Zerbrechliche Eleganz! Das Quatuor Ardeo leuchtet Schubert und George Crumb auf seiner neuen CD „XIII” berückend schön aus

Zerbrechliche Eleganz! Das französische Quatuor Ardeo leuchtet Schubert und George Crumb auf seiner neuen CD "XIII" berückend schön aus!

Ardeo, lateinisch, bedeutet „ich brenne“! Allerdings verbrennt sich hier niemand. Im Gegenteil. Die vier französischen Streicherinnen setzen auf einen unerhört intimen, zum Teil fein versponnenen Klang. Auf Aufwallung und Ausbrüche wird dabei keinesfalls verzichtet. Extreme Klangregister werden in George Crumbs berühmten Streichquartett „Black Angels“ gezogen. Dieses Werk steht im Fokus der neuen CD unter dem Titel „XIII”. Der Klang bleibt in gewisser Weise selbst dann noch elegant wenn es kratzt, quietscht und in den höchsten Tönen deliriert. Ausgerufen wird sogar oder laut gezählt (auf Deutsch) oder auf ein chinesisches Tamtam gehauen. Der verstörend fahle, ungemein berührende Streichersound ist es dann, der die Nähe zwischen Crumb und Schubert kreiert. Vielleicht, weil er ein Gefühl für das, was unser Unterbewusstsein anspricht vermittelt? Das klangschöne Pianissimo macht keiner diesen exzellenten Musikerinnen jedenfalls so schnell nach. (Von Sabine Weber)

Quatuor Ardeo. Foto: Franziska Strauss

(CD-Veröffentlichung September 2020 beim Label KLARTHE) Die zerbrechliche Eleganz ihres Gesamtklanges ist einfach umwerfend! Von der ersten Minute schlägt ein fahl-verstörender Grundton auf dieser CD einen in den Bann. Das Quatuor Ardeo beginnt mit der Einleitung zu Hor ch’l ciel e la terra e’l vento tace – aus Claudio Monteverdis berühmtem achten Madrigalbuch. Wie die vier Streicherinnen das im Original homophon gesetzte psalmodierende Hauchen von sechs, hier auf vier Streicherinnen verteilte, Stimmen ohne Wort zelebrieren, lässt den Atem gleich stillstehen. So, wie laut Petrarcas Text der Wind stillsteht, damit die Welt lausche. Und schon fließt Franz Schuberts Rosamunde-Quartett. Über einer unruhig bewegten Begleitung entwickelt sich eine melancholische zurückhaltende Weise. Der erste Satz erinnert  an Gretchen am Spinnrade. „Meine Ruh‘ ist hin…!“ Wirklich?

Wie die vier exzellenten Streicherinnen in jedem Moment auf Augenhöhe musizieren, ist berückend. Sie verstehen sich unüberhörbar als Kollektiv ohne Primaria. Auch das Violoncello gibt mal den Ton an und schleift forsch das Ganztonmotiv im dritten Satz immer wieder an. Die vier Französinnen imitieren sogar im Ländler ziemlich perfekt den Musette-Klang. Es gibt wienerische Glissando-Schleifer in den Violinen. Alles stimmig ausgedeutet. Und die nachfolgende Chaconne – nach einer Pavane – von Henry Purcell klingt wie ein Gambenconsort und endet mit einem atemberaubenden Decrescendo. Der Zuhörer ist beim Ermüden und Sterben von Klängen im Hören physisch unmittelbar ergriffen! Das ist ein Hören, das nach innen geht! Purcell ist übrigens im Programm, weil George Crumb in zwei Sätzen (6. und 8. Satz) mit Pavane-artigen Klängen an Purcell (und an Schubert) erinnert. Es gibt von Crumb auch die Spielanweisung: soll wie ein Gambenconsort klingen!

Magie kommt ins Spiel, wenn Glocken läuten und der Tod tanzt

Im Zentrum dieser neuen Aufnahme des Quatuor Ardeo steht dessen berühmte Streichquartett-Komposition Black Angels. Crumb ist mit seinen Klängen immer dem Unterbewussten, Geheimnisvollen auf der Spur. Er huldigt der Nacht, dem Mond oder lauscht dem Gesang der Wale, um sie in Musik zu übersetzen. Mit Black Angels hat der aus West Virginia stammende inzwischen 91jährige Komponist allerdings keine Naturmagie, sondern Schatten- und Gegenbilder vor Augen. „Thirteen images from the Dark Land“ – „13 Bilder aus einem dunklen Land“ entwirft er 1970 mit Blick auf eine kriegsversehrte Welt. Aus Sicht des US Amerikaners damals wohl der Vietnamkrieg. „Dinge, die verkehrt herum seien, Schreckliches, das in der Luft läge und sich in schwarzen Engeln seinen Weg bahne“, so umschreibt das Crumb später noch einmal im Rückblick auf den 13teiligen Zyklus, den er bezeichnender Weise an einem Freitag, den 13. März 1970 fertigstellt hat. Magie bleibt im Spiel, wenn Glocken läuten, der Tod tanzt, und nächtliche Insekten elektrisieren, weil die schwarzen Engel in der Luft sind.

Auch wenn vieles um Tod und Zerbrechlichkeit kreist, diese CD wäre eine perfekte Geschenkidee unterm Weihnachtsbaum

„XIII” – Dreizehn – liefert klingt enigmatisch, liefert als magische Zahl aber nicht von ungefähr den Titel für das fein durchdachte Programm von Carole Petitdemange und Mi-Sa Yang, Violinen, Yuko Hara, Viola, und Joëlle Martinez, Violoncello. Das hier ausgewählte Rosamunde-Quartett ist übrigens das 13. von insgesamt 15 Streichquartetten Schuberts. Und wenn Crumb eigentlich das Thema des Variationsatzes aus Schuberts 14. Streichquartett Der Tod und das Mädchen zitiert, spürt das Quatuor Ardeo lieber tiefe Verbindungen zwischen Crumb und der subtilen Klangwelt des Rosamunde-Quartetts auf. Im dritten Satz – den das Violoncello wie oben erwähnt markant beginnt – tauchen auch Motiven aus Schuberts Lied Die Götter Griechenlands auf. Mit diesem Lied als Streichquartett gesetzt vollendet das Quatuor Ardeo einen großer Bogen auf dieser neuen CD und einen großen Wurf. Das Tod-und-das-Mädchen-Thema wird übrigens vor Crumbs Black Angels im Original angespielt und ins Gedächtnis gerufen. Auch wenn vieles um den Tod, um Zerbrechlichkeit kreist, diese CD ist wunderbar und auch ohne thematische Anbindung an Weihnachten wäre sie ein perfekte Geschenkidee für den Musikliebhaber unterm Weihnachtsbaum.

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