Nur 100 waren es beim fulminanten Debüt Klaus Mäkeläs mit den Münchner Philharmonikern im Juni, dann wurden 200 zugelassen und nun sind es gerade mal an die 500 Besucher in der 2500 Hörer fassenden Philharmonie am Gasteig in München. Fraglich, dass dieses für die Riesenräume der Staatsoper und eben der Philharmonie geltende „Pilotprojekt“ fortgesetzt wird. Denn auch München hat, wie viele bayerische Großstädte, die als kritisch angesehene Marke von 50 Neuinfektionen innerhalb einer Woche pro 100.000 Einwohner bereits am Freitag gerissen. Was für ein schönes Zeichen konnten die Philharmoniker aber am vergangenen Wochenende, an dem das Oktoberfest begonnen hätte, in drei Konzerten mit Friedrich Guldas Cellokonzert setzen. Denn es ahmt im Finale eine bayerische Blaskapelle beim Oktoberfest richtig „kracherd“, wie man in Bayern sagt und damit täuschend echt nach.(Von Klaus Kalchschmid)
(20. September 2020, Gasteig, München) Das Konzert des österreichischen Pianisten und nicht nur musikalischen Querdenkers sieht nur ein paar Kontrabässe, aber jede Menge Blech vor. Dabei wildert es aufs Schönste und ohne Berührungsängste zwischen den verschiedensten Formen des Jazz mit ein paar Rock-Momenten gewürzt, bringt feinen Anklängen an Schubert (im Menuett scheint der langsame Satz aus dem späten Es-Dur-Trio durch) und erinnert an sentimentalische Wienerischer Volks- und Tanzmusik wie etwa dem Ländler. Kian Soltani ist dabei der ebenso technisch brillante wie ungemein leidenschaftliche und ausdrucksvolle Solist. Der Spross einer persischen Musikerfamilie ist in allen Stilen dieses so vielfältigen Konzerts für gerade mal 16 Musiker + Solist zuhause; seine unbändige Lust überträgt sich unmittelbar auf das Publikum.
Launig und auf Englisch
Während der Umbaupause für Beethovens Erste, für die 52 Instrumentalisten mit gebotenem Abstand das Podium füllen, plaudern in der Sonntags-Matinée Cellist und Dirigent launig auf Englisch, nicht ohne zu betonen, wie sehr sie sich freuen, wieder vor Publikum spielen zu dürfen. So wird auch Beethovens frühes Meisterwerk, 1799 vollendet, zum beglückenden Ereignis. Und das erneut, welch‘ eine Ironie, sechs Monate nach dem vorletzten Konzert in Münchens Philharmonie vor dem Lockdown. Am 9. März spielten die Wiener Philharmoniker unter Andris Nelsons die ersten drei Symphonien innerhalb ihres dann unvollendet bleibenden Beethoven-Zyklus.
Beethovens Erste in kleiner Besetzung mit Eleganz und Esprit
Wenn die Erinnerung nicht trügt, klingt nun alles weitaus weniger üppig und sämig klangvoll. Vielmehr spielen die Münchner unter Krzysztof Urbański in kleinerer Besetzung mit Eleganz und Esprit, aber auch mit viel Sinn für den feinen Witz, mit dem der 29-jährige Beethoven hier immer wieder tradierte Regeln unterläuft, so gleich zu Beginn mit einem Dominantseptakkord, der bis zum Ende der langsamen Einleitung die Haupttonart C-Dur verschleiern hilft oder dem wie unsicher tastenden Beginn des Finales, das dann nach Verzögerung umso agiler loslegt. Immer wieder hört man, wie schon beim jungen Beethoven viele seiner so charakteristischen Kompositionsprinzipien nicht nur in nuce vorhanden, sondern schon ausgereift sind. So passte das freche Gulda-Konzert wunderbar zur durchaus aufmüpfigen Beethoven-Symphonie und beide zusammen bilden ein zu Recht mit großem, langem Applaus bedachtes 75-minütiges Konzert ohne Pause.