Trio Catch lädt zum Träumen ein! – mit neuen Musik-Klängen und drei Uraufführungen!

Foto: Lennard Rühle
Foto: Lennard Rühle

Die Kölner Philharmonie und KölnMusik nehmen ihren Auftrag ernst, den Standort für Neue Musik in Köln zu untermauern. Drei Auftragskompositionen sind an diesem Abend aufgeführt worden. Und wie aus unkonventionellen Spieltechniken Klänge und Resonanzen erzeugt werden, die Raum zum Träumen geben, hat Trio Catch eindrucksvoll vorgeführt! In „Catch as Catch can“ sättigt der österreichische Komponist Georg Friedrich Haas seine Klangexperimente auch mal mit alptraumartigen Momenten. Die Serbin Milica Djordjevic schärft Dissonanzen in einer Unter-Wasser-Vision. Der Spanier Mikel Urquiza sorgt, inspiriert von einer gemalten Winterlandschaft, für Klangmalerei mit rhythmischen Patterns. Daher war er auch zuständig für die schmissige Zugabe, die Intendant Louwrens Langevoort fürs Ensemble nachbestellt hat. Ein dankbares Encore für einen Abend, der mit zwei Werken aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, von Prokofjew und Fauré, „historische“ Akzente gesetzt hat. (Von Sabine Weber)
(Kölner Philharmonie, 19. Februar 2019) Schade, dass ein solches Programm und diese Musikerinnen nicht mehr Publikum anlocken. Das untere Rund ist immerhin gut gefüllt. Mehr ist bei einem Kammermusikkonzert für Neue Musik in der Kölner Philharmonie derzeit nicht zu erwarten. Aber es liegt an diesem Abend eine besondere Stimmung über diesem Zirkel der offenen Musikhörerinnen und Hörer. Sie sitzen auch nahe dran. Und in der fünften Reihe durften wir den drei Hauptakteurinnen bei ihrer konzentrierten und hingebungsvollen Arbeit sozusagen ins Gesicht schauen. Mit welcher Ruhe sie ihren Instrumenten Sounds, Geräusche, Flirrendes und damit oft Ton-Schönes hervorlockten, ist wirklich erstaunlich. Immer wieder springt Pianistin Sun-Young Nam auf, um auch aus dem Flügelinneren Saiten zum Klingen oder zu besonderer Resonanz zu bringen. Und der Nachhall des Flügels ist an diesem Abend enorm. Liegt es daran, dass die drei Musikerinnen wie magisch die Zuhörer bannen? Die Klarinettistin Boglárka Pecze webt bruchlose Glissandi in den Raum. Cellistin Eva Boesch entlockt ihrem Instrument nicht nur irrlichterne Flageolett-Töne, sondern lässt sich mit der Klarinettistin immer wieder auf verrückte Duette ein. In einer Bicinie gleich am Anfang von „Catch as Catch can“, gleiten die beiden Melodieinstrumente mikrotonal verschoben, aber wie aneinander gekettet nach oben. Dabei erzeugen sie Schwebungen, die das Klavier mit einer Art „Klänge-Ostinato“ aus eingeworfenen Dreiklangsbrechungen – auch mal ein romantischer Dominantseptakkord! – oder samtenen impressionistischen Ganztonclustern unterstützen. Das hat etwas ungemein Konzentriertes, fast wie eine Etüde – oder eine Meditation. Bis das Klavier gewaltsam hineinrast. Wie ein Verbrecher, der ein Idyll erschüttert! Der Zuhörer zuckt erschreckt zusammen. Die Melodieinstrumente antworten mit aufgeschreckten Triller-Motiven, als wollten die Walküren ihren Ritt androhen. Boglárka Pecze, im schulterfreien langfließenden Kleid rechts, vom Publikum aus gesehen, wirkt in diesem Stück wie eine Hohepriesterin, flankiert von Bassetthorn und Bassklarinette. Und im Verlauf des Stücks greift sie zu dem immer tieferen Instrument. Diese Traumvision im Zentrum des Abends ist schon vom Titel her eine Verbeugung vor den drei Damen und ihren Fähigkeiten! Haas bietet ihnen auch exzellente Chancen an Klangmöglichkeiten, die bewunderungswürdig ausgekostet werden.
Eigentlich ist „Catch“, das Opus 4 von Thomas Adès ihr Taufname. 2010 hat sich dieses Trio aus der Internationalen Ensemble Modern Akademie heraus gegründet. Das IEMA ist eine exzellente Kaderschmiede, aus der schon einige Ensembles hervorgegangen sind. Wie die in Köln ansässige Manufaktur für aktuelle Musik. Das Trio Catch hat sein Publikum auch schon mit CD-Produktionen „gefangen!“, die für den Preis der Deutschen Schallplattenkritik nominiert wurden.
Dass sich aus einem Klangverständnis der Neuen Musik heraus freier und entfesselter interpretieren lässt, ist mit der “Ouvertüre über hebräische Themen” von Sergej Prokofjew zu erleben. Trio Catch bekommt Verstärkung von Tianwa Yangh und Júlia Pusker, Violine, und Máté Szücs, Viola. Die Mischung aus Trauermarsch – geführt von der Klarinette – und verzweifelt ausgelassenen jiddischen Tänzen – Tianwa Yangh fällt vor lauter Windungen fast vom Stuhl – rückt diese Fassung für Klarinette, zwei Violinen, Viola und Violoncello in die Nähe von originaler Klezmer-Musik. Und sofort ist Gustav Mahler präsent, der dieselben für diese Melodien typischen Juchzer schonmal in die Klarinettenstimme seiner Sinfonien legt.
Mikel Urquizas „Pièges de neige“ – „Schneefallen“ aus fünf Teilen ist Programm-Musik. Im ersten Stück „Köder“ belauern sich Motive um einen Zentralton. Im zweiten Stück „Schnee“ klingt die Klarinette wie Walgesang. Wer die mit Unterwassermikrofon aufgenommenen Sounds schon einmal gehört hat, weiß, was ich meine. Es wird mit Resonanz und nachhallenden Obertönen gespielt, als würden die Instrumentalisten wie Jäger auf das Opfer lauern. Im letzten Satz „Tauwetter“ wird die Erstarrung im Satz zuvor mit virtuosen Tonleitern aufgelöst. Unterhaltsam sind in diesem Stück die rhythmischen Patterns, die Urquiza immer wieder entstehen lässt, womit seine Musik etwas wohltuend körperliches bekommt. Das dritte Uraufführungsstück kommt von Milica Djordjevic. „Pod vodom raskršća snova“ bedeutet „Unter Wasser, Kreuzungen der Träume“. Und ist vielleicht das Stück mit den härtesten Reibungen des Abends. Das wird im Finale aufgefangen durch Gabriel Faurés Klaviertrio in d-moll Opus 120 – hier mit Klarinette interpretiert, das modal, dennoch erstaunlich modern, aber auch irritierend wirkt durch die vielen Unisoni zwischen Klarinette und Violoncello. Etwas verloren wirkt das Trio Catch in diesem Werk, das die Strukturen, so vorhanden, nicht genügend konturriert. Ein schöner Abschluss ist die rhythmisch spielerische Zugabe von Mikel Urquiza, die einen wunderbaren Abend abrundet.

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