Michael Hampe inszeniert Mozarts „Zauberflöte” für Köln und erzählt ein Märchen!

(Antonina Vesenina als Königin der Nacht in der aktuellen Kölner Produktion. Foto: Paul Leclaire) Mit Hampe kehrt ein einsamer Rekordhalter nach Köln zurück. 20 Jahre lang war er ohne Querelen Opernintendant. Hier baut er seine Karriere auf und bringt schnell internationales Renommee in die Domstadt, unter anderem, weil er in dieser Zeit von keinem geringeren als Herbert von Karajan in das Leitungsteam der Salzburger Festspiele berufen wird. So manche Produktion wandert hin und her. Hampe lockt die besten Regisseure und Sänger an. Und Köln, in das ihn der damalige Kulturdezernent Kurt Hackenberg als Vierzigjähriger holt und das er 1995 als Sechzigjähriger verlässt, ist Hampe bis auf den heutigen Tag freundschaftlich verbunden. Danach hat er übrigens kein Haus mehr als Intendant übernommen. Als freier Regisseur war er natürlich ausreichend und international gefragt. Dass Intendantin Birgit Meyer ihn für die Saisoneröffnung 20.21. verpflichtet hat, ist eine Verbeugung vor der Tradition und der goldenen Hampe-Ära. Aber auch in Sachen Mozart ist er eine erste Wahl. Nicht nur, weil auf der ersten, zweiten und dritten Stelle seiner Lieblingskomponisten Mozart, Mozart und Mozart stehen. Für Köln hat er nur eine Zauberflöte für Kinder realisiert, mit ihm als Conferencier. Die „volle“ Zauberflöte stand noch auf der Agenda. Corona hat allerdings bei der Umsetzung mit Regie geführt. (Von Sabine Weber)

(3. Oktober 2020, Oper Köln im Staatenhaus) Auch wenn Michael Hampe nur von „Szenischer Realisierung nach einer Konzeption von Michael Hampe“ reden lässt, seine Zauberflöte schenkt dem Opernpublikum, wonach es in diesen nüchternen Corona-Zeiten schon lange lechzt: eine die Sinne betörende und verzaubernde Bühnenregie. Hervorragende Sängerbesetzungen und ein transparent aufspielendes Gürzenich-Orchester, unter der Leitung von Christoph Gedschold, machen das Gesamtkunstwerk dieses Premierenabends perfekt. Die Zauberflöte geht außerdem ungekürzt über die Bühne. Mit einer Pause zwischen erstem und zweiten Akt. Das ist möglich, weil das Publikum den Mund-Nasenschutz beim Herein- und Herausgehen und während der Vorstellung aufbehält. Trotz abstandsgerechter und Beinfreiheit garantierender Reihen, die in einer der beiden Hallen der Ausweichsspielstätte im Staatenhaus realisiert werden konnten, weil die Sitztribüne eine flexible Konstruktion ist. Das Orchester ist über einen 25 Meter breiten Halbgraben vor dem Bühnenaufbau verteilt. Kein Rumpforchester, sondern volle Besetzung, inklusive der drei Posaunen, die den magischen drei Akkorden des Ouvertürenanfangs die nötige Schlagkraft geben.

Die Aufführung ist dem im Juni an Covid 19 verstorbenen Bühnen- und Kostümbildner Germán Droghetti gewidmet

Die Bühne besteht aus einem Bühnenkasten mit beweglichen Schiebewänden, die immer wieder neue Räume auf- oder verschließen. Die Welt der Königin der Nacht mit Sternennebel und Mondansichten, für Sarastros Tempel werden altägyptisch anmutende Tempelpylone mit Eingangstoren geschoben.
Weil Bühnen- und Kostümbildner Germán Droghetti, Hampes langjähriger künstlerischer Weggefährte, im Juni an Covid 19 gestorben ist, kann er seinen Bühnenentwurf nicht mehr realisiert erleben. Auch seine fantasievollen, in liebevoller Detailarbeit ausgearbeiteten Kostüme sind ein Vermächtnis in dieser Produktion, deren Aufführung seinem Andenken gewidmet ist.

Michael Hampe erzählt die Handlung wie ein Märchen

Hampe erzählt die Handlung nach allen Regeln der Bühnenkunst wie ein symbolisch aufgeladenes Märchen! Dunkelblaue Sternennacht gegen goldene Sonnenstrahlen! Kein Genderkampf mit Männerbund – Sarastros Priester – gegen die Frauen, angeführt von der Königin der Nacht mit ihren drei Damen. Hier kämpft nicht Wissenschaft gegen Natur oder Klimawandel wird angeprangert. Böse ist, was böse ist. Die Königin der Nacht – verkörpert von Antonina Vesenina – ist eine schwarze Fee mit Silberstrahlen im roten Haar, die schlussendlich von der Erde verschluckt wird. Natürlich erst, nachdem sie mit Schlagkraft ihre Spitzentöne in der berühmten Rachearie (“Der Hölle Rache kocht in meinem Herzen”) wie Messerstiche gesetzt hat. Bei ihrem ersten Auftritt fährt sie auf einer liegenden Silbermondsichel hinein. Ein Zitat, das an die berühmte Bühnendekoration von Karl Friedrich Schinkel für die Berliner Inszenierung von 1816 erinnert. Die drei Damen sind mit Claudia Rohrbach, Regina Richter und Anja Schlosser großartig besetzt. Sie führen die glitzernde Sichel an Stäben und auf der Stirn und sind in blau-grünlich-lila Schleier und barockeske Reifröcke gekleidet. Auch die Perücken sind in Nachtfarben gehalten.

Julien Behr, Kathrin Zukowski (Tamino und Pamina) vor Ante Jerkunica (Sarastro). Foto: Paul Leclaire

Sarastro ist der Gute. Erst tritt er wie Jonny Depp als ein in schwarzes Leder gekleideter Fürst auf. Später trägt er den goldgelben Priesterüberwurf wie alle Weisheitstempel-Diener. Ante Jerkunica leiht ihm seine männlich-fürstliche Erscheinung und seine profunde Basstiefe, die Autorität ausstrahlt. Vor seinen Priestern setzt er sich für den Prinzen ein, der trotz Adel ein Mensch ist und zur Machteilhabe Mäßigung und Gerechtigkeit durch drei Prüfungen zu erlernen hat. Julien Behr verleiht ihm mit seiner schlank geführten lyrischen Tenorstimme auch viel Menschlichkeit. Die Prüfungen besteht Tamino zusammen mit Pamina in mächtigen Feuer- und Wasserprojektionen von Thomas Reimer, der auch Gebirge, Palmen und Wolken im Himmel bewegt. Im Finale glänzt alles goldgelb im Sonnenglanz. Tamino und Pamina – mit siebenstrahligem Sternenkranz in der Hand – übernehmen die Herrschaft. Diesen Sternenkranz – wie der Ring in Herr der Ringe – betont Hampe als umkämpftes Machtsymbol auf besondere Weise, indem er es nicht als Brustemblem, sondern als großes Schild darstellt. Sarastro übergibt dieses magische Schild an die geprüften Jungherrschenden, streift seinen Priesterüberwurf ab und verlässt die Szene.

Kathrin Zukowski und Matthias Hoffmann liefern  ein bejubeltes Rollendebüt ab

Musikalische Gewinner an diesem Abend sind die drei Knaben, die herzallerliebst als weiß-silbern gekleidete Sandmännlein-Kobolde mit abstehendem Haar und Elfenöhrlein auf einem Wolkenwägelchen herein fahren. Sie singen hervorragend, was für die Qualität des Knabenchores der Dortmunder Chorakademie spricht. Und spielen auch wunderbar. Hampe weiß auch Kinder anzuweisen. Pamino und Papageno, letzterer in Blumenwiesenknickerbocker und Hemd als Naturbursche dargestellt, punkten. Besetzt mit Kathrin Zukowski und Matthias Hoffmann, die im Kölner Opernstudio gefördert wurden. Sie liefern hier ein bejubeltes Rollendebüt ab.
Die Inszenierung ist old-style im besten Sinne des Wortes. Kein übergestülpter Realismus, der Fragen beim Publikum aufwirft wie denn jetzt die Musik dazu passe? Diesbezüglich waren in Köln schon einige Interpretationen zu erleben. Mariam Cléments 2014 mit Umweltproblematik aufgeladen und Andreas Homokis in den 1990ern, der die Priester in Ferrari-roten Ego-Ledermänteln auftreten ließ. Nichts davon bei Hampe, der die Dialoge übrigens selbst verfasst hat, die zu keinem Zeitpunkt maniriert ausgestellt wirken. Die Sänger sprechen auch wie Schauspieler. Darauf hat Hampe geachtet. Er scheint seine Regie aber vor allem magisch aufgeladen aus der Partitur fließen zu lassen. Das lässt ein unbelastetes Hören zu. Das Gürzenich-Orchester spielt mit Verve und Präzision und sogar historisch informiert. Es werden Ventil-lose Trompeten eingesetzt, die Generalmusikdirektor Markus Stenz seinerzeit eingeführt hat.

In dieser Kölner Produktion ist einfach alles Verzauberung. Und wie lange haben wir das vermisst, was das Opernpublikum mit dieser Zauberflöte bekommt! Für Michael Hampe, der in dem langanhaltenden Schlussapplaus langsam auf die Bühne tippelt, immerhin ist er schon 85 Jahre alt, gibt es dann sogar stehende Ovationen!

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