Archiv der Kategorie: Premierenbesprechungen

Jiddischer Humor im Kochtopfmodus – Mieczysław Weinbergs „Masel Tov“ in Düsseldorf!

Der Oper am Rhein in Düsseldorf gelingt kurz vor dem Lockdown noch eine Repertoire-Entdeckung. Die Aufführung von Mieczysław Weinbergs 1975 komponierter Konversationsoper nach Scholem Alejchems Theaterstück „Masel Tov“ für vier Solisten und Kammermusikorchester. Die Düsseldorfer Symphoniker bringen unter der Leitung von Ralf Lange die schroff-schräge, aber immer fein austarierte Klangwelt Weinbergs in der Kammerfassung Henry Kochs von 2012 auf den Punkt. Auch der unprätentiös untergejubelte jiddische Tonfall wird herausgekitzelt! Der schwarze Humor Alejchems, aus dessen Theaterstück Weinberg das Libretto eigenhändig entworfen hat, wirft in den anderthalb Stunden kaum Fragen auf. Und ist auch nicht wirklich zum Lachen. Der jiddische Galgenhumor von “Masel Tov” ist dennoch herrlich komödiantisches Musiktheater. In Düsseldorf, weil die singenden und schauspielernden Solisten aus dem Düsseldorfer Ensemble sich großartig in ihre Rollen werfen! (Von Sabine Weber)
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Zemlinskys Fin-du-siècle-Oper „Der Traumgörge“ erstmals in Frankreich! Ein Besuch an der Opéra de Dijon!

“Träumen und Spielen“ sind letzte Worte von Görge und Gertraud in “Der Traumgörge”. Der Traumgörge ist ein Träumer. Görge versenkt sich in Bücher und überlässt seine lebenslustige Braut Grete lieber dem bodenständigen Hans, weil ihm im Traum eine Märchenprinzessin begegnet. Er macht sich auf die Suche nach ihr, gerät in einen Dorfmob, der eine Frau als Hexe denunziert und ihr Haus abfackelt. In ihr erkennt Görge seine Märchenprinzessin. “Der Traumgörge” ist ein Märchen! Daran ändern auch im zweiten Akt die Anspielungen auf eine Revolution gegen Kaiser Napoléon wenig. Sie bringen in Dijon allerdings große Ensembles und eine andere Farbe – Rosenrot und Feuerrot – in die ansonsten zumeist nächtliche traumhafte Stimmung. (Von Sabine Weber) Zemlinskys Fin-du-siècle-Oper „Der Traumgörge“ erstmals in Frankreich! Ein Besuch an der Opéra de Dijon! weiterlesen

Orchestrale Kammer-Fassungen für „Eugen Onegin“, „Cavalleria Rusticana“ und „Wozzeck“ in München und Stuttgart zeigen Chance und Scheitern in Zeiten von Corona

Auf der Bühne kaum eine Berührung, im Orchestergraben des Münchner Gärtnerplatztheaters 24 Musiker, die einen spannenden Röntgenblick auf Tschaikowsky erlauben. Stuttgart: nur ein paar Streicher, die Bläser auf der Hinterbühne, der Chor im Rang: so funktioniert Mascagni nicht. Wozzeck gelingt an der Bayerischen Staatsoper in der halben Besetzung von 50 statt 100 Musikern erstaunlich gut. Wie unterschiedlich die Opernhäuser von München und Stuttgart mit Corona-Beschränkungen auf der Bühne und im Graben umgehen! (Von Klaus Kalchschmid) Orchestrale Kammer-Fassungen für „Eugen Onegin“, „Cavalleria Rusticana“ und „Wozzeck“ in München und Stuttgart zeigen Chance und Scheitern in Zeiten von Corona weiterlesen

Cavallis Calisto hoch am Himmel in Bonn! Und großartig (historisch informiert) musiziert!

(Titelfoto: Thilo Beu) „Calisto alle stelle“ wird im Prolog und im Schlusschor dieses dramma per musica vom berühmtesten Schüler Claudio Monteverdis gerufen. Aber was hat die unschuldige Nymphe davon, im Himmel als Sternbild entsorgt zu werden? Ovids „Metamorphosen“ hin oder her. Das ist eine Geschichte über eine missbrauchte Frau und Frauen, die ihre Rolle falsch verstehen – dennoch, die Gesangseinlagen sind großartig und ausgestattet mit beschwingten Intermezzi und Ritornellen. (Von Sabine Weber) Cavallis Calisto hoch am Himmel in Bonn! Und großartig (historisch informiert) musiziert! weiterlesen

Michael Hampe inszeniert Mozarts „Zauberflöte” für Köln und erzählt ein Märchen!

(Antonina Vesenina als Königin der Nacht in der aktuellen Kölner Produktion. Foto: Paul Leclaire) Mit Hampe kehrt ein einsamer Rekordhalter nach Köln zurück. 20 Jahre lang war er ohne Querelen Opernintendant. Hier baut er seine Karriere auf und bringt schnell internationales Renommee in die Domstadt, unter anderem, weil er in dieser Zeit von keinem geringeren als Herbert von Karajan in das Leitungsteam der Salzburger Festspiele berufen wird. So manche Produktion wandert hin und her. Hampe lockt die besten Regisseure und Sänger an. Und Köln, in das ihn der damalige Kulturdezernent Kurt Hackenberg als Vierzigjähriger holt und das er 1995 als Sechzigjähriger verlässt, ist Hampe bis auf den heutigen Tag freundschaftlich verbunden. Danach hat er übrigens kein Haus mehr als Intendant übernommen. Als freier Regisseur war er natürlich ausreichend und international gefragt. Dass Intendantin Birgit Meyer ihn für die Saisoneröffnung 20.21. verpflichtet hat, ist eine Verbeugung vor der Tradition und der goldenen Hampe-Ära. Aber auch in Sachen Mozart ist er eine erste Wahl. Nicht nur, weil auf der ersten, zweiten und dritten Stelle seiner Lieblingskomponisten Mozart, Mozart und Mozart stehen. Für Köln hat er nur eine Zauberflöte für Kinder realisiert, mit ihm als Conferencier. Die „volle“ Zauberflöte stand noch auf der Agenda. Corona hat allerdings bei der Umsetzung mit Regie geführt. (Von Sabine Weber) Michael Hampe inszeniert Mozarts „Zauberflöte” für Köln und erzählt ein Märchen! weiterlesen

Am Aalto: Glucks „Orfeo|Euridice” als Reise in ein eingeschlossenes „Ich“!

Während dieses Wochenende in Berlin „Die Walküre” für Furore sorgt, bleibt Wagners „Tannhäuser” am Aalto-Theater in Essen in der Schublade. Statt dessen arbeitet sich Regisseur Paul-Georg Dittrich für die Essener Saisoneröffnung 20.21 an Christoph Willibald Glucks Reformoper „Orfeo ed Euridice” in der Wiener Fassung aus psychiatrischer Sicht ab. Orfeo|Euridice so der Titel! Denn Orfeo und Euridice stehen als Abspaltungen ein und desselben Ichs auf der Bühne. In zahlreichen Video-Dokus geben Neurologen und Pflegerinnen des Essener Universitätsklinikums und des Alfried-Krupp-Krankenhauses Auskunft, sowie eine Repräsentantin der dortigen Stroke Unit Einblicke in verschiedene Lockdown-Zustände ihrer Patienten. Wo bleibt da die Musik? (Von Sabine Weber)
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Eine neue Klagenfurter „Elektra”! Ihr Ruf schallt über den Wörthersee!

Auf Kärntens Seen bei bestem Wetter zu rudern, mit dem Höhepunkt Wörthersee, ist für eine Rheinländerin natürlich ein besonderes Abenteuer. Wenn dann auch noch die Saisonpremiere im Klagenfurter Stadttheater mit einer „Elektra” und Nicola Beller Carbone in der Titelrolle in die Tour fällt, ist das ein Fest! Da muss hingerudert werden, mit den Konzertklamotten im Boot! (Von Sabine Weber) Eine neue Klagenfurter „Elektra”! Ihr Ruf schallt über den Wörthersee! weiterlesen

Opulent und alle Sinne betörend: Porporas „Carlo il Calvo“ eröffnet Bayreuth Baroque im Markgräflichen Opernhaus ungekürzt über fünf Stunden mit Pausen! Fantastische Sänger und eine brillante Regie begeistern!

(Foto: Falk von Traubenberg) Ein Duett der Liebenden aus verfeindeten Lagern, wunderbar zart und erotisch gesungen und sexy gespielt von Countertenor Franco Fagioli und Sopranistin Julia Lezhneva ist die schönste und ergreifendste Nummer der ganzen Oper. Danach minutenlanger Applaus eines Publikums, das jeden Moment dieser fünf Stunden im erst vor kurzem nach umfangreicher Restaurierung wieder eröffneten Markgräflichen Opernhaus aus tiefstem Herzen und mit allen Sinnen genossen hat. (Von Klaus Kalchschmid) Opulent und alle Sinne betörend: Porporas „Carlo il Calvo“ eröffnet Bayreuth Baroque im Markgräflichen Opernhaus ungekürzt über fünf Stunden mit Pausen! Fantastische Sänger und eine brillante Regie begeistern! weiterlesen

Dortmund eröffnet in NRW die Opernsaison mit Mozarts „Entführung aus dem Serail”, gekürzt und mit Puppenspieler Nikolaus Habjan im Zentrum. Das Ensemble singt am Bühnenrand

Die Entführung ist Puppentheater. Nikolaus Habjan sitzt als Papa neben einer Kinderpuppe im gestreiften Schlafanzug auf einem Bettgestell. Über ihnen Gartenleuchten. Sie deuten ein dreiteiliges Tor märchenhaft an. Das Kind will nicht schlafen. Es hat ein Buch in der Hand und erfindet eine Geschichte. Angeregt durch das Buch, „Was ist das Serail? Ein Gefängnis?“, wird im Dialog und angereichert durch kindlich hintergründige Bemerkungen – „der kann noch nicht einmal singen und hält die Fäden in der Hand!“ – die Handlung der Oper angedeutet. Kleinere Puppen, das Personal der Oper, sind um das Bett verteilt und spielen mit. Das Bett dreht sich, je nachdem welche beteiligt sind. Sie werden auf den Bühnenhintergrund in vorab aufgenommenen Szenen auch in Großaufnahme lebendig. Nikolaus Habjan bewegt sie in den projizierten Szenenbildern, während die Sänger rechts oder links wie schwarze Geister erscheinen und ihnen ihre Stimme leihen. (Von Sabine Weber) Dortmund eröffnet in NRW die Opernsaison mit Mozarts „Entführung aus dem Serail”, gekürzt und mit Puppenspieler Nikolaus Habjan im Zentrum. Das Ensemble singt am Bühnenrand weiterlesen

Dreimal Musiktheater wie es unterschiedlicher nicht sein könnte. Die Bayerische Staatsoper eröffnet die Saison 20.21

Die ersten drei Tage der neuen Spielzeit an der Bayerischen Staatsoper vereinen eine spektakuläre Uraufführung von und mit Marina Abramović „7 Deaths of Maria Callas“ und eine corona-bedingt pausenlosen „Zauberflöte“ im Nationaltheater mit der Premiere einer Opernstudio-Produktion von Ambroise Thomas‘ „Mignon“ im Cuvilliés-Theater: Dreimal Musiktheater wie es unterschiedlicher nicht sein könnte und wie es gerade jetzt mit nur 500 Besuchern im 2100 Plätze fassenden Nationaltheater oder 150 von fast 500 möglichen im „Alten Residenztheater“ die widerstrebendsten Eindrücke und vielfältig miteinander kollidierende Emotionen hinterlässt. (Von Klaus Kalchschmid)
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