Liebestod zum Saisonauftakt! Der Bayreuthsänger Samuel Youn aus dem Kölner Ensemble über seine Rolle(n)!

In Köln steht die Saisonpremiere ins Haus! Mit Richard Wagners „Tristan und Isolde“ am 21. September in der Oper Köln im Staatenhaus. Die Proben laufen in die heiße Endphase. Ensemble-Bassbariton Samuel Youn als ausgewiesener Bayreuth-Sänger ist natürlich mit dabei. Er übernimmt die Rolle des Kurwenal. Der gebürtige Koreaner ist längst nicht mehr der einzige Koreaner im Team. Das hat mit ihm zu tun. Nach einer Probe habe ich mich mit ihm getroffen, habe einiges über die Kurwenal-Partie erfahren und über Samuel Youns Korea-Connections!

Sabine und Samuel
Sie kommen gerade aus der Probe zu Tristan und Isolde, der Saisonpremiere 19/20 in Köln. Wie läuft es denn?

Super! Ich bin sehr gespannt, mit welchem Ergebnis wir das beenden.

Klingt gut! Über die Inszenierung von Patrick Kinmonth verraten wir noch nichts. Sie übernehmen die Rolle des Heldenbaritons Kurwenal. Das ist eine Rolle, die Sie schon häufig gesungen haben. In Leipzig, an der Deutschen Oper in Berlin und 2009 auch schon in Köln in der Regie von David Pountney…

… vor 10 Jahren!

Hat sich der Umgang mit der Rolle in den Jahren denn verändert?

Das ist schon so. Das Alter spielt eine Rolle. Ich bin 48 Jahre alt, da ändert sich stimmlich einiges, auch, was das Spielerische angeht. Die Haltung. Auf der Bühne kann ich inzwischen mit deutlich mehr und verschiedenen Farben singen. Das ist wichtig als Sänger, da kann ich noch kreativer sein! In dieser Produktion wird auf der Bühne auch sehr viel zu sehen sein. Dem Zuschauer wird es bestimmt nicht langweilig werden!

Es gibt also viel Angebot auf der Bühne, soviel verraten wir, und die Rolle ist mit Ihnen gereift. Was ist denn das Schwierige an speziell dieser Rolle? Heldenbariton, das klingt fast gefährlich …

Ich habe Kurwenal das erste Mal vor 10 Jahren gesungen. Vorausgehende Wagnerpartien waren Donner (Rheingold) und der Heerrufer (Lohengrin). Kurwenal war für mich ein Sprung. Eine Rolle, mit der ich viel Zeit verbringen sollte. Auch für die Einstudierung brauchte ich ziemlich lang. Die Partie braucht viele Farben. Nicht nur die Heldenfarbe. Man muss sehr lyrisch, sogar liedhaft singen. Dafür habe ich mir damals auch viele Farben erarbeitet. Und auch jetzt wieder für die neue Produktion.

Wie hilft der Dirigent dabei? Wie hilft François-Xavier Roth Ihnen dabei, die Rolle weiter zu entwickeln? Oder überlässt er Ihnen frei das Feld der Gestaltung?

François hat ganz klar sein Idee. Und er hat mich davon überzeugt…

Von welcher Idee?

… seine Tempi, sein Konzept… Jeder hat sein Konzept, als Musiker, Regisseur und als Sänger. Das muss zusammenwachsen. Sonst gibt es keinen Fortschritt. Wir proben schon seit zwei Monaten. Wir haben schon Vorproben vor dem Sommer gehabt. Inzwischen sind wir am Ende der Proben. Es wird ein gutes Ergebnis geben.

Was hat Ihnen denn François-Xavier Roth als neue Idee mitgegeben?

Bei ihm soll es, ich nenne es jetzt mal „jugendlich“ klingen. Jeder Sänger muss bei ihm Feuer entwickeln. Da ist wenig relaxed, die Sänger müssen die Spannung aufbringen, die die Rolle ermöglicht. Für diesen Einsatz haben wir sehr viel gearbeitet. Nicht locker lassen, sondern immer in Spannung bleiben.

Was ist denn das besondere Moment in der Partie des Kurwenals? Er ist ja der Begleiter Tristans?

In Spannung zu bleiben, trotzdem er an manchen Stellen eher beruhigend einzuwirken hat. Es gibt sehr langsame Stellen. Auch für die anderen Sänger natürlich. Die Intensität liegt nicht nur in den Tempi, sondern in den verschiedenen Farben in den Tempi. Ich muss als Kurwenal mehrmals Tristan beruhigen. Im dritten Akt ist er schwer verwundet. Ich muss ihn beruhigen und ihn ermutigen. Das tue ich auch.

Wie wichtig sind Wagner-Partien überhaupt für den Sänger? Das Heldenfach kommt ja zum Schluss in der Entwicklung – mit Wagner.

Für mich war das ein Geschenk, Wagnerrollen zu singen. Wie gesagt, meine Karriere hat mit Wagner auch begonnen. Ich habe hier in Köln vor 20 Jahren angefangen. Und vor 18 oder 17 Jahren habe ich erstmals den Donner gesungen. Viele Leute haben mir übrigens auch schon früher gesagt, Du hast eine Wagnerstimme! Ich habe das nicht geglaubt. Ich habe in Italien studiert und hatte keine Ahnung, was für eine Stimme es für Wagner braucht. Seitdem ich die Wagnerwelt berührt habe, langsam, ich habe da nichts schnell gemacht, hat sie mich nicht mehr losgelassen. Irgendwann wurde ich als Wagnerstimme gemocht. Bis auf Telramund habe ich inzwischen alle Wagner-Rollen gesungen…

… die Bassbariton-Rollen!?

Natürlich nicht die Tenor-Rollen!!!

… wollte mich nur vergewissern (Lachen)! Inzwischen sind Sie ein Bayreuthsänger! Aber der Einspringer 2012 für Evgeny Nikitin war nicht ihr erster Bayreuth-Auftritt?

Nein, mein erster Auftritt in Bayreuth war 2004. Es hat also acht Jahre gedauert, die Titelrolle des Fliegenden Holländers zu bekommen. In Bayreuth gibt es eine Tradition. Jeder, der in seinem Haus bereits Hauptrollen singt, fängt in Bayreuth mit kleinen Rollen an. Das war für mich der zweite Gralsritter in der Schlingensief-Inszenierung des Parsifal. Pierre Boulez hat dirigiert. Das war mein Debüt in Bayreuth. Danach Reinmar von Zweter aus dem Tannhäuser, mit Thielemann. Das war mein allererstes Mal mit Christian Thielemann! 2010 habe ich einen den Sprung zum Heerrufer im Lohengrin gemacht. Den hatte ich allerdings schon in Köln gesungen. Das hat sich also langsam entwickelt.

Bis zum Holländer. Und der Holländer muss im letzten Akt eine ziemlich große und fordernde Erzählung loslassen. Da muss man seine Kräfte ganz schön einteilen. Sie sind gebürtiger Koreaner. Wie haben Sie mit dem Singen eigentlich angefangen?

Ich bin gläubig, evangelisch. Ich habe sehr gerne im Kirchenchor gesungen. In Seoul. Als Hobby. Als Chormitglied habe ich also begonnen und bin dann Solist geworden. Ich habe das selbst entschieden, dass ich das werden möchte.

Wie sind Sie nach Europa gekommen?

Ich habe erst in Mailand studiert. Vier Jahre lang am Giuseppe-Verdi-Konservatorium. Danach habe ich an einem Wettbewerb in Treviso teilgenommen, dem „Toti dal Monte“. Und da hat die damalige Operndirektorin von Köln, Karen Stone, sie ist jetzt Generalintendantin am Theater Magdeburg, sie hat meine Stimme gehört. Und sie hat mich zum Vorsingen hier fürs Opernstudio eingeladen. Da habe ich teilgenommen und war ab da im Kölner Opernstudio!

Es wird ja erzählt, Koreaner seien ungemein singfreudig. Es gibt inzwischen ja auch keinen Wettbewerb mehr ohne koreanische Beteiligung.

Das ist wirklich erstaunlich. Ich bin nächstes Jahr noch einmal in der Jury für den Internationalen Musikwettbewerb Köln, und bin gespannt. Wenn ich Koreaner ganz generell beschreiben soll, dann lernen sie unglaublich schnell, und sie verausgaben sich 100 %, um zu studieren. So war ich auch!

Einige koreanische Sänger sind inzwischen in der Weltspitze angekommen. Kwangchoul Youn, Attila Jun, Samuel Youn … Wieso heißen die alle (gesprochen: jun) gleich? Sind Sie verwandt?

Nein, wir verwenden vielleicht dieselben Buchstaben, aber Kwanchouls Nachname ist (gesprochen) „Jonn“, und Attila heißt (gesprochen) „Dschonn“, ich bin der einzige (gesprochen) „Junn“. (Großes Gelächter)

Gut zu wissen! Samuel klingt allerdings auch nicht koreanisch.

Ist auch nicht koreanisch. Ich habe den Namen aus der Bibel genommen.

Wie, Sie haben sich selbst getauft?

Ja, genau, mit meiner Frau habe ich viel diskutiert, und Samuel ist dann der richtige Name für mich geworden. Ich wollte den Leuten immer helfen. In der Bibel ist das Samuel.

Und Ihr Künstlername! Und wie lautet Ihr richtiger koreanischer Name?

Mein richtiger Name ist (gesprochen mit ch wie „ich“ – „Techan“ (geschrieben: Tae-hyeon).

Da kommt uns Samuel doch eher entgegen! Wie sieht es denn mit Opernhäusern in Süd-Korea aus? Treten Sie dort auch mal auf?

Wir haben ein sehr großes Opernhaus in Seoul. Wir haben aber keinen festen Opernchor oder festes Orchester. Für jede Produktion muss neu engagiert werden. Wenn die mich buchen wollen, wird es schwierig, da ich ja schon einige Zeit vorher da sein und einplanen müsste…

Die haben eine Art Stagione-Betrieb, machen eine Produktion, laden Chor, Orchester und Solisten ein, und dann läuft die Produktion, und so lange wie sie läuft, müssten Sie dort sein. Inklusive der Vorproben.

Im Theater an der Wien, das ich gut kenne, funktioniert dieses System ja auch ganz gut. Davon könnten und müssten wir in Korea lernen. Wir haben noch zwei Opernhäuser. Ein neues wird in Busan gebaut. Dieses neue internationale Opernhaus soll 2022 eröffnet werden. Ich hoffe, da wird ein Opernbetrieb mit festem Ensemble und Orchester entstehen.

Es ist also noch nicht so, dass koreanische Sänger, die sich ausbilden lassen wie Sie und ins mitteleuropäische Opernrepertoire einsteigen wollen, in Korea eine Chance haben, in diesem Beruf arbeiten und überleben zu können. Das ist wohl auch mit ein Grund, warum koreanische Sängerinnen und Sänger nach Europa kommen. Und in der aktuellen Tristan-Premiere sind Sie auch nicht der einzige Koreaner auf der Bühne. Young Woo Kim und Insik Choi stehen im Programmheft.

Ja, vor sechs Jahren habe ich unserer Intendantin Birgit Meyer einen Vorschlag gemacht. Wir hatten im Opernstudio eine Vereinbarung, dass jedes Jahr ein Sänger aus Australien, durch einen Wettbewerb dort ausgesucht, für ein Jahr im Kölner Opernstudio engagiert wird. Irgendwann wurde das gestoppt, weil die australische Finanzhilfe aufgehört hat. Das habe ich gewusst und sofort Frau Meyer gefragt, ob, falls wir einen koreanischen Sponsor finden würden, wir einen Koreaner direkt aus Korea engagieren könnten. Sie war einverstanden. Ich habe sofort einen Meisterkurs in Korea gegeben und einen Sänger von vielen guten Sängern eingeladen. Das war Insik Choi, der im Tristan den Steuermann singt. Und Young Woo Kim ist der zweite. Er singt den Hirten.

Sie sitzen auch in Korea in Wettbewerben?

Das war ein Meisterkurs, für den ich Werbung gemacht habe. Es haben sich auch viele angemeldet. Über 100 Anmeldungen. Die konnte ich nicht alle in den Meisterkurs nehmen. Ich habe 30 ausgewählt. Und mit diesen 30 Leuten habe ich drei Tage lang den Meisterkurs gemacht. Ich hätte ganz schnell nach zwei Arien entscheiden können. Ich wollte die Leute aber kennen lernen, nicht nur wie gut, sondern wie fleißig sie sind und ob sie, wenn sie nach Deutschland kommen, nicht sofort großes Repertoire singen wollen, sondern Geduld mitbringen, um mit kleinen Rollen zu beginnen. So habe ich auch angefangen. Und auch, ob sie die Sprache wirklich lernen möchten. Das wollte ich überprüfen.

Das hört sich so an, als würden Sie das regelmäßiger machen. Ist das ein neues Aufgabenfeld von Ihnen, in Korea zu scouten, Meisterkurse zu geben?

Das machen wir jetzt fünf Jahre lang. Wir haben jetzt die fünfte Sängerin!

Haben Sie einen Kontrakt mit einer koreanischen Hochschule oder einen Sponsor, der das bezahlt?

Ich bin in der Tat vor kurzem Ehrenprofessor an der Universität in Busan geworden. Das ist neu, dort unterrichte ich: Für die Förderung von jungen koreanischen Sängerinnen und Sängern im internationalen Opernstudio der Oper Köln habe ich eine große koreanische Firma gefunden. Die Il-Shin Company. Sie unterstützt uns. Der Präsident erlaubt uns, einen Sänger zu finden und bezahlt ihm ein Jahr lang seine Gage.

Wow! Und Insik Choi und Young Woo Kim sind mittlerweile im Ensemble engagiert …

…weil sie unglaublich gut sind! (Lacht)

Und was vermissen die Koreaner in Köln?

Das Essen! (Lachen) Wir haben hier in Köln auch zwei, drei gute Restaurants. Ich esse aber normalerweise immer zuhause.

Kochen Sie auch selbst? Dirigent Myung-Whun Chung hat mir mal gesagt, er koche leidenschaftlich gern.

Ja, ich habe viel mit ihm gearbeitet. Er hat natürlich nicht für mich gekocht aber ich habe auch gehört, dass er gern kocht. Und wenn ich irgendwo gastiere, dann muss ich ja auch kochen (Lacht).

Weil es koreanisch sein muss. Was ist denn Ihr Lieblingsgericht?

(Gesprochen) Döngdschan Dsigge (geschrieben Doenjang-jjigae). Das ist ein Sojabohnen-Topf, den esse ich sehr gern! Das ist eigentlich eine Suppe mit Reis. Wir essen ja immer Reis. Und Kimchi gehört auch dazu. Das ist unser Gemüse, das wir immer mit scharfen Gewürzen essen, sonst ist es ja kein Kimchi.

Dann könnten Sie ja mit den Kölner Opernkoreanern mal einen Kochtag machen?

Zwei, drei Mal pro Jahr lade ich sie zu mir nach Hause ein!

Gibt es ein Samuel-Young-Projekt in der Planung? Pläne für die Zukunft?

Weil ich zum Ehrenprofessor der Kosin University ernannt wurde möchte ich ein neues System dort aufbauen. 레이아웃 1Für hochqualifizierte Sänger, mit denen ich bereits jetzt arbeite. Das ist ein Projekt, das ich zusammen mit der Oper Köln machen möchte. Wir machen ja gerade in Köln den Ring für Kinder in der Kinderoper. Dieses Jahr schon den Siegfried. Wenn der Ring hier fertig ist, hoffe ich, wenigstens einen Teil nach Busan zu bringen. Frau Meyer hat mit der Kosin-Universität jedenfalls schon eine Vereinbarung getroffen, sich gegenseitig zu unterstützen in den nächsten Jahren, was die Ausbildung junger Künstler anbelangt. Köln hilft also mit, dort das neue System aufzubauen. Wir fangen mit der Kinderoper klein an. Wenn dann das Opernhaus in Busan fertig gebaut ist, dann brauchen wir auch dort eine Infrastruktur, damit die Oper läuft. Da bekommen wir Hilfe von Deutschland, besonders von Köln.

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