Strahlende Gesangslinien – Josquin Capella eröffnet den Romanischen Sommer in Köln mit Musik aus der Cappella Sistina

Der Romanische Sommer in Köln ist seit seiner Gründung 1988 einzigartig geblieben, füllt das Festival doch die Romanischen Kirchen mit Musik und verschmilzt so Raum, Zeit und Klang zu Gesamtkunstwerken. Das Auftaktkonzert mit der Josquin Capella unter Meinolf Brüser berauscht mit Renaissance-Gesang, der schon die Sixtinische Kapelle „erleuchtet“ hat. In Sankt Ursula sieht die Kirchenheilige umringt von ihren Jungfrauen auf einem Chorraumfenster zu. (Von Sabine Weber)

(11. Juni 2023, Sankt Ursula, Köln) Von Rom in alle Welt – Musik der Cappella Sistina überschreibt Meinolf Brüser sein Programm und stellt das sechsstimmige Stabat mater dolorosa Josquin Desprez’, Namensgeber seines Ensembles, in die Programmmitte. Josquin war eines der berühmtesten Mitglieder der päpstlichen Kapelle. Jacques Arcadelt auch, weil seine weltliche Musik Geschichte geschrieben hat. Ebenso Guillaume Dufay, der zu den Begründern der franko-flämischen Tradition zählt.

Steht die Gottesmutter bei den patriarchalischen Katholen und daher auch bei den sixtinischen Vokalkomponisten hoch im Kurs, so im Vatikan auch die Klagelieder des Jeremia. Die Lamentationes Hieremiae Prophetae von Costanzo Festa sind Kernrepertoire der Josquin Capella.

Modale Welten

Die Melodien all dieser Werke folgen anderen Gesetzlichkeiten, als wir sie von unserer Dur-Moll-Tonalität gewohnt sind. Trauriges ist in dieser modalen Welt nicht gleich „Moll“. Das macht die schwebenden Linien so faszinierend. Scheinbar unsangliche Soggetti, Themen, fordern nicht zuletzt durch Wiederholung in allen Stimmen Bedeutung. Das musikalische Geschehen saugt immer wieder Antriebskraft auf, wird durch eine Bassstimme abgerundet, die aber noch nicht Orientierungsfundament ist wie zu späteren Zeiten.

Axelle Bernage, Sopran, Paul Kirby, Will Frost, Tenor, Raitis Grigalis, Guido Heidloff Herzig, Bartion, Joel Frederiksen, Bass, Meinolf Brüser, Leitung . Foto: Reinhard Doubrawa

Alle Sänger und eine Sängerin der Josquin Capella verschmelzen grandios im Ensembleklang

Alles spinnt sich mirakulös weiter oder türmt sich gewaltig auf wie die Säulen rechts und links. Dabei in die Chorfenster zu blicken, aus denen auch die heilige Ursula mildscheinend blickt, neben den Heiligen Drei Königen und Stankt Gereon Kölner Stadtpatronin, vollendet das Gesamtkunstwerkerlebnis. Die sechs Solisten der Josquin Capella singen jeweils solistisch und sind daher durch hörbar. Bassist Joel Frederiksen ist vielleicht der bekannteste, weil er auch als Solist mit Laute und Theorbe mit barockem Repertoire unterwegs ist. Alle Sänger und eine Sängerin für die oberste Stimme – nicht ganz korrekt, denn in Rom waren weibliche Solisten nicht erlaubt, was soll’s – verschmelzen grandios im Ensembleklang. Ob drei-, vier-, fünf oder sechsstimmig.

Jurist und Musiker Meinolf Brüser – eine Doppelbegabung

Meinolf Brüser steht davor und dirigiert – was eigentlich nicht nötig sein müsste. Aber er ist Spiritus Rector dieser Performance und Gründer der Josquin Capella, die 1994 er in Basel mit Studenten aus der dortigen Schola Cantorum, aber auch Kölner Sängern aus der Taufe hebt. Meinolf Brüser ist ein Unikat, und wäre er nicht so ein ruhiger Mensch, man müsste ihn fanatisch nennen. Er hat in Köln Jura studiert, ist Richter in Berlin, parallel dazu aber immer auch noch leidenschaftlicher Kirchenmusiker und Chorleiter gewesen, und ist inzwischen auch als Musikwissenschaftler promoviert. In Köln hat er zuletzt die Missa Solennis von Ioannes Cuisean aufgeführt, die von dem Kölner Kirchenmusiker Burkhard Bader wieder aufgefunden wurde. Dass er den ersten Platz im Romanischen Sommer füllt ist in jeder Hinsicht berechtigt.

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