Konzerte im Stundentakt in immer neuem Licht beenden den Romanischen Sommer in Köln!

Sankt Maria im Kapitol in der Kölner Romanischen Nacht in besonderen Farben ausgeleuchtet!
Sankt Maria im Kapitol in der Romanischen Nacht. Foto: Hanna Liebig

Ist doch schön, dass es ein Festival gibt, das immer wieder an gleicher Stelle begeistert. Die Kölner sind traditionsbewusst. Der „Romanische Sommer“ wurde in den 1980ern gegründet, um die Aufmerksamkeit auf die wiederaufgebauten romanischen Kirchen zu lenken. Seitdem gibt es den „Romanischen Sommer” mit dem Höhepunkt der „Romanischen Nacht” am letzten Tag. Laut diesjährigem Motto „O Ewigkeit“ wünscht man ewiges Bestehen! (Von Sabine Weber)

Gelungener Mixt aus Alter Musik, Romantik, Moderne und Weltmusik

(7. Juni 2024, Sankt Maria im Kapitol, Köln) Auch dieses Jahr ist der sechste Tag, die „Romanischen Nacht“ immer Freitagabend in Sankt Maria im Kapitol das Finale. Die blühenden Rosen im Hof des Kreuzgangs samt dem liebevoll angebotenen Catering sind gleich zu Beginn die perfekte Begrüßung. Quasi die Aufforderung, die Welt außen vor zu lassen und sich auf den Kirchenraum mit Musik einzulassen. Die fünf Konzerte der Romanischen Nacht im Stundentakt präsentieren auch einen gelungenen Mixt aus Alter Musik, Romantik, Moderne und Weltmusik. Dieses Jahr, wie war es eigentlich im letzten?, wandern die Konzerte allerdings nicht um den berühmten Lettner herum mit der Orgel oben auf. Sie finden nur im Hochaltar statt. Das Publikum sitzt also zwischen Lettner und Hochaltar, nur in einem Viertel der Kirche, wo mächtige Säulen von der Seite schon den Blick eindämmen können. Doch was soll’s, egal aus welchem Winkel, es gibt immer irgend einen Durchblick, wenn der Kopf gehoben und der Blick mit stimmungsvoll eingeblendete Lichtfarben durch die Kuppeln, Bögen und Kapitelle schweift.

Der Bonner Kammerchor unter Georg Hage begeistert in gelbem Lichschein im Hochaltar in der Romanischen Nacht
Georg Hage und Bonner Kammerchor. Foto: Hanna Liebig

Das erste der fünf Stundenkonzerte ist gleich der Höhepunkt der Romanischen Nacht. Die a-capella Messe für Doppelchor von Frank Martin. Der Bonner Kammerchor unter Georg Hage präsentiert eine Rarität. Der Schweizer und Calvinist Martin hat diese Messe, seine einzige, jahrzehntelang unter Verschluss gehalten, weil die Musik angeblich nur ihn und Gott etwas anginge. Die Klangwelt hat etwas mystisches, allein durch die kirchentonal eingefärbte Stimmung, auch archaisches, zugleich impressionistisches, und doch wieder nichts von allem. Die katholische Liturgie hebt mit den Frauen an, hebt sich in Anrufungen, bis die Männer grundieren. Die Klänge schweben, winden sich durch den Raum, glasklar artikuliert, schwingen im Dreiertakt. Es wird deklamiert, insistiert, gesteigert. Beispielsweise auf die Worte „Deum de Deo, lumen de lumine“ bis ins fortissimo. Dann drückt Frank Martin auf die Worte „passus und sepultus est“ den Tod mit Stillstand in einer tiefen gedämpften Lage aus. Georg Hage gestaltet jeden Moment entsprechend der auslösenden lateinischen Worte und überlässt nichts dem Zufall. Beeindruckend ist diese selten aufgeführte Musik, mit der Frank Martin als ehemaliger Kompositionsprofessor an der Kölner Musikhochschule geehrt wurde.

Das Minguet Quartett

Luigi Nonos Streichquartett Fragment – Stille, An Diotima steigerte noch einmal die Intensität, obwohl im Charakter grundverschieden. Statt geführter Linien jetzt durchbrochene Gesten. Und fiel bei Martin eine zum Hochaltar blickende, knieende und betende Stifterfigur an einer linken Säule auf, so jetzt die durchbrochenen gotischen Steinfenster um den Hochaltar herum. So klingt Nono. Fragmentarisch, durchlöchert, zerrissen, durchbrochen. Das Minguet Quartett schafft es dennoch, die Klanggesten zum Sprechen zu bringen, sie unter Bögen zu fassen, Phrasen zu entwickeln, obwohl Nono nie voll sonoren Klang erlaubt. Lieber lässt er vor dem Steg, auf dem Griffbrett oder Flageoletttöne streichen. Den Bogen springen. Aber konzis und präzis bringen die vier Spieler die Gesten zusammen und plötzliche Dur-Klänge oder durchgezogene Töne erstaunen dann, noch mehr die fast 40 Minuten lange und ungeheure Konzentrationsleistung des Minguet, und das Publikum geht mit.

Terry Wey, Achim Schulz, Tore Denys, Tim Whiteley, Ulfried Staber. Foto: Hanna Liebig

Die flämische Vokalpolyphonie erfüllt danach die Romanische Nacht, ebenso Expertenrepertoire aber klingt nach Nono fast „normal“. Aber nein. Ganz schlank und austariert führen die drei bis fünf Solisten die schwebenden Linien durchstrukturiert zusammen. Die nach einer eigenen dreistimmigen Chanson Se la face ay pale von Guillaume Dufay zum Cantus Firmus einer vierstimmigen Messen vertont, ist ein erster zyklischer Höhepunkt der musikalischen Renaissance und ein Höhepunkt. Mehrere Sätze aus der Messe füllen die gewaltige Kirche, deren Hochaltar rot ausgeleuchtet ist. Countertenor Terry Wey, die Tenöre Achim Schulz und Tore Denys, sowie Tim Whiteley, Bariton und Ulfried Staber Bass mischen sich absolut homophon, ohne dass eine Stimme je heraus fiele.

Die jazzige Muse im vorletzten Konzert

Bach to the roots nennt das Ensemble Uwaga, Ausrufungszeichen, seinen Beitrag. Zwei Geiger, beziehungsweise einer auch Bratsche, ein Akkordeonist und ein Bassist unterziehen Bach einem Balkanjazzmanöver. Aber mit der Tenorarie aus der Johannespassion scheinen sie nicht so recht was anfangen zu können. Der Bassist klingt verschwommen breiig, sodass die Läufe nicht zu differenzieren und undeutlich bleiben, er spielt permanent off-beat. Die beiden Geiger versuchen es mit Virtuosität, die oftmals abbricht, als ginge es nicht weiter. Der Akkordeonspieler bleibt bis auf Soli kaum zu hören. Der Choral von Haupt voll Blut und Wunden oder die Air der Orchestersuite in C-dur sind allseits bekannt, und das Publikum zeigt sich nach den beiden vorigen gestrengen Darbietungen von der jazzigen Musengeste erstaunlich begeistert.

Weltmusik aus Simbabwe

Und dann stehen drei Afrikaner aus Simbabwe im Chorraum und singen dreistimmig eine Mischung aus Gospel und spirituellem Volksgesang. Sie begleiten sich mit Gesten und Perkussion wie ein Tanscorps nebeneinander synchron und liefern in lilablaues Licht getaucht einen versöhnlichen sanften Abgesang. Bis nach Mitternacht dauert der Zauber und klingt im Kreuzgang aus…

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