Ära Bachler endet in München mit einem Galaabend. Ein Rückblick

13 Jahre prägte Nikolaus Bachler die Bayerische Staatsoper in München. Mit einem großen, beziehungsreichen Galaabend endeten die diesjährigen Opernfestspiele, die mit halber Platzauslastung im Schachbrettmuster stattfanden, und damit eine Ära. Denn der ehemalige Burg-Schauspieler und Burgtheater-Direktor brachte neue Regiehandschriften nach München und stand stets für streitbares, querständige, oft auch rätselhaftes und das Publikum in jeder Hinsicht forderndes Musiktheater. Nicht zuletzt durch Kirill Petrenko, der 2008 Kent Nagano als GMD des Staatsorchesters folgte, sowie hochkarätige Sängerinnen und Sänger war das musikalische Niveau gleichermaßen hoch. (Von Klaus Kalchschmid)

Intendant Nikolaus Bachler “talking”. Foto: Wikipedia Commons

Bachler erneuerte mit wechselndem Erfolg das Repertoire zwischen Mozart, Verdi, Puccini und Richard Strauss grundlegend, setzte aber auch Rameau, Haydn oder Webers Oberon auf den Spielplan und holte immer wieder Regisseure wie Krzysztof Warlikowski, David Bösch, Barrie Kosky, Dmitri Tcherniakov, Arpád Schilling, Amélie Niermeyer oder Andreas Kriegenburg nach München. Für das Rahmenprogramm von dessen Ring-Inszenierung 2013 lud Bachler den amerikanischen Fotokünstlers Spencer Tunick an die Isar. Hunderte rot und golden angemalte, nackte Menschen versammelte er vor der Oper in einer spektakulären Installation rund um das Denkmal von Max II. Joseph, unter dessen Regierung das Hof-und Nationaltheater im frühen 19. Jahrhundert erbaut wurde. Wichtige Stationen der vergangenen 13 Jahre wurden zum Finale von Alexander Kluge mit allerlei Film- und Textinstallationen im gesamten Nationaltheater „inszeniert“!

Auch wenn ab Oktober 2020 das Nationaltheater ein halbes Jahr pandemiebedingt nicht bespielt werden durfte, setzte Bachler mit wöchentlich gestreamten originellen Montagsstücken ein Zeichen. (Siehe klassikfavori Berichte) Abwechselnd gab es Konzerte oder (szenische) Recitals, Operneinakter, inszeniert von Filmregisseuren wie Axel Ranisch und Marcus H. Rosenmüller, oder eine ganze La Bohème mit Jonas Kaufmann. Fast alle Premieren von Bachlers letzter Spielzeit fanden statt, wenn auch vor wenig oder gar keinem

Die Vögel. Foto Wilfried Hösl

Publikum, aber eben immer im Stream, so Die Vögel von Wolfgang Braunfels, vor 100 Jahren in München uraufgeführt, Verdis Falstaff oder Der Rosenkavalier, fantasievoll frech inszeniert von Barrie Kosky, der die legendäre Produktion von 1972 in den Bühnenbildern von Jürgen Rose ersetzte. Tcherniakovs radikal moderne Inszenierung von Freischütz wurde im Juli erstmals vor Publikum gespielt, während Aribert Reimanns Lear im Mai schon vor 500 Besuchern aufgeführt werden durfte, erstmals seit der umjubelten Uraufführung 1978 mit Dietrich Fischer-Dieskau in der Titelpartie, die jetzt Christian Gerhaher verkörperte.

Während der Festspiele faszinierte auch wieder die vielleicht aufregendste Produktion der Ära Bachler: die noch immer verstörende Inszenierung von Antonín Dvořáks Rusalka durch Martin Kušej in der Premierenbesetzung. Er zeigte die Meerjungfrau als eine junge Frau, die im unter Wasser stehenden Heizungskeller vom „Wassermann“ missbraucht wird, aber auch in der Menschenwelt nur Demütigung erfährt und im Frauenhaus wahnsinnig wird. Verdis Macbeth, der in Kušejs Regie im Herbst 2008 die Intendanz Bachlers eröffnete, stand erneut auf dem Spielplan.

Unter dem Motto „Der wendende Punkt“ gab es dann am 30. Juli, einen Tag vor der allerletzten Vorstellung unter Nikolaus Bachler mit Tristan und Isolde, einen dreistündigen, raffiniert durch Alexander Weirich im hölzernen „Zimmer“ aus Rheingold szenisch eingerichteten Galaabend. Er versammelte unter anderen noch einmal in ihren Paraderollen an der Staatsoper Stars wie Jonas Kaufmann (im Finale von Die tote Stadt, soeben in der Produktion von Simon Stone auf DVD erschienen), Günther Groissböck und Pavol Breslik (Rusalka), Anne Schwanewilms oder Marlis Petersen in Salomes Schlussgesang, Diana Damrau mit der Figaro-Gräfin und Elina Garanča in der Titelpartie von Donizettis La Favorite.
Auch alle in München uraufgeführten Wagner-Opern waren vertreten: Kent Nagano dirigierte das Rheingold-Vorspiel, Anja Kampe sang flammend Sieglinde (Die Walküre), Nina Stemme Isoldes Liebestod und nach dem Vorspiel zum 3. Aufzug der Meistersinger – dirigiert von Kirill Petrenko – gestaltete Wolfgang Koch den Wahn-Monolog des Hans Sachs. Christian Gerhaher erinnerte mit „Possente spirto“ an seinen Erfolg in der Titelpartie von Monteverdis L’Orfeo und sang ganz am Ende einen bewegenden Abschied von Franz Schubert – nur mit der Klavierbegleitung von Gerold Huber. Nikolaus Bachler aber hatte zuvor immer mal wieder aus Rainer Maria Rilkes Sonetten an Orpheus rezitiert, etwa: „Wolle die Wandlung. O sei für die Flamme begeistert, drin sich ein Ding dir entzieht, das mit Verwandlungen prunkt.“

Das Galakonzert „Der wendende Punkt“ ist als kostenfreies VOD noch bis 10. August  verfügbar, während die letzte Neuproduktion, Mozarts Idomeneo in der Regie von Antú Romero Nunes, noch bis 26. August erlebbar ist.

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