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Kölns „Orlando“ – ein die Ohren streichelndes Gesangsfest!

(Titelbild: Xavier Sabata als Orlando. Foto: Matthias Jung) Zufall, dass die letzten Premieren am Theater Bonn und in Köln im Abstand von weniger als einer Woche zwei Händel-Opern gelten, die im selben Jahr entstanden sind und auf Ludovico Ariosts über 100 Jahre alten Epos „Orlando furioso“ basieren? Kommt die Hauptfigur in der „Alcina“ gar nicht vor, so steht sie in „Orlando“ im Mittelpunkt. (Von Sabine Weber) Kölns „Orlando“ – ein die Ohren streichelndes Gesangsfest! weiterlesen

Steht das Böse am Anfang der Menschheitsgeschichte? Zum 75. Jahrestag der Befreiung von Auschwitz – heute – wirft sich die Frage auf. Dietrich Hilsdorf hat den Brudermord von Kain an Abel von Alessandro Scarlatti für Essen am Wochenende inszeniert. Bei ihm lautet das Problem allerdings nicht Mensch sondern Gott!

(25. Janaur 2020, Aalto Theater, Essen) „Der erste Mord“ hat Alessandro Scarlatti 1707 über sein Oratorium gesetzt. „Il primo omicidio – overo Cain“ im Italienischen. Der Mord Kains an seinem jüngeren Bruder Abel ist die erste biblische Gewalttat eines Menschen gegen einen Menschen. Also genug Drama für eine Oper! Dietrich Hilsdorf und sein Bühnenbildner Dieter Richter machen aus Scarlattis Oratorium für das Aalto-Theater eine Versuchsanordnung in einem geschlossenen Raum. Gott und der Teufel sind die Spieler. Adam und Eva, Kain und Abel ihre Wettgegenstände. Ein großartiges Sängerensemble belebt diese Versuchsanordnung in einem geschwungenen, etwas abgetakelten Barocksalon mit blinden Spiegeln über dem Kamin. Sie sitzen am Tisch in der Bühnenmitte oder an kleinen Tischchen da parte und gestalten die eigentlich etwas stereotoype Rezitativ-Arienabfolge zu einem berührenden Seelenkaleidoskop. Abgesehen von einigen kleinen Wacklern und Ungenauigkeiten zu Anfang im hochgefahrenen Orchestergraben werden sie von den informiert aufspielenden Essener Philharmonikern (zwei Blockflöten sind dabei) unter Rubén Dubrovsky farbig und intensiv begleitet. Im Continuo mit Erzlaute, Cembalo, Orgelpositiv und, für den Teufel seit Monteverdis Unterweltzeiten ein Muss, einem schnarrenden Regal. Zwei Countertenöre, Philipp Mathmann als ätherischer Abel, Xavier Sabata als herrschsüchtiger Gott und mit einer wunderbar sprachbetont ausgeformten Tongebung,

Philipp Mathmann (Abel), Xavier Sabata (Gott). Foto: Matthias Jung

sind die Lobby gegen den Teufel, Bassist Baurzhan Anderzhanov, zunächst als gefährliche

Xavier Sabata (Gott), Dmitry Ivanchey (Adam), Baurzhan Anderzhanov (Teufel). Foto: Matthias Jung

Liebschaftsdame verkleidet, und Kain, ebenfalls eine Kastratenpartie und die interessanteste Rolle, hier von Mezzo Bettina Ranch großartig gespielt und gesungen. Nicola Reichert lässt die Paarbildungen schon in ihren stilistisch am 18. Jahrhundert historisch orientierten Kostümen erkennen. Adam, Dmitry Ivanchey, und Eva, Tamara Banješević, tragen grau-lila, die kirchlichen Todes-und-Fastenzeitfarben, während Abel und Gott in hell-beige-Gold glänzen. Zweieinhalb Stunden trägt die Inszenierung, die trotz einiger Brüche einen großen Bogen spannt. Die Begeisterungsstürme sind verdient, hat man nach einer Aalto-Premiere auch noch selten so erlebt. Hier gibt es ein begeistertes Publikum für Barockoper! Vor der Premiere habe ich mich mit Dietrich Hilsdorf getroffen, um zu erfahren, wie er auf dieses Barockoratorium gekommen ist und was seine Sicht auf das Böse in diesem Stück prägt. (Das Interview führt Sabine Weber)

Steht das Böse am Anfang der Menschheitsgeschichte? Zum 75. Jahrestag der Befreiung von Auschwitz – heute – wirft sich die Frage auf. Dietrich Hilsdorf hat den Brudermord von Kain an Abel von Alessandro Scarlatti für Essen am Wochenende inszeniert. Bei ihm lautet das Problem allerdings nicht Mensch sondern Gott! weiterlesen