Mit Alpenglühen und Wolfgangsee! Das „Weiße Rössl“ toppt die NRW-Operettenliga der Saison. Das Dortmunder Opernhaus ist so gut wie ausverkauft, selbst wenn der Fußball ruft!

Operette arbeitet derzeit mächtig an Ihrem Ruf! Wer in Dortmund in‘s „Weiße Rössl“ einkehrt, wird staunen, wie Operette zum Lachen sein kann. Mit schmissig großartig arrangierten Tanz- und Gesangshits, die alles andere als oberflächlich daher kommen. Weil die Dialoge witzig sind, mit auch tagesaktuellen Pointen wohldosiert umgegangen wird, das Handlungstempo eminent und bestens besetzte Typen ihr Spiel in geschmackvoll geschneiderten Kleidern, Dirndl und Lederhose vor gemalter Bergkulisse treiben, die immer wieder herrlich kitschig anders glüht! Die aufs Korn genommenen Touristen, die in das Salzkammergut und in die Gaststätte zum Weißen Rössl am Wolfgangsee mit Sonderwünschen auflaufen, gibt es „hundertzentig“ noch heute, nur nicht so charmant kreativ gestylt auf die 1920er anspielend wie in Dortmund! (Von Sabine Weber)

Leopold (Matthias Störmer) umringt von Touristen, die im Weißen Rössl am Wolfgangsee ankommen. Foto: Oper Dortmund

(24. Januar 2020, Oper Dortmund) Und in Dortmund ist nicht nur Bühnen- und Kostümbildner Toto, langjähriger Arbeitskollege des Regisseurs Thomas Enzinger, der wiederum Mitbegründer eines deutschen Operettenfestivals ist, am Start, sondern in jeder Hinsicht eine perfekte Operettencrew! In Dortmund wird Operette ernst genommen. Seit Jahrzehnten kümmert sich das Team Henning Hagedorn und Matthias Grimminger, letzterer Bassklarinettist der Dortmunder Philharmoniker, mit ihren Arrangements um die Wiederentdeckung von Operettenkomponisten. Zusammen mit Winfried Fechner, dem ehemaligen Chef vom WDR Funkhausorchester und leidenschaftlicher Operettenspezialist, haben sie die bühnenpraktische Rekonstruktion der Rössl-Originalfassung von 1930 erarbeitet. Die sei nämlich eine frechere und jazzige Fassung als die gängige von 1951. Die Lieder von Ralph Benatzky (Text Robert Gilbert) hat Eduard Künnecke für großes Orchester instrumentiert. Und es wurden noch ein paar damalige Hits hinzugefügt. Diese Original-Fassung lagert im Fundus der Staatsoperette in Dresden. Die Staatsoperette ist ein bemerkenswertes Haus, untergebracht im ehemaligen Kraftwerk-Mitte, das sogar neue Operetten in Auftrag gibt und uraufführt, aber eben auch so etwas wie die Operetten-DNA im Repertoire ist! Das Theater Dortmund hat sich also für diese historisch informierte Operetten-Aufführungspraxis gewappnet. Aber gäbe es nicht das aus Sängern, Schauspielern und Tänzern perfekt zusammengesetzte Ensemble, alle Vorbereitungs-Mühe würde nicht zum Ziel geführt haben. Schauspieler Steffen Schortie Scheumann als Berliner Hosenfabrikant Giesecke bringt als herrlich nörgelnder Heinz-Rühmann-Ekel-Alfred-Berliner „Der Müggelsee ist mir lieber“ das Publikum bald schon nur bei seinem Erscheinen zum Lachen. Rechtsanwalt Siedler ist mit Fritz Steinbacher besetzt, Tenor und Karlheinz Böhm-Typ, der Gieseckes Tochter Ottilie anbaggert, obwohl er anwaltsmäßig die Gegenpartei von Giesecke vertritt. Mit „Mein Liebeslied muss ein Walzer sein“ oder dem

Ottilie (Giulia Monanari) und Dr. Otto Siedler (Fritz Steinbacher). Foto: Oper Dortmund
Johanna Schoppa als Dirndl-Rapperin und Leopold (Matthias Störmer). Foto: Oper Dortmund

Foxtrotthit „Die ganze Welt ist himmelblau“ leistet er ganze Überzeugungsarbeit. Morgan Moody als Angeber-Sigismund bandelt mit der lispelnden Klärchen, Karen Müller vom Tanzensemble an, die bereits in der Choreographie von Ramesh Nair mit dem Tanzensemble Schuhplatteln und Stepptanz kombiniert hat! Mezzo Johanna Schoppa ist Pausenclown als rappende Dirndlwucht, mal brachial, mal witzig fährt sie dazwischen. Vor allem aber singt und spielt sich der wendige Zahlkellner Leopold, alias Matthias Störmer als gebürtiger Kärntner und waschechter Österreicher in die Herzen der Dortmunder. „Bittschön, sofort!“ wirbt er unermüdlich einen Tick zu frech aber super sympathisch um die Rössl-Wirtin. Die ist mit Irina Simmes optisch hinreißend besetzt. Auch wenn sie stimmlich bereits im jugendlich-dramatischen Fach unterwegs ist, hier schwimmt sie sich spielerisch mal im Operettenmetier frei. Der patriotische Auftritt Kaiser Franz Josephs mit Ks Hannes Brock nimmt spöttelnd Zeremoniell und Obrigkeitsducker aufs Korn, von Leopold durch Sprachverwirrungen auf die Spitze getrieben. Ein vom Kaiser melodramatisch vorgetragener Eintrag in das Weiße Rössl Gästebuch „’s ist einmal im Leben so, allen geht es ebenso, was man möcht’ so gern, ist so fern“ lässt die Wirtin endlich zu Leopold finden! Ende gut alles gut – es gibt zum Schluss dreifache Paarbildung! Und die wird ordentlich mit dem „Laßt uns Champus trinken mit lächelndem Gesicht“ – Chorfinale gefeiert! Und nach mächtigem Applaus noch einmal angesetzt. Beschwingt bewegt sich das Publikum hinaus, das nicht ausgeblieben ist, obwohl an diesem Abend im Westfalen-Stadion Dortmund gegen Köln gespielt hat. Die Kölner, die sich für die Operette entschieden haben, sind sicherlich besser gelaunt nach Hause gefahren als die Stadion-Besucher!