Barry Koskies “Meistersinger” erfüllt in Bayreuth alle Erwartungen. Bo Skovhus leiht Johannes Martin Kränzle seine Stimme!

Barrie Koskys wunderbar analytische aber auch theatralisch pralle Inszenierung der „Meistersinger von Nürnberg“ von 2016 reisst am Ende das Publikum zu gewaltigem Applaus von den Sitzen, unter anderem für Michael Volle als überragendem Hans Sachs. Angela Merkel eingeschlossen, die diesmal nicht in der Loge, sondern mitten im Parkett sitzt. (Von Klaus Kalchschmid)

(26. Juli 2021, Bayreuther Festspiele) Barrie Kosky zeigt, wie autobiographisch und selbstreflexiv sich Wagner in seiner einzigen Komödie spiegelt, sieht man vom frühen Liebesverbot ab. Und das gleich in drei Figuren : als sehr junger, unerfahrener, aber schon selbstbewusster Mann (David – alias Daniel Behle), liebender Heißsporn (als Stolzing ein hell schmelzender Tenor in seiner Paraderolle: Klaus Florian Voigt) und als reifer, mal abgeklärter mal aggressiv eingreifender Sachs, eben Michael Volle mit fantastischen Reserven bis zum Schlussmonolog, den er hier allein im Bühnenbild (Rebecca Ringst) des Verhandlungsraums der Nürnberger Prozesse singt und im Kostüm von Richard Wagner „seine“ deutsche Kunst verteidigt.

Foto: Enrico Nawrath

Über den herrlich durchgeknallten ersten Aufzug ließ sich wieder staunen. Er spielt sich komplett als fiktive Probe im Salon der Villa Wahnfried ab. Da wird Magdalene (Christa Mayer) zum Zimmermädchen bei Wagners, Pogner zu Franz Liszt und seine Tochter Eva (Camilla Nylund) zu Cosima Wagner. Beckmesser (Johannes Martin Kränzle) mimt den jüdischen Uraufführungsdirigenten Hermann Levi. Und „mimt“ ist hier wörtlich zu nehmen, denn weil Kränzle am Morgen der Vorstellung ohne Stimme aufwachte, was gar nicht so selten vorkommt, singt ihn, frisch aus Wien eingeflogen, Bo Skovhus, schwarzgewandet vom Notenpult mal rechts mal links am Bühnenportal.
Der Däne ist rein vokal ein ungemein facettenreicher Beckmesser, der sich – wie Kränzle – zum Narren machen, aber auch sehr melancholisch oder aggressiv, verletzt oder verletzend sein kann: was für ein Duo! Köstlich der Moment, in dem Kränzle an Skovhus herantritt und zu den auf Eva, die von Magdalene am Fenster vertreten wird, gemünzten Worten „Am Ende glaubt sie gar, dass ich das bin!“ als Spieler auf den Sänger zeigt!

Foto: Enrico Nawrath
Wieder ist das Wechselspiel der drei, und nun vier „Clowns“ (Kosky), also Volle, Kränzle/Skovhus und Voigt herrlich, vor allem im zweiten und dritten Aufzug. Und Philippe Jordan ist am Pult des wunderbaren Festspielorchesters der fünfte famose Kerl in dieser Runde! Da gibt es nur einen Wermutstropfen: die DVD dokumentiert in alle Ewigkeit das Premierenjahr, aber was damals schon gut war, wurde mit jedem Jahr besser und ist nun einfach nicht mehr zu übertreffen!

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