Auf der Rutschbahn ins Labor – die Zauberflöte von Wolfgang Amadeus Mozart feiert Premiere in Köln

Die drei Damen als Reporter im Labor-Tempel Foto: Paul Leclaire
Die drei Damen als Reporter im Labor-Tempel Foto: Paul Leclaire

Regisseurin Mariame Clément, die Produktion ist eine Übernahme von der Opéra du Rhin, projiziert Filmelemente auf die Bühne und lockert mit erfrischenden Slapstick-Einlagen das etwas biedere Libretto voll von Begriffen wie „Weib“ und „Tugend“ spürbar und in angenehmer Weise auf.
(Von Lina-Marie Dück)

(6. Dezember 2014, Kölner Oper) Im ersten Teil ein Flugzeugwrack in Ödnis aus Grashügeln und Wäldern im Hintergrund. Pilot Tamino in Leder-Kluft, gesungen von Mirko Roschkowski, trifft auf Camper in Anglerweste – Papageno, interpretiert von Wolfgang Schwaiger. Etwas befremdlich kommt die Königin der Nacht aus einem Erdloch hervor. Die Kraft und Größe ihrer Rolle, überzeugend dargestellt von Anna Siminska, wird erst deutlich, als sie ihren Mantel öffnet und mit weißem Innenfutter zur menschlichen Leinwand wird. Fliegende Vögel darauf projiziert stehen für die Freiheit, in die sie Pamina zurückbringen will.
Die Inszenierung beeindruckt vor allem in der zweiten Hälfte. Der Tempel der Weisheit als Forschungslabor der 50er/70er Jahre, mit dunklem Holz verkleidet und Pflanzen in Glaskästen ausgestellt. Sarastros – Mika Kares’ – Arie wird zum wissenschaftlichen Vortrag mit Simultan-Dolmetschern. Die Aufteilung Männer als Forscher, Frauen als Putzfrauen ist wohl der historischen Korrektheit geschuldet… Als die Königin der Nacht mit all ihrer Wildheit und einem langen Schlangenschwanz am grünen Kleid in die Räumlichkeiten eindringt und Pamina zum Mord an ihrem Widersacher Sarastro anstiftet, kann der Gegensatz zwischen nüchternem Wissenschafts- (und Weisheits-?)tempel und emotionaler Naturgewalt nicht deutlicher sein. Regisseurin Clément nutzt auch Elemente, die einen Bezug zur Gegenwart herstellen: Tamino und Papageno werden über einer Rutschbahn ins Labor geschickt. Mit braunen Papiertüten auf dem Kopf ähneln sie dabei den Geiseln auf Entführungs-Videos. Monostatos entspricht mit seiner schwarzen Kleidung, dem Vollbart und der schwarzen Mütze dem Klischeebild des Terroristen und muss am Ende, verstoßen, all seine Kleider am Ausgang der Bühne lassen. Wie bei einer Gefängniskontrolle.
Tamino und Papageno stehen die von den Priestern auferlegte Prüfung eingeschlossen als menschliche Versuchskaninchen durch. Nur Papagena, gesungen von Aoife Miskelly erhellt den dortigen Aufenthalt und kommt auf derselben Rutschbahn auf die Bühne gerutscht. Den aus einer Schublade gezogenen Playboy brauchte Papageno da nicht mehr. Der Weg des Prinzenpaars durch Feuer und Wasserfluten wird durch erneute Filmprojektionen von Naturkatastrophen symbolisiert. Eindrückliche Bilder von Waldbränden und Tsunamis bringen die Intensität der Musik an dieser Stelle auf die Bühne.
Das Finale ist wunderbar harmonisch gelöst: Sonne und Nacht vereinen sich in einem innigen Kuss anstatt sich zu bekämpfen. Das Gleichgewicht der Erde, symbolisch dargestellt durch eine Projektion des sich drehenden Planeten auf den Hintergrund der Bühne, ist wieder hergestellt.
Das Sängerensemble bringt eine ordentliche Leistung auf die Bühne. Ein überzeugendes Rollendebüt hat der 23jährige Wolfgang Schwaiger (bzw. Wolfie wie er sich liebenswürdigerweise nennen lässt), der frisch von der Universität für Musik und Darstellende Kunst Wien als Papageno für den erkrankten Thomas Tatzl einspringt. Herausragend Claudia Rohrbach als Pamina, deren klare, kräftige Stimme mit gefühlvollem Kern den eigentlichen Zauber bringt. Beeindruckend die Leistungen der drei Knaben aus Dortmund! Andere Rollenbesetzungen fallen dagegen eher schwach aus, und auch das Orchester unter der Leitung von Will Humburg überzeugt erst in der zweiten Hälfte. Anlaufschwierigkeiten zu Beginn – Streicher, die davon laufen, Unstimmigkeiten zwischen Orchester und Sängern – sind spätestens in der fulminanten Schlussszene vergessen. Insbesondere hier glänzen die Musiker mit vollem Klang und einer Intensität, die Gänsehaut macht.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert