„König David“ von Arthur Honegger mit der Kartäuserkantorei

Bei Chorkonzerten herrscht immer eine besondere Atmosphäre, weil viele im Publikum eine Verbindung zu Chormitgliedern haben. Es wird sich allseits freundlich begrüßt. Selfies werden in Gruppen vor dem Eingang der Kölner Philharmonie gemacht. Die Kartäuserkantorei hat hier auch einen Namen. 1970 gegründet von Peter Neumann, damals auch Kantor an der Kölner Kartäuserkirche, liegt die Leitung nach Philipp Ahmann jetzt in den Händen von Paul Krämer. Bei großen sinfonischen Chorkonzerten ist die Kartäuserkantorei immer wieder auch mit dem Gürzenich-Orchester Köln aufgetreten. Musiker des Gürzenich-Orchesters waren jetzt auch bei Arthur Honeggers biblischem Oratorium „König David“ dabei. (Von Sabine Weber)

(6. März 2024, Kölner Philharmonie) Und wieder zeigt die Kartäuserkantorei große Chorkultur. Ob heftiges Fortissimo oder feines Piano, die Stimmgruppen klingen geschlossen, rund. Jeder Einsatz sitzt, und das ist aus den melodramatisch angelegten Erzählerteilen heraus nicht immer leicht. Die eigenwilligen nachgedichteten Psalmen mit Chor setzen oft unverhofft heftig ein und haben auch mal rhythmischen Gegenwind. Gleich der erste Psalm (Nummer 3) ist ein heftiger Chormarsch, von zwei Trompeten begleitet. Pauken und Fanfaren sind in diesem Oratorium omnipräsent.

Im Alten Testament geht es bekanntlich martialisch zu

Im Alten Testament geht es bekanntlich martialisch zu. Und da fühlt man sich dieser Tage doch unangenehm gepackt. Hirtensohn David muss sich als Kriegsheld gegen die Philister beweisen und gegen Goliath behaupten, dessen Schmähworte gegen Israel mal eben von der Posaune in einem kleinen Solo, inmitten der Erzählung, ins Publikum geschleudert werden. David gelingt bekanntlich der Helden-Coup mit der Steinschleuder. Danach ein Siegesgesang und wieder ein Heereszug, der mit riesigem Crescendo bedrohlich näher kommt.

Die Beschwörung der Hexe von Endor ist eine heidnische Totenbeschwörung

Wichtige Stationen werden erzählt und in musikalisch immer wieder anders gestalteten Szenen dargestellt: die Salbung zum König, Davids Flucht vor dem geisteskranken Saul, Sauls Niederlage gegen die Philister und sein Tod am Berg Gilboa. Der Aufstieg Davids zum König, sein Fehltritt, Gottes Strafen, der Tempelbau, sein Tod und seine Verklärung. Die Beschwörung der Hexe von Endor, eine heidnische Totenbeschwörung (1Sam 28), hat schon Händel in seinem Saul-Oratorium mit einer großen Ombra-Szene dramatisch genutzt. Henry Purcell zuvor in der dreistimmigen Gesangszene In Guilty Night. Bei Honegger ist die Geisterbeschwörung ein Melodram (Nummer 12), das mit unheimlichem Tamtam und Schellenkranz einsetzt. Erzähler Ulrich Noethen, einer der bekannten deutschen Schauspieler, muss in dieser von ihm vorgetragenen Beschwörung sogar auf Vokalisen singen. Wenn der Prophet Samuel von den Toten aufersteht, um Saul sein baldiges Ende voraus zusagen, verändert Noethen doch mal die Stimme. Ansonsten bleibt er insgesamt monoton gleich temperiert, als würde er für die biblischen Erzählungen einen abgeklärten Reportierstil bevorzugen. Vielleicht liegt es auch an der nicht optimalen Mikrofonierung, dass seine Stimme nicht wirklich packt.

Die Kartäuserkantorei und die Solisten überzeugen

Die Kartäuserkantorei,  auch mal nur Frauen oder Männer, im unisono oder im Satz alternierend, einmal im Quodlibet Frauen- und Männerchor übereinander (Nummer 19) wie auch die Solisten überzeugen im Ausdruck ums so mehr. Mit leuchtend strahlendem Sopran Marie Heeschen, bekannt aus dem Ensemble der Bonner Oper. Ihre Sopranpartie liegt unbequem, was Heeschen aber nicht hören lässt. Warm tönt das Alttimbre von Marie Henriette Reinhold gleich in Davids erstem Hirtenlied, ein Choral mit schräger Begleitung. Davids Stimme wandert dann durch alle Solistenpartien und ist auch im Chor zu hören. Schlank fokussiert Tenor Markus Francke, dessen Partie für ihn nur teilweise zu tief liegt.

Manchmal klingt es nach heroischem Sandalenfilm, nach Hindemith – Bach mit falschen Tönen

Das Gürzenich-Orchester rekrutiert sechs Holzbläser: zwei Querflöten, auch Piccolo, zwei Klarinettisten, auch Bassklarinette, Oboe, wahlweise Oboe d‘amore, dazu Fagott. Sie sitzen links vom Klavier, die vier Blechbläser, Horn, zwei Trompeten und Posaune, rechts. Wie auch Pauke und Schlagwerk. Eine Celesta und Orgelpositiv ganz rechts außen. Es gibt keine Streicher, bis auf einen Kontrabassisten. Und der hat viel zu ackern. Faszinierend spröde ist der Sound, aufgespalten nach tief und dunkel, rhythmisch enerviert kommen auch groovig-jazzige Passagen vor. Zu Anfang orientalisches Melodiewerk mit übermäßigen Tonschritten, Quint- und Quartklänge. Es wiederholen sich Melodiepatterns oder Klangmuster wie im Klavier bei der Beschwörung auf die Worte „Erscheine“. Manchmal klingt es nach heroischem Sandalenfilm. Nach Hindemith – Bach mit falschen Tönen –, nach Ernst Pepping, auch mal sehr impressionistisch. Honegger, der mit Chromatik das Wort „Sünde“ einmal sehr bachisch ausdeutet, steht an einem multifaktoriellen Wendepunkt.

Davids Verklärung mit Engelsgesang und Celesta im Finale hat Aplomb

Dieses Werk soll den Durchbruch des in der Schweiz geborenen, aber zumeist in Paris tätigen Musikers als Komponist ermöglicht haben. Aber wie weit ist dieses Werk entfernt von dessen dramatischem Oratorium Jeanne d‘arc au bûcher. Es heißt immerhin, Igor Strawinskys Psalmensinfonie (1939) sei nicht ohne diesen Honegger von 1923 denkbar. In Lyon wurde das Oratorium Roi David uraufgeführt, mit dem Untertitel Symphonischer Psalm – wegen der eingefügten Psalmen. Es ist auch versöhnlich, dass Ulrich Noethen einmal ein bisschen den Text, aus dem Französischen von Hans Reinhart übersetzt, verbessert. Bei der Nummer 23, dem Marsch der Israeliten, erweitert er den Friedenswunsch bezogen auf Israel auf die ganze Welt. Aus „Möge von nun an Frieden sein in Israel“ macht er „Von nun an möge Friede sein in Israel und allen Völkern dieser Erde“ … Davids Verklärung mit Engelsgesang und Celesta im Finale rundet mit Aplomb ab. Großer Applaus in der Kölner Philharmonie, für Solisten, Chor und für Paul Krämer, den Dirigenten und künstlerischen Leiter der Kartäuserkantorei, der nicht nur den Solisten, sondern auch jedem Instrumentalisten einzeln die Hand gibt und sich bedankt.

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