Archiv der Kategorie: Künstlergespräch

Es ist genug – Konrad Junghänel – Lautenist, Dirigent und Ensembleleiter – löst sein Ensemble Cantus Cölln auf!

Mit 20 Jahren war Konrad Junghänel eine Koryphäe auf der Laute. Dann gründete er mit Anfang 30 das Vokal-Ensemble Cantus Cölln. Vor ungefähr 20 Jahren, mit Anfang 50, hat er begonnen, in den Orchestergraben zu steigen und für den Alte-Musik-Schliff bei Monteverdi und Mozartopern zu sorgen. Und damit ist er ziemlich erfolgreich. Unmittelbar vor diesem Interviewtermin hat er sieben Mozart-Opern am Wiesbadener Staatstheater geleitet. Ob das mit ein Grund ist, warum Cantus Cölln, 1987 zusammen mit der Sängerin Johanna Koslowsky gegründet, jetzt auf Abschiedstournee ist? (Ein Gespräch mit Konrad Junghänel und Johanna Koslowsky. Die Fragen stellt Sabine Weber) Es ist genug – Konrad Junghänel – Lautenist, Dirigent und Ensembleleiter – löst sein Ensemble Cantus Cölln auf! weiterlesen

Kunstübergreifende Blicke. Serge Dorny über seine erste Spielzeit in München

Serge Dorny. Foto: Julian Baumann

Seit dieser Spielzeit ist Serge Dorny Intendant der Bayerischen Staatsoper. Anlässlich der Premiere der Münchner Opernfestspiele (Siehe Bericht) treffen wir uns im Intendantenbüro, um zurück und auch auf die kommende Saison zu blicken. (Das Interview hat am 27. Juni 2022 stattgefunden. Die Fragen stellt Sabine Weber) Kunstübergreifende Blicke. Serge Dorny über seine erste Spielzeit in München weiterlesen

York Höllers Margarita fliegt wieder in Köln!

Zum zweiten Mal – folgend der fulminanten Uraufführung in Paris 1989 – verbucht Köln 1991 mit York Höllers Oper nach dem fantastisch-grotesk-burlesken Roman „Der Meister und Margarita“ von Michail Bulgakov nämlich die Deutsche Erstaufführung! Daran erinnert diese zweite Kölner Produktion, jetzt, 30 Jahre danach, und feiert am 3. April Premiere.
Dazu ein Gespräch mit York Höller (als Audio siehe unten) und vorab Informationen über den Komponisten. (Von Sabine Weber)

Er sei „ein übersehener Meister der Neuen Musik“, schrieb die SZ einmal, und meinte den am 11. Januar 1944 in Leverkusen-Schlebusch geborene York Höller. Spielte der Rezensent auf fehlende Skandale und Eklats an? Denn York Höller hat durchaus in den 1960ern den Aufbruch der Neuen Musik in Köln mitgetragen, neue Herangehensweisen ans Musikmachen ausgetestet, im Künstlerkollektiv der Gruppe 8 in den wilden 60ern mit Kollegen sich gegen den angepassten und verkrusteten Musikbetrieb positioniert. Seine Werke werden von den ersten großen Kompositionen an vom WDR Sinfonieorchester aufgenommen. Höller macht sich in Deutschland wie Frankreich als Gegenwartskomponist einen Namen.  Die Rede darf sogar davon sein, dass er in den 1990ern Karlheinz Stockhausen an Bekanntheit hinter sich gelassen habe. Der freilich hat mit seinen exzentrischen Auslassungen die Aufmerksamkeit immer wieder bewusst auf sich gezogen.
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Nochmals Neuenfels – ein Interview, das vor 14 Jahren stattfand …

Hans Neuenfels portraitiert von Oliver Mark, Berlin 2006. Foto: Wikicommons

Der Klassikfavori-Nachruf auf diesen Kultregisseur hat das Interview versprochen. Hans Neuenfels inszenierte damals den Tannhäuser in Essen. Und  nahm sich Zeit für ein ausführliches Gespräch: über seinen Beruf, die Haltung einer Inszenierung, die Hinterfragung von Begriffen in den 68ern, die Sehnsucht nach kindlicher Ordnung, über seine Penthesilea in Basel, seine Aida in Frankfurt, die ihm sechs Jahre Berufsverbot eintrugen, das Telefonat über die Absetzung seiner drei Jahre alten Idomeneo-Inszenierung, das ihn beim Rasenmähen erreichte und Merkels Machtwort, seine Bewunderung für Mozart, seine Annäherung an Wagner… Es ist lang, aber wer sich in Neuenfels knarzigen Tonfall einhört, das Klicken des Feuerzeuges ist unüberhörbar, der bekommt wunderbare Antworten und Ansichten mitgeteilt. (Das Gespräch fand am 28. März 2008 nach einer Probe in den Hinterzimmern im Aalto-Theater statt. Die Fragen stellt Sabine Weber)
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40 Jahre Jaro-Medien! Und Gründer Uli Balß ist noch immer enthusiastisch

(Titelfoto: Uli Balss vor der Abbildung eines Schiffes, das Auswanderer nach Amerika gebracht hat. Musikvorlieben waren oft mit im Gepäck, was zu den Stilamalgamierungen führte, wie sie auf einigen Jaro-Aufnahmen nachzuhören sind)

Uli Balss hat das Label Jaro-Medien 1981 gegründet und ist bis heute künstlerischer Leiter und Promoter. Für 280 Produktionen mit mehr als 50 Musikerinnen und Musikern zeichnet er verantwortlich. Dafür hat er Ensembles weltweit gewonnen, den bulgarischen Frauenchor Angelite, der zweimal für den amerikanischen Grammy nominiert wurde, die Warsaw Village Band, die 2004 mit dem BBC World Music Award geehrt wurde, den pakistanischen Qawwali-Sänger Nusrath Fateh Ali Khan, der 1995 mit dem Musikpreis der UNESCO ausgezeichnet wurde, oder das New Yorker Sextett Hazmat Modine, das Jazz, Blues, Klezmer im Schmelztiegel der American-Root-Musik anrührt. 40 Jahre Jaro-Medien! Und Gründer Uli Balß ist noch immer enthusiastisch weiterlesen

Beethrifft: Shybayeva nimmt Beethovens Klavierkonzerte ohne Orchester mit Streichquintett auf


Das 3. und 4. Klavierkonzert sind 2019 erschienen. Jetzt ist die zweite Beethoven-CD von Hanna Shybayeva mit dem 1. Klavierkonzert beim Label Naxos herausgekommen. Die Pianistin Shybayeva hat alle Klavierkonzerte Ludwig van Beethovens auf dem Schirm. Am Flügel! Aber nicht vor Orchester. Shybayeva lässt sich von einem Streichquintett begleiten. Die Bearbeitungen von Vinzenz Lachner sind historisch und offenbaren eine neue Sichtweise auf die Bedeutung der Orchesterfaktur im Verhältnis zum Solopart des Klaviers. Wie die Aufnahme von Pianistin Sophie-Mayuko Vetter hat Shybayevas Beitrag fürs Beethoven-Jahr jedenfalls einen Kick. Sie hat auch ihren eigenen Kopf. Im folgendem Interview lernen Sie Hanna Shybayeva kennen. Zufälligerweise habe ich sie beim Abhören ihrer ersten Aufnahmesession von Beethoven 3 und 4 in Köln getroffen. Das war im Juni letztes Jahr. (Die Fragen stellt Sabine Weber) Beethrifft: Shybayeva nimmt Beethovens Klavierkonzerte ohne Orchester mit Streichquintett auf weiterlesen

„Written on skin“. Benjamin Lazar gibt sein Regiedebüt an der Oper Köln am 1. Dezember 2020 und erklärt seine Herangehensweise an zeitgenössische Oper!

Eigentlich hätte am 22. November Premiere sein sollen. Die Probenphasen haben sich nach hinten verlagert. Aber die Kölner Oper ist guter Dinge, dass die Premiere von George Benjamins „Written on Skin“ am 1. Dezember auch vor Publikum stattfinden kann. Die Proben laufen auf Hochtouren im Staatenhaus, derzeitige Ausweichspielstätte der Kölner Oper. Und nicht nur zu dieser Probe. Noch zwei weitere Premieren sind in Arbeit. Das Staatenhaus ist ja groß genug. Der Kantinenbereich ist dennoch erstaunlich leer. Geselligkeit ist offensichtlich nicht das Gebot der Stunde. Vor Benjamin Lazar, an einem Stehtisch abseits, fahre ich das Mikrofon aus. Für mein erstes Interview mit Mundschutz. Der Regisseur will es so! (Die Fragen stellt Sabine Weber)
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„Die Zauberflöte“ oder was bedeutet uns Kultur? Eine Sängerin und ein Opernregisseur über Zweitbesetzung, Abstandsregeln auf der Bühne und Zwangspausen im Lockdown in Köln und London

(Titelbild: Aoife Miskelly als Pamina in der Kölner „Zauberflöte”. Foto: Paul Leclaire) Auch die Kölner Oper ist dicht! Für die irische Sopranistin Aoife Miskelly war ihr Auftritt als Pamina am 28. Oktober die vorerst letzte Vorstellung. Sie lebt in London, war zuvor aber Mitglied im Kölner Opernstudio. Sie hat bei der Uraufführung von Detlev Glanerts „Solaris“ 2014 sogar die weibliche Hauptrolle gesungen und ist als Zweitbesetzung der Pamina aktuell an den Rhein zurückgekehrt. In einer Wohnung in der Kölner Innenstadt, wo sie vorübergehend eingezogen ist, sitzt sie neben ihrem Mann, Regisseur Joe Austin, bereits wieder zwischen halb gepackten Koffern. Bei Schwarztee und Kuchen beantworten die beiden noch gern ein paar Fragen, die natürlich von diesem zweiten Lockdown und der Schließung aller Kulturbetriebe geprägt sind. Und auch von der aktuellen „Zauberflöte”. (Die Fragen stellt Lina-Marie Dück)
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„Sun & Sea” im Finale der KunstFestSpiele Herrenhausen! Drei bemerkenswerte Litauerinnen zeichnen verantwortlich

Titelfoto von links nach rechts: Lina Lapelytė (Musikerin, Sounddesignerin, Bildhauerin, Performerin), Rugilė Barzdžiukaitė (Theater- und Filmregisseurin, Bühnenbildnerin, Filmemacherin), Vaiva Grainytė (Schriftstellerin)
Unaussprechliche Namen, die ich mir erst einmal vorsprechen lasse. Es ist plötzlich saukalt im Herrenhausener Garten in Hannover. Dennoch wollen die drei das Interview open-air auf der Georgen-Terrasse draußen machen. Sie befindet sich neben der DHC-Halle, wo ihre Prestige-trächtige und immer noch innovative Performance im Finale der KunstFestSpiele Herrenhausen noch einmal gezeigt wird.

Sun & Sea. Foto: Sabine Weber

„Sun & Sea“ heißt sie und – es ist viel darüber berichtet worden– Über die scheinbar dokumentarische Strandszene mit Darstellern, darunter Kinder, Statisten, aus denen sich Sängerdarsteller herauslösen. Alle im Badekostüm. Immer wieder meldet sich singend jemand zu Wort. Während gelesen, gestrickt, Federball gespielt, im Sand gewühlt oder aufs Mobiltelefon geschaut wird. Eine elektronische Orgel vom Band liefert über Lautsprecher Begleitung. Wie auch die Gesänge bestehen sie meist aus wenigen Tönen, die sich Pattern-artig immer wieder wiederholen. Das hat etwas Meditatives. Wir, die Zuschauer und -hörer, bewegen uns auf einem oberen Rundlauf und beobachten in „Möwenperspektive“. Und lauschen den teilweise poetisch verpackten, vom Inhalt her oft trivialen, dennoch hintersinnigen gesungenen Gedankengängen. Eine Turbo-Mamma ist stolz, in welchen roten, blauen, grünen, blauen, mediterranen etc. Meeren sie und ihr Sohn sich schon getummelt haben. Ihr Schoßhund kläfft dazwischen. Wie gut, dass es im Barrier Riff ein Hotel gibt und Piña Colada angeboten wird. Der Ex-Mann einer Frau ist im Urlaub mit seiner Freundin ertrunken! Er war doch ein guter Schwimmer? Ein Mann mit profunder Bassstimme lamentiert über Arbeitsbelastung. Selbst am Strand könne er nicht loslassen. Dann dreht einer fast durch, weil ihm ein Tumor im Kopf diagnostiziert wurde und er jetzt sofort Shrimps essen muss. Choreinlagen kommentieren oder greifen auf. Der Strand singt und summt. Die Kinder wirbeln ungerührt dazwischen, buddeln im Sand oder führen Scheinkämpfchen gegeneinander. Ein korpulenter Mann erhebt sich mühsam und reckt sich Sonnengruß-mäßig nach oben und verharrt. Wer auf das Handtuch des anderen tritt und es mit Sand beschmutzt entschuldigt sich. Alle sind nett zueinander, sitzen aber dennoch unbeteiligt nebeneinander. Zwei junge Frauen leihen sich von einem männlichen Pärchen die Federballschläger aus, ansonsten gibt es kaum Kontakt. Seltsam berührt einen dieses Szenarium, über das keiner lacht. Vielleicht, weil die Gedankengänge entlarvend eigenen ähneln? Sind wir nicht die Touristen, die sich da auf den Handtüchern und den Liegestühlen räkeln? Ein Blick auf uns selbst, wie wir uns immer wieder eincremen oder Wasser zur Kühlung aufsprühen. Plötzlich stinkt es erbärmlich, beschwert sich eine Sängerin. Hundekot, Fischreste, Müll drückt durchs Handtuch! „Was ist nur falsch mit diesen Leuten, die Hunde zum Strand mitnehmen?“ Gehören die, gehören wir hier hin? Was machen wir mit uns und unserer Welt…
Und wer sind die drei im Damen-Trio, die hier so sanft und ohne Zeigefinger Fragen aufwerfen?

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Ein Anti-Musical? Heribert Feckler, Dirigent der Neuproduktion von „The Black Rider“ in Gelsenkirchen weiß warum!

Heribert Feckler. Foto: Pedro Malinowski

Heribert Feckler arrangiert Musicals und hat sogar ein Musical komponiert. Er kommt aus Essen wo er, nein, keinen Hobbykeller hat, sondern ein Heimstudio unterm Dach. Dort arrangiert und komponiert er oder covert seine Lieblings-Songs, das aber nur für den Hausgebrauch. Mit 16 Jahren hat er in der ersten semiprofessionellen Jazzband mitgesungen. Dann in einem Chor die Madrigale des 16. Jahrhunderts schätzen gelernt. An der Musikhochschule Köln studiert er Klavier, Dirigieren, Gesang und Tonsatz. Und liefert seit Jahrzehnten den Kölner Canzonisten seine schwarze Basstiefe, wenn es mit Barbershop-Stücken auf Konzerttournee geht und ist Dozent für Dirigieren und Bandleitung an der Folkwang-Hochschule in Essen. Seit 2006 leitet er Musical-Produktionen am Aalto-Theater in Essen. Jetzt steht er im Musiktheater im Revier in Gelsenkirchen im Graben. Für “The Black Rider” – eine pralle Show mit neun Musikern und einem Liebespaar und dem Teufel im Spiel. Der „literarische Underground-Veteran“ (Spiegel) William S. Burroughs entwickelte dieses Werk 1990 mit Songs des „Pop-Heiligen“ Tom Waits für das Thalia Theater. In Szene gesetzt vom „Bilderrätsler“ Robert Wilson. Eines der aufwendigsten Spektakel an deutschen Theatern ging über die Bühne. Das damalige Premierenpublikum jubelte. Letzten Samstag, am 19. September 2020, war Premiere einer Neuproduktion in Gelsenkirchen. Vor der zweiten Aufführung sitze ich im Foyer im zweiten Stock des Gelsenkirchener Theaters an einem Fenstertisch, Corona-konform mit gebührendem Abstand, um mehr über das Werk zu erfahren. Und Heribert Feckler antwortet mit voluminös Gesangs-gestählter Stimme auf die Fragen. Ein Anti-Musical? Heribert Feckler, Dirigent der Neuproduktion von „The Black Rider“ in Gelsenkirchen weiß warum! weiterlesen