Apropos Licht, das ins Dunkel scheint! Unserem Favori-Kritiker Klaus Kalchschmid ist eine ganz besondere Künstlerin aufgefallen! Bald wird Fatma Said kein Geheimtipp mehr sein. Fatma Said ist eine charismatische Sopranistin aus Kairo. Eine singende Scheherazade zwischen Orient und Okzident! Gerade war die 29jährige in der Wigmore-Hall mit einem wunderbaren Liederabend zu erleben, der noch bis Heiligdreikönig kostenlos abrufbar ist. Aus diesem Schmuckkästchen für Kammermusik wurde am 7. Dezember ein außergewöhnlicher, optisch wie akustisch brillant gefilmter Liederabend übertragen. Der noch vor Publikum stattgefunden hat! (Von Klaus Kalchschmid)
Zunächst widmete sich Said – fantastisch „begleitet“ von Joseph Middleton – allerlei Blumen-Liedern: Von Mozarts und Clara Schumanns Vertonungen des Goetheschen Veilchen über Brahms und Strauss bis Schuberts umfangreicher Viola. Der zweite Teil umfasste Lieder zu Nacht und Träumen – so auch der Titel des eröffnenden Lieds von Franz Schubert. Fauré, Debussy, Sibelius und Grieg folgten, bevor der letzte Teil mit oft großartig tänzerischen Songs von Leonard Bernstein und Kurt Weill ganz in die Gefilde des Broadway wechselte. Da bekam das Timbre von Fatma Said einen Hauch erdiges Aroma, während zuvor das leise Verhauchen am Ende der Viola einen besonderen Zauber entfaltete.
Immer wieder ist Saids Piano schlicht berückend und ihre hoch sensible Gestaltung nimmt für sie ein. Wer genau hinschaut, sieht, dass sie einen goldenen Anhänger in den Umrissen Afrikas trägt – mit einer kleinen Perle dort, wo ihre Heimat Ägypten liegt!
Fatma Said erhält bereits mit 13 Jahren Gesangsunterricht in Kairo, macht mit 16 einen Meisterkurs bei der berühmten Gesangsprofessorin Renate Faltin in Berlin, besteht die Aufnahmeprüfung an der Hanns-Eisler-Hochschule und beginnt das Studium als Jüngste im Jahrgang. Mit 22 wird sie Mitglied des Opernstudios der Mailänder Scala und drei Jahre später, 2016, steht sie auf der Bühne dieses legendären Opernhauses als Pamina in Peter Steins auch auf DVD festgehaltener Inszenierung von Mozarts Die Zauberflöte. Mit dem 28jährigen Österreicher Martin Pikorski als Tamino bildete die auch die ungekürzten Dialoge in perfektem Deutsch darbietende Ägypterin ein optisch wie darstellerisches Traumpaar, auch wenn beider Stimmen sehr unterschiedlich sind : Er ist mit einem sanften, weichen, aber nicht sehr durchdringenden Tenor gesegnet. Sie klingt leuchtkräftiger, aber besitzt als 25jährige eine noch nicht ganz gefestigte Stimme, die wie ein funkelnder Rohdiamant klingt.
Um wie vieles reifer und ausgewogener klingt Fatma Said vier Jahre später in der Wigmore Hall und auch auf ihrer soeben bei Warner erschienenen Debüt-CD El Nour. Anders als in London mit deutschem und amerikanischem Repertoire, beginnt sie hier mit Maurice Ravels Shéhérazade – darunter ein Lied mit wunderbarer Flöten-Begleitung, die von der alten arabisch-türkischen Nay gespielt wird. Es folgt Spanisches von de Falla, José Serrano, Fernando Obradors und sogar Federico García Lorca – Volkslieder zur Begleitung einer Gitarre, denn: Ja, der berühmte Dichter komponierte auch!
Exquisit Französisches (Berlioz, Philippe Gaubert, Bizet) schließt sich an. Dann folgt Exotisches aus Fatma Saids Heimat. Nun begleitet sie weder Pianist Malcolm Martineau noch Gitarrist Rafael Aguirre, sondern ein wunderbares Quartett aus Percussion (Itamar Doari), Kontrabass (Henning Sieverts), der altägyptischen Harfe Kanun (Tamer Pmarbaşı), der Nay und Klavier (Tim Allhoff) . Am Ende assistiert das Vision String Quartet: eine Viertelstunde Finale, wie man es sich fremdartiger und zugleich fantastischer und aufregender nicht vorstellen könnte.
Bis 6. Januar 2021 ist der Liederabend kostenlos abrufbar. Lediglich eine Registrierung ist nötig.