ZAMUS! Was ist Partimento? Oder: Continuospielen zu zweit im Konzertvortrag!

Bernardo Pasquini hat im ausgehenden 17. Jahrhundert nicht nur Opern und Oratorien komponiert, sondern sich didaktisch für seine Cembaloschüler eingesetzt. In Rom, wo er 60 Jahre gewirkt hat, lässt er Anleitungen zum Aussetzen des Basso continuos nach Ziffern in einem Traktat drucken, das, damit es nicht so langweilig wird, sogar für zwei Cembalisten ausgelegt ist, die sich im Doppel üben können. Oder in einer Art platonischem Dialog! Was es mit dem sogenannten „Partimento“, der Fachbegriff für diese Praxis, auf sich hat, haben jetzt Flóra Fábri und Andreas Gilger vorgeführt, die charakterlich nicht unterschiedlicher sein könnten und doch so zusammen gefunden haben, das fast nichts gefehlt hat. (Von Sabine Weber)

(26. Oktober 2022, Ventana, Köln. ZAMUS: unlimited) Andreas Gilger, akkurate Kurzhaarfrisur, Randbrille, blauer Anzug mit Krawatte und Einstecktuch, wirkt überkorrekt, fast ein bisschen steif. Die ungarisch-stämmige Flóra Fábri dagegen, mit bemerkenswerter Diskographie, sie unterrichtet an den Musikhochschulen in Frankfurt und Detmold, mit ihrer wild abstehenden und teilweise gegen den Strich gebürsteten Kurzhaarfrisur wie ein Kobold. So unterschiedlich die beiden in ihren Erscheinungen sind, so perfekt ergänzen sie sich, wenn sie die Tasten auf ihren gegeneinander geschobenen italienischen Cembali (von Volker Platte und Detmar Hungerberg) bedienen. Sie schieben Akkorde ineinander, werfen sich Melodiebälle zu, imitieren sich, und führen vor, wie das, was normalerweise Grundierung von Sonaten und mehrstimmig besetzter Kammermusik ist, zum konzertanten Selbstzweck wird. Sowohl Fábri wie Gilger geben zwischen den Stücken Erläuterungen zur sogenannten Partimento-Kunst. Sie zählen ihre Quellen auf, anhand derer sie das Partimento studiert haben, bringen Lehrmeinungen auf den Punkt, wobei, ob all der geforderten Improvisationsanforderungen in strengem Rahmen, gefragt werden darf, wie kann das gut gehen? Aus einem Bassmotiv sei zu erkennen, dass es zur Imitation in der Oberstimme gebraucht werden kann. Und klar seien auch die Tempi, die sich ohne Angaben natürlich dem Profi mitteilen. Zudem – so eine Lehrmeinung – bitte alle Finger wenn möglich zwischen tiefster und oberster Melodie für Akkordtöne einsetzen. Notfalls in sogenannten acciaccature, ineinander gepresst. So sind denn die zumeist zweistimmigen Partimenti und Bassi Continui von Pasquini oft in getragenem Rhythmus, denn die Harmonien wollen ja auch gut miteinander verbunden sein, erinnern manchmal entfernt an Suitensätze, eine Gigue, spielen vor allem mit verrückten Harmonierückungen und lassen gern auch mal Sequenzen schnurren oder Trillerketten rattern. Wenn es virtuos wird, zeigen die beiden ungeheure Akkuratesse. Das Cembalo verzeiht keinen Fehler! Ein paar Solostücke schmuggeln die beiden dann doch ins Programm. Die Toccata con lo Scherzo del Cucco oder Variazioni per Francia, über ein französisches Chanson, die dann allerdings doch wieder ein Partimento-Stück sein soll, also eine Generalbass-Aussetzung zum Üben, mit einer Überleitung zu einer triolischen Bewegung! Ob bei all diesen Partimenti nicht doch einmal das charakteristische Etwas fehlt, fragt man sich nur am Rande. Aufgelockert wird der Abend noch durch ein Oktav-Cembalo, das auf einem Tisch steht, im Stehen gespielt wird und nur im Sopranregister über drei Oktaven und 25 Töne verfügt, also noch filigraner klingt, und von beiden nacheinander perfekt beherrscht wird!

Das Oktavcembalo. Foto: Sabine Weber

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