Kunstübergreifende Blicke. Serge Dorny über seine erste Spielzeit in München

Serge Dorny. Foto: Julian Baumann

Seit dieser Spielzeit ist Serge Dorny Intendant der Bayerischen Staatsoper. Anlässlich der Premiere der Münchner Opernfestspiele (Siehe Bericht) treffen wir uns im Intendantenbüro, um zurück und auch auf die kommende Saison zu blicken. (Das Interview hat am 27. Juni 2022 stattgefunden. Die Fragen stellt Sabine Weber)

Serge Dorny, Ihr Start war unter Corona-Bedingungen mit Einschränkungen verbunden. Wie hat das Haus beispielsweise die auf 25% reduzierte Belegung überstanden? Immerhin haben die vier geplanten Premieren mit vollem Orchester stattfinden können. Wie ist das Fazit der ersten Spielzeit?

Es war keine einfache Spielzeit. Aber es war wichtig, dass sie stattgefunden hat. Wir haben den normalen Spielbetrieb aufrecht gehalten, jeden Tag also den Vorhang hochgezogen. Nach zwei Jahren Stille – auch wenn wir mit Produktionen da waren und wir ja auch digital vermittelt haben – hat uns das Tagtägliche und das Publikum gefehlt. Wir mussten mit unterschiedlichen Kapazitäten zurecht kommen: 25%, 50%, 100%, wieder nur 25%. Das liebe Publikum jetzt wieder täglich zu treffen ist sehr wichtig. Man gewöhnt sich so schnell an die Stille…

Fast alle Neuproduktionen der letzten Spielzeit sind aus dem 20./ 21. Jahrhundert: Schostakowitschs Nase, Léhars Giuditta, eine Operette, Janaceks Füchslein und Brittens Peter Grimesist das eine Ansage an das Münchner Publikum gewesen?

Vladimir Jurowski und ich wollten alle Farben der Oper aufzeigen. Der Anfang des 20. Jahrhunderts ist eine idyllische Periode gewesen, was Klänge und Farben angeht. Es ist zugleich auch eine Periode, in der viel möglich war, Grenzen überschritten wurden. Das wollten wir darstellen. Nicht nur das Kernrepertoire ist wichtig. Von den „Göttern im Repertoire“ spielen wir ungefähr 40 bis 45 Operntitel. Davon sind dann neun neu. Das meiste ist aber Repertoire, Verdi, Strauss, Wagner. Wir wollten da andere Farben hinein und das, was noch nicht so bekannt ist, ins Bouquet bringen. Das Kernrepertoire neu belichten. Die Libretti sind in dieser Zeit übrigens auch sehr starke Literatur.

In Lyon hatten Sie einen Stagione-Betrieb. München ist ein Repertoire-Haus. Was sind da neue Herausforderungen?

Viele! Für mich ist alles neu. Ich habe nie an einem Repertoirehaus gearbeitet. Glyndbourne ist eigentlich auch ein Stagione-Betrieb gewesen. Dier Brüsseler Oper mit Gérard Mortier, das war auch ein Stagione-Betrieb. Jetzt habe ich das erste Mal hier einen Repertoire-Betrieb, das ist was ganz anderes. Das ist für mich ein Lernprozess. Ich finde es toll, dass ich diese Spannbreite an Repertoire in einer einzigen Saison habe. Von Händel bis ins 21. Jahrhundert reicht sie. Man hat das Kernrepertoire. Verdi und Strauss sind hier gut aufgestellt. Dazu noch weiteres Repertoire. Die Arbeitsprozesse sind allerdings anders. Repertoire vorzubereiten verlangt schnellere Prozesse. Wie die Mitarbeiter das alles schaffen und auf der Bühne vermitteln, begeistert mich immer wieder. Und die Leidenschaft, mit der hier das alles gemacht wird. Und Oper und Ballett sind hier etwas Tagtägliches. Das bedeutet auch ein anderes Verhältnis mit der Stadt. Im Stagione-Betrieb gibt es vielleicht 60 Vorstellungen, die in der Saison sehr verstreut sind. Hier ist jeden Tag etwas los. Es gibt also einen engen Verbund mit der Stadtgesellschaft und der Region. Das bietet neue Möglichkeiten, auch Neues anzubieten. Stagione bietet perfekte Vorbereitungszeiten für neue Produktionen. Sie können länger reifen.

Ihr neu ins Leben gerufenes „Ja, Mai“-Frühjahrsopernfestival hat erstmals stattgefunden. Drei zeitgenössische Opern von Georg Friedrich Haas nach Libretti von Händl Klaus waren geplant. In Kombination mit Monteverdi-Madrigalen. Das war Ihre Idee. Das Münchner Kammerorchester wurde für eine Produktion eingebunden. Auch Münchner Schauspielhäuser wie das neue Volkstheater und die Kammerspiele schräg gegenüber an der Maximilianstraße waren mit dabei. Ist die Stadt-übergreifende Kooperation auch Ihre Idee, die Sie weiterführen wollen?

Absolut. Hier in der Stadt sind wir reich an Kultur. Die Bayerische Staatsoper könnte Katalysator sein und könnte Verbindungen zwischen den Häusern herstellen. Grenzüberschreitende Projekte anbieten und die Hand den Theatern reichen, den Kammerspielen, dem Residenz- oder Volkstheater oder den Museen, nächstes Jahr der Pinakothek der Moderne, oder dem Haus der Kunst…

Was ist genau geplant?

Die zweite Ausgabe der Maifestspiele hat das Thema „Erwartung“. Es geht um das Warten. Das Sitzen-zwischen-zwei-Zeiten, der alten, die geht, und einer neuen, die kommt. Vor zwei Jahren hatte ich schon die Idee. Warten ist für mich ein sehr wichtiges Thema. Und ich habe versucht, Komponisten zu finden, die sich damit beschäftigen. Ich bin auf Toshio Hosokawa gestoßen, der auch mal in Berlin gelebt hat. Er hat mehrere Kammeropern komponiert, die sich mit diesem Thema beschäftigen. Hanjo und Mazukatse, in denen er sich ans Nō–Theater anlehnt. er nennt sie übrigens „getanzte Opern“. Hanjo ist in der Regie von Teresa De Keersmaeker uraufgeführt worden und Mzazukatze von Sasha Walz…

also von Tanzchoreografen…

Ja! Und zur Thematik „Warten, Liebe, Treue“ kommt auch wieder Monteverdi dazu, seine Oper Ritorno d‘Ulisse. Für den Ulisse und Matsukaze habe ich zwei Regisseure gesucht, die aus dem Theater kommen, Christopher Rüping und Lotte van den Berg. In beiden Fällen machen sie erste Regiearbeiten für die Oper. Die Bildende Kunst soll sich diesmal aber auch einmischen. Alicja Kwade  ist als Bühnenbildnerin und Künstlerin mit Lotte van den Berg dabei. Kwade ist eine der wichtigsten Bildenden Künstler*innen in Deutschland. Und den Tanzchoreografen Sidi Larbi Cherkaoui, habe ich mit dem Künstler Rirkrit Tirvanija  zusammen gebracht.

Und die Opern finden auch im Museum statt?

Hanjo findet Im Haus der Kunst statt. Und Matzukaze mit Alicja Kwade ist eine Zusammenarbeit mit der Pinakothek der Moderne, findet aber dann in der Reithalle statt.

Also übergreifende Kooperationen mit Kulturinstitutionen der Stadt und Kunstübergreifende Blicke von Theater-, vom Tanzregisseuren und von Bildenden Künstlern beim nächsten Maifestival! Nochmals eine Frage zum ersten. Eine der drei Opern mit musicæterna unter Teodor Currentzis und Regisseur Romeo Castellucci musste verschoben werden. Was waren genau die Gründe? Inzwischen weiß man ja auch, dass Currentzis von einer russischen Bank unterstützt wird, die auf der Sanktionsliste der EU steht.

Das ist sehr einfach. Das Orchester musste aus Sankt Petersburg anreisen. Wir hatten keine Idee, wie das gehen könnte. Und der Prozess der Oper ist ein komplexer, und man braucht mehr Zeit als für eine Konzertplanung…

also keine politischen Gründe?

Musicæterna ist ein Orchester mit westeuropäischen Musikern und Musikern aus Sankt Petersburg. Der Sitz ist in Sankt Petersburg, und es wird von verschiedenen Oligarchen unterstützt. Aber die Begründung ist, dass es unvorstellbar war, ob das Orchester in der Lage sein würde, zu kommen. Schon allein der Visa wegen. Man hätte fragen können, ob ein anderes Orchester hätte spielen können. Aber das Stück ist komplex. Koma von Georg Friedrich Haas ist ein sehr komplexes Werk und wird teilweise auch im Dunkeln gespielt. Es ist ein Stück, das man nicht einfach zusammenbasteln kann. Der Vorbereitungsprozess ist ganz spezifisch, da kann man nicht improvisieren. Wir haben dennoch mit Currentzis nach Alternativen gesucht. Sein SWR-Orchester kam in Frage, Ensemble Modern oder das Klangforum Wien. Aber alle Orchester hatten Verpflichtungen. Currentzis hätte es mit einem anderen Orchester dirigiert. Das Bühnenbild ist fertig, und es sind ja auch Kooperationen geplant. Wir haben es jetzt nach 2024 verschoben.

In welchem Zusammenhang wird dann diese Oper nachgeholt? Ist da schon etwas überlegt? Soweit ich weiß, schreibt Librettist Händl Klaus auch an einem neuen Opernlibretto…

Diese Maifestspiele haben schon ein Thema, jetzt müssen wir schauen, wie wir umplanen können. Und in welcher Konstellation wir Koma bringen können. Denn in einem Repertoirebetrieb sind die Vorläufe anders. Der thematische Zusammenhang bleibt für mich immer etwas sehr wichtiges.

Und noch ein Haas-Festival wäre sicherlich etwas viel des Guten…

Für Ihre ersten Neuproduktionen dieser Saison haben Sie Regisseure eingebunden, mit denen sie in der Lyoner Zeit zusammen gearbeitet haben. Den Filmregisseur Christophe Honoré beispielsweise für Berlioz‘ Les Troyens. Hat das aus Ihrer Sicht funktioniert?

Nicht ganz, nicht wie ich mir das vorgestellt habe. Es gibt verschiedene Begründungen. Er ist ein interessanter Regisseur, wir haben viele Opern gemacht, die immer gut funktioniert haben. Es waren Regisseure hier, Barrie Kosky, auch solche, die für mich neu waren wie Kyrill Serebrennikov mit Schostakowitschs Nase. Und Christoph Marthaler zur Eröffnung der Spielzeit, der eine wunderbare , sehr kontroverse und polarisierend Regie für Giuditta gemacht hat. Die letzte Oper von Franz Léhar, eine Operette für die Wiener Staatsoper, ist in einer sehr merkwürdigen Zeit entstanden. Zu einer Zeit, in der die größte Tragödie unserer Welt sich angebahnt hat. Deshalb hat es Marthaler mit Texten von Ödön von Horváth kombiniert und weiterer Musik aus der Zeit, von Schulhoff, Eisler oder Schönberg. Für mich war das die erste Zusammenarbeit mit Marthaler. Jetzt kommt David Marton, und es ist das erste Mal, dass ich mit Simon Stone zusammenarbeite. Mit Stefan Herheim habe ich schon früher zusammen gearbeitet. Mit Ausnahme von Barrie Kosky sind das Regisseure, die hier noch nicht präsent sind. Claus Guth hat an der Bayerischen Staatsoper fast noch nie gearbeitet. Und auch Anne Sophie Mahler. Ich glaube es ist wichtig, verschiedene Handschriften einzuführen…

Was haben Sie sich für die kommende Spielzeit vorgenommen? „Gesänge von Krieg und Frieden“ ist der Leitfaden. Spielt der Ukraine-Krieg hinein?

Eine Spielzeit baut man nicht im letzten Moment. Sie ist 2019 konzipiert worden. Und die Glaskugel habe ich nicht. Und lieber auch nicht. Krieg und Frieden gibt es ja nicht nur im Sinne von Gewalt, wie wir das in der Ukraine jetzt erleben. Krieg und Frieden gibt es auch in der Liebe, in der Familie, das gibt es immer. Darum habe ich ein Programm gebaut mit Così fan tutte, wo es um emotionale jugendliche Kriege um Liebe geht. Um Kämpfe für eine unmögliche Liebe, Lohengrin, Dido und Aeneas. Und dann kommt der Prokofjew dazu. Es hat nichts zu tun mit dem Angriffskrieg auf die Ukraine. Aber wir haben das Thema auch nicht geändert.

Lohengrin kommt mit Kornel Mundruczo als Regisseur und mit unserem Kölner GMD François Xavier Roth, der die Musikalische Leitung übernimmt.
Mundruczo kennen wir von der Ruhrtriennale her, da hat er unter anderem Henzes Das Floss der Medusa und die Musiktheaterproduktion Evolution auf Musik von György Ligeti inszeniert. Welche neuen Sichtweisen erwarten Sie? Und ist es nicht ein Debüt von FXR?

FXR hat hier noch nie Oper dirigiert. Aber ein Akademiekonzert vor Jahren geleitet. Er ist ein Musiker, den ich sehr schätze, der breit aufgestellt ist, für Alte Musik mit seinem Orchester Les Siècles, und mit seinem Gürzenich-Orchester macht er auch viel neue Musik. In der Kölner Philharmonie habe ich ihn mit Uraufführungen erlebt. Ich glaube, es ist sein erster Lohengrin. Und das ist sehr spannend, hier an einem Haus, das eine Wagnertradition hat und meint, Wagner zu kennen, da mit einem „Neophyten“ ran zu gehen. Und dann können wir uns wieder Fragen stellen. Kornel Mundruczo kenne ich nicht erst seit der Zeit von Stefanie Carp bei der Ruhrtriennale. Ich habe ihn vorher mit seinem Proton-Theater in Budapest kennen gelernt, und wie er da mit einer nicht offiziellen Theatergruppe eine Art von Underground-Theater macht. In der Zeit von Aviel Cahn in Antwerpen hat er auch einiges gemacht. Blaubarts Burg, Makropulos. Ich fand es interessant, wie er an die Sachen herangeht. Er wird auch hier mehrere Arbeiten machen. Lohengrin ist sein Anfang. Was die Sänger betrifft: Klaus Florian Vogt als Lohengrin ist sehr bekannt. Aber Elsa wird ein Debüt sein von Marlis Peterson. Das ist auch ein neuer Anfang. Und für Marlis Petersen ist FXR ein idealer Partner..

FXR hat bei uns in Köln mit Wagner begonnen. Tannhäuser, Tristan, ich weiß nicht, ob Sie eine der Aufführungen gesehen haben, das waren schon musikalische Entdeckungen.

Kommen wir aufs Repertoire im kommenden Jahr zu sprechen. Altmeister wie Herbert Wernicke, Jean-Pierre Ponelle, Otto Schenk, August Everding sind auf dem Plan. Was verraten diese Repertoire-Klassiker über die Inszenierungsgeschichte der Münchner Oper?

Es gibt referenzielle Produktionen. Wir haben mal in Lyon ein Festival organisiert um „Denkmal“-Regiearbeiten wieder zu zeigen. Von Heiner Müller, Ruth Berghaus oder Klaus Michael Grüber. Wernicke hat hier eine Elektra gemacht, die sicherlich referenziell geworden ist. Diese Elektra bleibt auch sicherlich für jeden Regisseur eine referenzielle Regiearbeit. Otto Schenks Bohème, die übrigens auch noch an der Wiener Staatsoper gezeigt wird, das sind starke Regiearbeiten. Kein Kompromiss. Repertoire sollte so wichtig genommen werden wie eine Neuproduktion. Die Qualität eines Repertoirehauses misst sich an seinem Repertoire. Die Neuproduktionen bekommen zwar die meisten Proben und längeren Probenzeiten. Eigentlich sind für mich persönlich an einem Repertoirehaus die Wiederaufnahmen entscheidend. Wir wollen an Dirigat, Besetzungen oder Wiederaufnahmen, mit der gleichen Energie und Sorge arbeiten wie bei einer Neuproduktion.

Heißt das, wenn Sie eine Aida, Lohengrin – eine vor gar nicht allzu langer Zeit für Harteros und Kaufmann gemachte Inszenierung und Così fan tutte, bis vor kurzem in den laufenden Inszenierungen dabei und mehrfach bereits neu inszeniert, wieder neu machen, dass diese Regiearbeiten nicht so wertvoll waren wie die von Otto Schenk?

Wollen Sie jetzt eine Aussage?

Natürlich!

Es gibt gewisse Produktionen, dazu haben Sie mich auch befragt, die von Christophe Honoré, die ist nicht so ganz gelungen. Es gibt in jeder Intendanz Produktionen, die sind nicht so gut. Wenn man einen Vertrag mit einem Regisseur abschließt ist es ja nicht Resultat-verbindlich. Man glaubt, diese Person ist für diesen Stoff die richtige. Ab und zu gelingt es nicht. Das muss man auch akzeptieren. Wenn man keine Risiko eingeht, dann wird es langweilig. Den Mut muss man haben. Das ist Kunst. Wir haben im Moment kein Così fan tutte im Repertoire. Lohengrin gab es eine, aber die sollte doch mal erneuert werden…

Die galt als hausbacken, habe ich gehört. Ich habe sie nie gesehen. Es gibt große Sänger in der nächsten Spielzeit. Sie haben Klaus Florian Vogt erwähnt, Asmik Grigorian, Pavol Breslik wären noch hinzuzufügen. Oder Jonas Kaufmann, der Liebling der Münchner wird als Peter Grimes und in Fanciulla del West zu erleben sein. Wie binden Sie diese große Namen ein? Wahrscheinlich nicht einfach, sie zu kriegen?

Die sind alle mit dem Haus verbunden. Jonas Kaufmann, Anja Harteros, Anja Kampe schon lange, und sie haben sich mit dem Haus auch entwickelt. Anja Harteros ist nur noch an diesem Haus zu erleben. Okka von Damerau, um noch einen weiteren Namen zu nennen. Diese außergewöhnlichen Künstler muss man immer verfolgen und immer wieder einladen. Und gleichzeitig denken wir an die neuen Generation. Hier haben wir eine interessante Mischung von Künstlern, außergewöhnlichen Musikern und Darstellern in Verbindung mit einem Zukunftsgedanken. Ob es ein Dirigat ist oder Regiearbeit, es ist wichtig, dass wir nicht in Nostalgie schwelgen, sondern an die Zukunft denken. Es ist an uns, die Zukunft mitzugestalten.

Und jetzt zu den Teufeln von Loudun, die das Opernfestival heute eröffnen, die wievielte Produktion ist das überhaupt von diesem Werk, hat es eine große Aufführungsgeschichte?

Die Teufel von Loudun von 1969 wurde in Hamburg uraufgeführt, ist in vielen Ländern sofort uraufgeführt worden. Nach der Uraufführung ist das Stück gleich von Günther Rennert in Stuttgart gemacht worden. Diese Produktion ist dann für zwei Gastvorstellungen auch nach München gekommen. Es ist viel gespielt worden. Mit gemischtem Erfolg. Die Haltung der Kirche ist in diesem Stück sehr kritisch. Nicht nur wegen der Geschichte von Grandier in Loudun. Penderecki kritisiert hier auch das Verhalten der Kirche im und nach dem Zweiten Weltkrieg. Von den vier Opern, die Penderecki komponiert hat, drei dieser Opern sind für das deutschsprachige Gebiet, zwei für Deutschland, eine für Österreich entstanden, und eine für Chicago, sind die Teufel für mich das stärkste Werk. Ein Frühwerk von Penderecki, aus der Zeit seiner Lukaspassion, wo er noch Avantgarde ist. Es haben sich auch viele Filmregisseure für diese Musik interessiert. William Friedkin, Martin Scorsese, Kubrick. Später ist Penderecki konformistischer geworden. Die Geschichte hat etwas autobiografisches. Penderecki ist 1933 in der kleinen Stadt Dębica geboren. 1939 kommt die nationalsozialistische Armee in diese kleine Stadt. Seine Gemeinde wird zum Vorzimmer des Todes. Denn in Dębica werden bis zu 15.000 Juden im dortigen Ghetto eingesperrt, bevor sie in das Todeslager deportiert wurden. Das alles erlebt er mit sechs Jahren. In einer Stadt von 6000 Einwohnern. 40 Prozent waren Juden, 60 Prozent Katholiken. Das hat ihn getroffen. In vielen seiner Werke wie Threnos, Lukaspassion oder in den Teufeln von Loudun geht es um den Wert des Individuums und Totalitarismus. Penderecki war ein Humanist, und der Versöhnungsprozess zwischen Polen und Deutschland war ihm wichtig. Er hatte viele Aufträge aus Deutschland, und dieses Werk hat eine Musik, die man sehen muss. Deshalb hat Friedkin sie für seinen Exorzisten oder Martin Scorsese sie für Shutter Island oder Shining verwendet. Es ist Musik für einen Horrorfilm. Und die Geschichte von Urbain Grandier, dem Priester von Loudun, einer Stadt in der Nähe von Poitier, die damals eine wichtige Stadt war. Mit 20.000 Einwohnern. Paris hatte damals 300.000 Einwohnern. Das war eine Stadt, wo das Zusammenleben von Hugenotten, Christen und Protestanten möglich war wegen des Edikts von Nantes. Das wurde zur Zeit Richelieus kaputt gemacht. Grandiers Antirichelieu-Attacken waren ein Anlass.

Die Verurteilung Grandiers war also politisch motiviert.

Mit den Opernfestspielen geht diese Spielzeit zu Ende. Noch eine letzte Frage zum Maifestival, das ist ja ein bisschen mit der Münchner Biennale kollidiertoder ist da auch eine Kooperation demnächst geplant?

Mit der Biennale habe ich gesprochen. Ich finde deren Ansatz hoch interessant. Sie haben andere Ansätze mit kleineren Projekten, explosiv und nur mit neukomponiertem Material. Die Bayerische Staatsoper hat ihre eigenen Ressourcen. Die Biennale findet auch nur alle zwei Jahren statt. Ich will jedes Jahr etwas machen und in Zusammenarbeit mit verschiedenen Institutionen. Wir haben noch versucht, eine andere Periode zu finden. Das ging aus verschiedenen Gründen nicht. Aber wir gehen zukünftig eher gegen Anfang Mai als Ende Mai. Und vielleicht machen wir auch mal etwas zusammen. Falls unsere Handschriften zusammen finden können. Ich bin ein großer Fan von der Biennale und besuche sie auch.

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