イ ist der Mensch und 憂 bedeutet in Melancholie versunken. In der japanisch-chinesischen Kanji-Kaligraphie zusammengesetzt (wie das englische „You“ ausgesprochen) bedeuten sie Milde und Sanftmut oder Freundlichkeit. 優ist also ein ästhetisches und ein beseeltes Zeichen zugleich. Und ist das Markenzeichen von Kaori Uemuras erster solistisch eingespielter CD. Sie erscheint Anfang Februar beim Label RAMÉE. Und sie ist mit derart seelenvoll gespielter Musik gefüllt, dass frau – selbst Gambistin – darnieder knien möchte. Für das Verständnis der großartigen Gambenmusik eines Tobias Hume, Vater und Sohn Sainte-Colombe, Marin Marais, Carl Friedrich Abel oder Georg Philipp Telemann ist keine Kaligraphie von Nöten. Aber das Zeichen bringt doch zum Ausdruck, was den Charakter oder den Seelenklang der Viola da gamba ausmacht. Jedenfalls, wenn man so spielt wie Kaori Uemura. Ein Hauch Melancholie ist natürlich mit im Spiel. (Von Sabine Weber)
(CD RAMÉE RAM1915, VÖ 5. Februar 2021) Kaori Uemura hat bei Wieland Kuijken in Brüssel studiert. Sie war dessen Continuogambistin der ersten Wahl, vor allem bei Aufnahmen. Darüber hinaus hat Kaori Uemura mit vielen namhaften Ensembles der Barockszene musiziert und ist in der Gambenszene ein klingender Name. Sie lebt in Belgien.
Diese CD ist längst überfällig. Es ist eine Solo-CD geworden, und eine ästhetisch rund um gelungene Preziose! Angefangen bei der Aufmachung. Da spürt man mal wieder, warum es schön ist, eine CD in der Hand zu halten. Das Hardpaper-Cover ziert nicht nur besagtes kaligraphisches Zeichen, sondern vor allem ein unfassbar aufwendig handbesticktes barockes Seiden-Jabot. Viel zu kostbar, um es zu tragen! Rainer Arndt gestaltet die beim von ihm gegründeten Label RAMÉE herauskommen übrigens selbst. Arndt ist ausgebildeter Musiker und hat, wie auch Kaori Uemura, in Brüssel am Petit Sablon studiert, wo sich die Alte Musik Abteilung des Brüsseler Konservatoriums befindet. Kaori Uemura hat einen informativ wie berührenden Text fürs CD-Booklet verfasst. Sehr persönlich, nie anheischend, eher bescheiden führt sie wissend durch die Welt der Komponisten, die die erste Hochzeit der Gambenmusik in England und Frankreich geprägt haben, bis hin zu deutschen Gambenkomponisten des empfindsamen Stils. Sie verbindet ihre treffliche Auswahl, mit einbezogen die Sammlungen oder Bücher denen sie entnommen sind, mit eigenen Gedankengängen, kommt zu Yin und Yan, sogar Weltharmonischen Überlegungen, die ein Christopher Simpson in seiner Gambenschule entwickelt hat. Doch was den Ausschlag gibt Kaori Uemura spielt einfach unglaublich geschmackvoll. Avec grand goût! Sie weiß natürlich um das inégale Spiel der Franzosen. Wie sanft schwingt die berühmte Badinage in f-moll von Marin Marais. Suchen Sie mal eine Gambistin, die das so eingespielt hat. Genau so präzis artikuliert sie aber auch. Das Thema der Chaconne aus Marais‘ erstem Buch beispielsweise. So wie sie spielt, braucht es auch kein Continuo. Marais hat überdies die Solostimme so angelegt, dass sie sich quasi selbst begleitet. Jeder Ton hat bei Uemura seine Farbe, seine Länge seine Gestalt, fließt in den nächsten oder grenzt sich ab. Die Gambensaiten schwingen, die Klänge räsonieren mit viel Oberklang. Elegant! Sie werden nicht vom Bogen erdrückt. „Tout en l‘air“ haben die französischen Gambenmaîtres für die Bogenführung gefordert. Und die vom belgischen Instrumentenbauer François Bodart 1985 gebaute siebensaitige Gambe klingt noch eleganter, als die sechssaitige originale Gambe, die bei den früheren Lautentabularstücken – akkordisch angelegt – von Tobias Hume erklingen. Diese ganze CD nimmt gefangen. Wer davon nicht sanft und mild gestimmt wird, dem ist einfach nicht zu helfen. Eine Portion Melancholie, die im Gambenton immer mitschwingt, kann sehr heilsam sein!