Das Theater Aachen entdeckt mit der romantisch-komischen Zauberoper „Alpenköng und Menschenfeind“ von Leo Blech in der ersten Saisonpremiere 22/23 eine bemerkenswerte Opern-Operette wieder und erweist einem Sohn der Stadt eine Reverenz!
(Premiere am 11. September 2022, Theater Aachen) Denn Leo Blech wurde 1871 in Aachen geboren, und war bis zu seinem Exil 1937 sogar Ehrenmitglied des dortigen Stadttheaters, was zu seinem 150. Jubiläum vor einem Jahr wieder eingerichtet worden ist. In Prag und Berlin macht Blech als Operndirigent Karriere. Und komponiert auch sieben Opern. Mit dem Alpenkönig und Menschenfeind – 1903 unter Ernst von Schuch in Dresden uraufgeführt und noch im selben Jahr in Prag unter Blechs Leitung ein weiteres mal aufgeführt – greift er sogar eine damals ziemlich berühmte Vorlage von Ferdinand Raimund auf, einem Dichter, der ebenso stark wie Johann Nestroy das Wiener Volkstheater geprägt hat. Ein Misanthrop namens Rappelkopf (nomen est omen) verfällt da einem Wahn, weswegen er seine Familie tyrannisiert. Mutter, Tochter nebst Schwiegersohn in spe und zwei Hausangestellte. Durch das Eingreifen des guten Alpengeistes, der den Tyrannen in der Familie vorführt, wird er geheilt.
Naturzauber, Humperdinck und Wagner…
Ein bisschen Schocktherapie, aber mehr Märchen, Komödie und Wunschdenken … Vor allem eine musikalisch faszinierende Schmelztiegel-Oper, die zwar keine progressiven musikalischen Ambitionen zeigt, dennoch typisch ist für eine Zeit, in der Neues auf alte Stile prallte und alles nebeneinander seine Berechtigung behaupten konnten. Szenisch und musikalisch ist die Begegnung des wütenden Menschenfeindes (wunderbar verkörpert von Paul Armin Edelmann) und dem Alpenkönig, seinem Alter Ego mit ebenso roten Haaren und Bart (Bariton Ronan Collet) ein Höhepunkt. Beide Männer stimmen Arien an, die an das Kunstlied denken lassen. Naturzauber und Waldweben im Orchester – man trifft sich ja am Berg – deuten dann auf Humperdinck hin, Blechs Lehrer, und Wagner, Blechs großes Vorbild. Mit allem Pathos, also musikalischem Blech, schließen die beiden Wildmänner ihren Pakt und küssen sich wild!
Die Oper ist auch Operette
Die Oper ist aber auch Operette, im Damenduett zu Anfang mit Martha und Lieschen (perfekter Operettenton ,aber leider etwas sprachunverständlich: Netta Or und Anne-Aurore Cachet), vor allem aber in der finalen Hausszene, wenn die beiden Hausangestellten eine Revue im Stile von „Du allein“ oder „Dir schlägt mein Herze zu!“ liefern. Inmitten der kunterbunten Komödie des finalen Akts, in der der Alpenkönig in der Gestalt Rappelkopfs die Familie malträtiert, bis der Beobachter Rappelkopf – als verkleideter Onkel aufgetaucht – eingreift, seine Heilung durch Selbsterkenntnis verkündet und sich alles im großen Schlusssextett in Wohlgefallen auflöst. Den dritten Akt haben Blech und sein Librettist Richard Blatka übrigens neu und von der stark gekürzten Vorlage abweichend hinzu gearbeitet.
Die Bühne bleibt in dieser kunterbunten Komödie zumeist schwarz. Alles konzentriert Regisseurin Ute M. Engelhardt auf die Figuren, die in bunten, für Rolle und Charakter anspielungsreichen, dennoch schlicht gehaltenen Kostümen auftreten (Bühne und Kostüme Henriette Hübschmann). Requisite ist einzig eine Art Thronsitz für den Haustyrannen, etwas Sandheide für die Trift am Berg, Papier-Schmetterlinge, eine Seidenblume für die Romantik, und es gibt eine seltsam unerklärliche Pferdefigur und Pferdeköpfe, mit denen wohl der Reitstadt Aachen mit ihrem Weltpferdeturnier CHIO gedacht wird.
Auch wenn es vor der Pause szenisch ein bisschen Leerlauf gibt und sich das Sinfonieorchester Aachen unter Christopher Ward in der Ouvertüre erst mal fangen muss, es fügt sich alles zu einem gelungenen Opernabend, für den sich die Öcher im fast ausverkauften Theater mit stehenden Ovationen bedanken. Der Alpenkönig tut in jeder Hinsicht ein sehr gutes Werk. Zuletzt: wer wünschte sich nicht sehnlichst mehr solcher Alpenkönige, um weltweit die Tyrannen von ihrer Wut auf andere zu heilen …
Ja, es war eine „schöne Musik“, um Christopher Ward zu zitieren, und eine gelungene Premiere!
Eine kleine Korrektur sei erlaubt: Die Oper wurde 1903 in Dresden unter Ernst von Schuch uraufgeführt, und dann später in Prag unter Leitung des Komponisten aufgeführt, mit dessen Frau Martha Frank in der Rolle der Marthe.
Und noch eine Kleinigkeit: Sollte der Tag nicht besser „Alpenkönig und Menschenfeind“ heißen?
Vielen Dank für Ihre Hinweise, Frau Lambrecht.
Wir haben den Text und den Tag entsprechend geändert.