der Leitplanke! Großartig gemacht von Bühnenbildner Zinovy Margolin. Die Einleitungstoccata von György Ligeti zu seinem „Grand Macabre“ hat ihr Bild. Denn ein wildes Hupkonzert hat Ligeti da hinein komponiert. Vasily Barkhatov verordnet dem Weltuntergangspektakel im fiktionalen Breughelland das Hier und Jetzt. Ob das in allem so aufgeht? (Von Sabine Weber) Brillante Spaßszenen im Breughelland – der Untergangsprophet als Narr richtet in Barkhatovs Frankfurter „Grand Macabre“ da wenig aus! weiterlesen

„Die ersten Menschen“ sind die letzten! Rudi Stephans einzige Oper erlebt in der Regie von Tobias Kratzer in Frankfurt eine grandiose Neuinterpretation

Rudi Stephans „Die ersten Menschen“ sind hier 1920 sogar aus der Taufe gehoben worden. GMD Sebastian Weigle hat sich eine Neuproduktion zum Abschied gewünscht. Solche Herausforderungen sind dem Wagner-Connaisseur Herzensangelegenheit. Wagner, Debussy, Strauss sogar Weillsche Rhythmik ist aus Stephans Amalgam-Partitur herauszuhören, die das mit 28 Jahren auf dem Schlachtfeld 1915 gebliebene Talent doch so einzigartig gegossen hat. Diese Partitur gibt dem „ekstatischen Mysterium“ Otto Borngräbers das nötige Fleisch. Den etwas gestelzten Wortflüssen Spannungsfaçon, den Konflikten die Munition, der Leidenschaft den freudianischen Trieb. Borngräber unterzieht die „ersten Menschen“ Adam, Eva, Kain und Abel einer Psychoanalyse und funktioniert die biblische Geschichte zu einem inzestuösen und erotisch aufgeladenen Drama um. Hier begehrt Kain seine Mutter und bringt den Bruder um, weil er ihn inflagranti mit seiner Mutter erwischt! (Von Sabine Weber) „Die ersten Menschen“ sind die letzten! Rudi Stephans einzige Oper erlebt in der Regie von Tobias Kratzer in Frankfurt eine grandiose Neuinterpretation weiterlesen

Mercadantes „Francesca da Rimini“ – Ein stillstehendes Dauerdrama in Frankfurt!

Verblüffend, welch unglaublich gute Musik drinsteckt. Viele Arien sind nach dem barocken Belcanto-Muster gestrickt. Jede Menge schwereloser Fiorituren also. Spitzentöne in Gleichnis- und Wutarien. Gleichzeitig empfindsame Cabalettas oder Cavatinen, die aus Glucks Reformopern kommen könnten, sogar an Mozart erinnern. Dazu Rossinischer Steigerungsgalopp und eine instrumentale Farbigkeit, Holzbläserensembles, Harfenbegleitung, ein Gesangs-Trio nur von drei Hörnern begleitet ist geradezu sensationell, das verrät kompositorische Könnerschaft! Doch das Drama entwickelt sich nicht, tritt mehr oder weniger drei Stunden lang auf der Stelle. Ein stillstehendes Dauerdrama! (Von Sabine Weber)
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Tschaikowskys „Jungfrau von Orléans“ als mythisches Kriegsdrama in Düsseldorf und „Die Zauberin“ als Sozialdrama in Frankfurt

Das zweite Adventwochenende präsentiert gleich zwei staunenswerte Tschaikowsky-Raritäten. Sowohl „Die Jungfrau von Orléans“ von 1881 – auf ein eigenes Libretto nach Schiller und russischen Übersetzungen -, wie auch „Die Zauberin“ auf ein Libretto von Ippolit Schpaschinsky lassen einen auf viele Emotionslagen differenziert eingehenden Tschaikowsky hören. Wie er den Chor als tragende Handlungsmasse und Kommentator in einem Drama einsetzt an der Oper am Rhein in Düsseldorf, und welche Möglichkeiten er am Rande des Experimentellen ausschöpft an der Frankfurter Oper. Beide Opern entstehen übrigens zwischen den beiden Puschkin-Opern „Eugen Onegin“ und „Pique Dame“. Da reizt doch ein Vergleich. (Von Sabine Weber) Tschaikowskys „Jungfrau von Orléans“ als mythisches Kriegsdrama in Düsseldorf und „Die Zauberin“ als Sozialdrama in Frankfurt weiterlesen

Dallapiccolas „Ulisse” in Frankfurt. Ein musikalischer Diskurs über die Selbstfindung

Gleich die zweite Aufführung der Oper in einem Prolog und zwei Akten „Ulisse“ (1968) von Luigi Dallapiccola (Inszenierung: Tatjana Gürbaca im kongenialem Bühnenbild von Klaus Grünberg) musste aus Corona-Erkrankungsgründen abgesagt werden! Die Folgeaufführung, wieder eine Woche später, konnte dann Gott sei Dank stattfinden, weil für die Rolle der Kirke und der Nebenrolle der Melantho Annette Schönmüller für die erkrankte Katharina Magiera einsprang. Heißt, mal eben in fünf Tagen Klausur eine neue Partie einstudieren! Schönmüller sang dann die Vorstellung mit Partitur von der Seite, während Regieassistentin Aleena Mokiievets die Szenen spielte. Was für ein Glück, den Beziehungen eines guten Hauses natürlich zu verdanken, das es zu Sängerinnen Kontakte hat und sie für eine solche Anstrengung – denn wer kennt schon so selten gesungene Partien? – gewinnen kann. Die Gesangspartien scheinen noch elaborierter als die in den „Teufeln von Loudun“, der letzten erlebten 68er Oper dieses Monats. In „Ulisse” geht es allerdings weniger um Skandale als um einen einsamen Ausgestoßenen, der auf der Suche nach sich selbst ist. (Von Sabine Weber)

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Sagt wer nein zur Feierei? Die Oper Frankfurt feiert Karneval mit Carl Nielsens „Maskerade“! Köln könnte neidisch werden…

Freilich mit 3 G Regel. Mit Carl Nielsens komischer Oper „Maskarade“ (dänisch) in der Regie von Tobias Kratzer darf Frankfurt eine Repertoire-Entdeckung verbuchen! Nielsen und sein Librettist Vilhelm Andersen haben ein kongeniales Plädoyer für Ausgelassenheit und Feierfreude hingelegt. Für die Jugend gegen konservative Altersmissmut. Andersen, ein damals anerkannter Literaturwissenschaftler und Lehrstuhlinhaber, hat nebenbei gern seine Schauspielbegabung im studentischen Amateurtheater eingebracht. Und war wohl prädestiniert, die von Ludvig Holberg in seinem Schauspiel vorgelegten Begegnungen à la Molière – Auseinandersetzungen und Streitgespräche zwischen Sohn, Vater, Mutter, zweier Hausangestellter und einem Geschäftsfreund – zu einem hintersinnig-witzigen Spiel zu machen, das von Wortkaskaden bestimmt wird. Sagt wer nein zur Feierei? Die Oper Frankfurt feiert Karneval mit Carl Nielsens „Maskerade“! Köln könnte neidisch werden… weiterlesen

Die Frankfurter Oper entdeckt Gabriel Faurés „Pénélope“. Ein Wunder an Klängen – in einer hilflosen Regie

Die Entdeckung französischer Opern schreitet fort! Nach César Francks „Hulda“ in Freiburg erwirbt sich jetzt Frankfurt Meriten mit Gabriel Faurés „Pénélope“. Faurés Opernwerk ist das Unikat eines geschätzten Lied- und Kammermusikkomponisten. Das Prélude zum ersten Akt zählt, neben seiner Schauspielmusik zu „Pelléas et Mélisande“, zu seinen sinfonischen chef-d‘œuvres. Aber die dreiaktige Oper findet nach ihrer Uraufführung in Monte Carlo 1913, als Eröffnungspremiere im neuen Champs-Elysées Theater in Paris im selben Jahr und noch einmal aufgeführt 1919 an der Opéra-comique keine Gnade im Repertoire. Die Musik ist soghaft berauschend, dennoch der französischen Clairté verhaftet und bietet kammermusikalisch durchleuchtete lyrische Momente der ganz besonderen Art. Und auch die Gesangspartien legen sich dankbar geformt darüber und darein. Interpretinnen wie Régine Crespin oder Jessye Norman haben die Partie der Pénélope nie verschmäht und aufgenommen. An der Oper in Frankfurt hat man sich an eine Gesamtaufführung gewagt. In der aktuellen Produktion ist die Irin Paula Murrihy als Pénélope zu erleben und kehrt das noble und edle dieser Partie heraus. Das Frankfurter Opern- und Museumsorchester unter Joanna Malwitz lässt die Partitur glänzen und glitzern. (Sabine Weber) Die Frankfurter Oper entdeckt Gabriel Faurés „Pénélope“. Ein Wunder an Klängen – in einer hilflosen Regie weiterlesen