Dem Philharmonie­architekten Peter Busmann wird zum 90. gratuliert. Mit Schubert in der Philharmonie

Greven Verlag Köln 2011

„Theorien haben mich nie interessiert. Nur Künstler!“, so Peter Busmann, der mit stoischer Überzeugung dafür gekämpft hat, dass der ursprünglich geplante Mehrzwecksaal des Museum Ludwigs Köln die neue Philharmoniebau im Herzen der Stadt wird. Heute nicht mehr auszudenken, was Köln ohne ihre Philharmonie wäre. Unter dem Titel „Im Herzen von Köln“ (Greven Verlag Köln) hat Busmann eine persönliche Dokumentation über die Entstehung dieses neuen Kulturraums in Köln herausgegeben. Sie enthält seine Zeichnungen und dokumentiert unter anderem auch den Kampf gegen das Tiefbauamt. 1986 ist die Kölner Philharmonie eingeweiht worden und bietet seitdem in ihrem amphitheatral gestalteten und durch eine Saalsonne erleuchteten Raum Musikdarbietungen ein unverwechselbares Forum. In diesem Jahr feiert Peter Busmann seinen 90. Geburtstag. Ebenso Vreneli Busmann, seit über 65 Jahren treue Wegbegleiterin an seiner Seite. Grund für Phiharmonie-Intendant Lowrens Langevoort, ihnen „in ihrem Haus“ ein Konzert zu schenken. Und Peter Busmann hat sich Schubert gewünscht. Als begeisterter Hobby-Cellist und Kammermusiker Streichquartette. Und hat vom Alinde Quartett als Höhepunkt des Konzerts sogar das Streichquintett in C-dur in einer berührenden Darbietung bekommen. (Von Sabine Weber)

(13. August 2023, Kölner Philharmonie) Im ersten Abokonzert der neuen Spielzeit wird also Peter Busmann gefeiert, der vor wenigen Wochen 90 Jahre alt geworden ist. Mit wenigen Gratulationsworten, und dem Hinweis, dass es ohne Busmann diese Philharmonie nicht gäbe, die aus dem Kölner Musikleben gar nicht mehr wegzudenken sei, löst Lowrens Langevoort stehende Ovationen aus. Neben ihm steht Vreneli Busmann. Die Schauspielerin erreicht in ein paar Wochen ein ebenso stolzes Alter. Ihnen überreicht der Intendant einen Blumenstrauß. Und das Publikum lässt es sich nicht nehmen, „Zum Geburtstag viel Glück“ anzustimmen. Und wieder einmal herrscht in dem mit zirka 400 Besuchern gefüllten Philharmoniesaal eine besondere Atmosphäre, wird doch für denjenigen Musik gemacht, dem wir den bis auf den heutigen Tag wie ein philharmonisches Juwel gehandelten Raum verdanken!

Schubert haben sich die Busmanns gewünscht

Schubert haben sich die Busmanns gewünscht. Und vom Alinde Quartett in erlesener Interpretation auch bekommen. Die vier jungen Musiker:innen haben sich nicht nur nach dem Schubertlied „Alinde“ benannt. Sie sind auf Schubert abonniert. Sie arbeiten an einer Gesamtaufnahme aller Quartette und lassen Kompositionsaufträge zeitgenössischer Komponisten einfließen, die sich auf Schubert beziehen. Ihr Projekt #Schubert200 soll zum 200. Todestag Schuberts 2028 abgeschlossen sein. Zwei CDs sind bereits bei hänssler Classic erschienen.

Dazu auch neue Musik von Stefan Johannes Hanke

Im heutigen Konzert ergänzen die Fever Sketches von Stefan Johannes Hanke Schubert, die auch schon aufgenommen sind. Hankes Kinderoper Der Teufel mit den drei goldenen Haaren wird in der Kölner Oper in dieser Spielzeit wieder aufgenommen wird. Sein neues Werk für Alinde ist eingebettet zwischen dem frühen Streichquartett in Es-dur op. posthum 125,1 von 1813 und dem großen Quintett für zwei Violinen, Viola und zwei Violoncelli C-dur op. posth. 163 aus Schuberts Todesjahr 1828.

Alles klingt leich, vor allem nie forciert und ist dennoch spannungsgeladen

Gleich im Eröffnungsallegro des Es-Dur Quartetts wird der Anspruch hörbar, den die drei jungen Musiker mit Primaria Eugenia Ottaviano an sich stellen. Die drei kokett nachschlagenden Noten des Vorder- und Nachsatzes im ersten Thema werden delikat und akkurat im pianissimo staccatiert, bei der Wiederholung von der ersten Violine dann impulsiv umspielt, bis nach einer Überleitung ein schubertisch melodisches Thema seine Flügel ausspannt. Vibrato wird sparsam verwendet, allenfalls als Verzierung eingesetzt. Im schnellen Satz wird dann wieder ein nachklappernder Ton mit Witz und Augenzwinkern serviert. Alles klingt leicht, nie forciert dennoch spannungsgeladen und klangvoll, bis im Trio die Stimmung in moll abrutscht und mit Bordunquinten im Violoncello der Der Leiermann aus der Winterreise vorweggenommen wird.

Mit Verve und Glissandogeste

Hankes Fever Sketches beginnen mit ungemein homorhythmischer Verve. Gleich nach den ersten Takten fliegen die Bogenhaare der beiden Violinenbögen. Mit Akzenten, Gegenrhythmen und übermäßigen Intervallen in der Melodie klingt es nach Bartok. Später wie ein aus den Fugen geratenes Tango Nuevo Stück. Auch die dafür typischen Glissandi-Kaskaden sind da, bis die Bewegung in eine stampfend schleppende Prozession mündet und im dritten Abschnitt in ein vivacissimo ausbricht, das mit einer Glissandogeste nach oben theatral mit Bögen in der Luft endet.

Das C-dur Streichquintett

Nach der Pause dann Schuberts spätes C-dur Streichquintett. Warum Schubert zwei Celli, statt wie bisher üblich zwei Bratschen verlangt, darüber wird bis heute gerätselt. Cellistin Clara Pouvreau ergänzt das Ensemble, benutzt im Gegensatz zu allen anderen aber Dauervibrato, was beim zweiten Cello klanglich nicht so ins Gewicht fällt. Die Celli sitzen in der Mitte, Bratsche rechts und die beiden Violinen links.

Eine Ansprache des Bratschisten

Mit einer kleinen Ansprache in gutem Deutsch amüsiert Bratschist Federico Bresciani zuvor das Publikum. Die Alindes seien wie eine Familie, die Violinen auch im echten Leben ein Paar, der Cellist ein Bruder, beziehungsweise Schwager. Aber es bliebe dennoch schwierig, eine emotional klare Botschaft beim Musizieren zu formulieren. Auf lustig, fröhlich, traurig könne man sich ja schnell einigen. Aber stimme dann auch beim Spielen das Gefühl in den einzelnen Mitspielern überein? Da hülfe wohl manchmal ein guter Wein, wie zuletzt eine Flasche Barolo Jahrgang 2013 und ein gemeinsames Abendessen, für das man sich nur auf Fisch oder Fleisch einigen musste. In Schuberts Welt gibt es natürlich kein Schwarz oder Weiß. Auch E-dur könne traurig klingen. Das Quintett sei jedenfalls ein Geschenk an die Menschheit, und man solle dieses anspruchsvolle Werk nie das erste Mal spielen. Die Kölner hätten Glück, die Alindes haben es schon vorher gespielt.

Himmelwärts verklärende Momente neben Ausbrüchen

Technisch und musikalisch ist es eines der anspruchsvollsten Kammermusikwerke Schuberts, das schon mit den ersten geheimnisvoll aufscheinenden Tönen etwas rührig Bittendes anklingen lässt, noch mehr in der Wiederholung, wenn dann die Celli gemeinsam hinein grummeln. Dann trotziges Aufbegehren im ersten Thema und bald schon der Schubertsche Wandererrhythmus (kurz, kurz, lang). Verharrende Sehnsucht und Ruhelosigkeit in einem. Himmelwärts verklärende Momente neben Ausbrüchen. Die Mediation im zweiten Satz ist eine geradezu heilige Bitte. Bei keinem Komponisten gehen die Quartvorhalte ohne kitschig zu werden so zu Herzen. Im Scherzo streicht es zur Jagd, bis ein Stillstand mit unerhörter Spannung den Atem aussetzt. Immer wieder überrascht Schubert mit mediantischen Rückungen. Ein letztes trotziges Allegretto mit trabenden Tönen ruft ein „noch nicht! Ich will nicht“ aus. Und dann ist man doch am Ende eines begeisterten Kammermusikkonzerts, in dem ein junges Streichquartett die emotionale Welt Schuberts so natürlich und doch in die Tiefe gehend ausgelotet.

Peter Busmann bei der Finissage der Dani Karavan-Ausstellung. Foto: Raimond Spekking (Wiki Commons)
Der Amateur-Cellist Busmann ist gerührt

Das muss das Jubiläumspaar Peter und Vreneli Busmann erfreut haben. Zumal Peter Busmann hinter her bei einem Empfang verrät, früher die zweite Cellostimme aus diesem Quintett schon gespielt zu haben. Auf die weiteren Schubert-Aufnahmen des Alinde Quartetts darf man wirklich gespannt sein. Mit einer kleinen Zugabe, einer Komposition des Cellisten über das Alinde-Lied runden die vier Musiker ihr Konzert ab.

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