Das Theater Krefeld und Mönchengladbach öffnet seine großen Bühnen im Juni für 22 Vorstellungen

Erster Sonderspielplan für Krefeld Mönchengladbach unter Corona-Bedingungen
Sopranistin Sophie Witte aus dem Ensemble. Foto: Simon Erath

Wie schön, mal wieder in einem Opernhaus zu sein! Die Einladung zur Pressekonferenz ins Glasfoyer der Oper Krefeld kam zwar sehr kurzfristig. Das Hygienekonzept des „Sonderspielplans“ ist ja auch erst Freitag durchgewunken worden. Die heilige Kuh der Corona-Bedingungen! Vier Arbeitstage später sitzen der Generalintendant vom Theater Krefeld und Mönchengladbach, Michael Grosse, GMD Mihkel Kütson, Operndirektor Andreas Wendholz und Schauspieldirektor Matthias Gehrt an einem langen Board – immer ein Platz frei zwischen ihnen – und erklären den ersten Sonderspielplan unter Corona-Bedingungen im Juni. An Tischchen, die mit Abstandsgebot verteilt im Foyer stehen, sitzen die Journalisten. (Von Sabine Weber)

(28. Mai 2020, Theater Krefeld und Mönchengladbach) 22 Vorstellungen im Juni. Es wird nur auf den großen Bühnen gespielt, pro Aufführung dürfen sich 70 Zuhörer/Zuschauer im Parkett verteilen, die Abonnenten haben ein Vorkaufsrecht, es gilt das „Windhundprinzip“, kein Stück ist länger als 70 Minuten, es gibt keine Pausen. Heute beginnt der Vorverkauf.
Das sind die Setzungen beim ersten Sonderspielplan unter Corona-Bedingungen im Theater Krefeld und Mönchengladbach. Wie der Einlass, wie der Ausgang unter Abstand geregelt wird, wo, welche Einbahnstraßen wie und wo im Haus entstehen müssen, wird noch in einem Probelauf getestet. Am 6. Juni geht es los! „Das Publikum soll sich bei uns sicher fühlen“, betont Michael Grosse immer wieder. Das in Krefeld und Mönchengladbach sei auch treu und würde seine Meinung ihm mailen. Er antwortet immer! Grosse hat auch nie den Glauben verloren, bald wieder Vorstellungen zu geben. Das Haus sei auch nur für Besucher gesperrt worden. Im Theater KR MG selbst hätte es keine Stilllegung oder Kurzarbeit gegeben. Kulissen sind beispielsweise weitergebaut worden. Und nach der Ansage von Ministerpräsident Laschet, am 30. Mai wieder spielen zu dürfen, habe man sofort losgelegt. In sechs Wochen war der Sonderspielplan unter Corona-Bedingungen ausgearbeitet. Warum die meisten Theater in NRW geschlossen bleiben, KR MG aber nicht? „Das müssen sie die anderen Intendanten fragen“, so Grosse.

„Reine Opernhäuser und groß besetztes Repertoire haben es schwer“ – Spartenhäuser können Grenzüberschreitend improvisieren!

Das Theater KR MG sei überhaupt mit einem „blauen Auge davon gekommen“. Dreiviertel der Saison habe man spielen können. Die reinen Opernhäuser mit großem Orchester und groß besetztes Repertoire hätten es natürlich schwer. Ein volles Spartenhaus wie KR MG könne mit Schauspiel, Musiktheater, einer Ballettkompanie und den Musikern der Niederrheinischen Sinfoniker improvisieren. Grenzüberschreitend Ideen würden entwickelt, immer im Raster der Corona-Bedingungen auch für die Künstler auf Bühne und Podium.

Der Sonderspielplan ist die Stunde der kleinen aber feinen Besetzungen

Da sich nur zwei Personen auf der Bühne berühren dürfen, die auch zusammen wohnen, ist Ballett kaum möglich. Ein Solotanzpaar aus dem Ballettensemble ist auch im Leben ein Paar. Sie wurden in die musikalischen Lesung BEETHOVEN integriert und werden zu Beethovens Opus 111 tanzen. Auszüge aus Thomas Manns Doktor Faustus zu Beethovens letzter Klaviersonate trägt Michael Grosse vor. Als Ersatz für die ausgefallene Premiere von Friedrich Schillers Wilhelm Tell im Mai ist ein Live-Stream-Hörspiel-Experiment mit elektronischen Atmosoundscapes von York Ostermayer entwickelt. Schauspieldirektor Matthias Gehrt nennt das Kopfkino. Das sei unglaublich erfolgreich im Netz angeklickt worden und ist immer noch im eAngebot. Im Rahmen des Sonderspielplans können die 11 Schauspieler live auf der Bühne erlebt werden. Friedrich Schiller ist auch eine Notiz in der Einman-Show von Philipp Sommer. Jedenfalls erwähnt er Schiller in seiner Corona-bedingt zum Einmann-Podcast gewordenen Der Fall D‘Arc. Schauspieler Sommer – aus dem Ensemble – ist auf einem Motorrad die Kult- und Wirkungsstätten Jeanne d‘Arcs abgefahren und lässt seinen Eindrücken und Gedanken fantasievoll freien Lauf. Seine letzten Folgen der D‘Arc-Show, nach zwei Podcasts, wird er dem Publikum live präsentieren.

Im ersten Sonderspielplan unter Corona-Bedingungen im Theater Krefeld und Mönchengladbach
Heute Abend: Lola Blau. Foto: Matthias Stutte

Der Sonderspielplan unter Corona-Bedingungen ist in Krefeld und Mönchengladbach die Stunde für die one-Woman oder one-Man-Show. In dem Ein-Frau-Musical Heute Abend: Lola Blau von Georg Kreisler oder in einer Homage an Frank Sinatra unter dem Titel Ol‘Blue Eyes. Die Sinatra-Homage findet in Krefeld parallel

Aus dem Anne Frank Stream. Foto Matthias Stutte

zum Tagebuch der Anne Frank in Mönchengladbach statt. Anne Frank ist eine Kombination von Videostream mit einer Schauspielerin, einer Sängerin und Musikern der Niederrheinischen Sinfonikern. Und eines der durch Corona neu entstandenen Kreativformate. Die Leitung hat Solorepetitor Michael Preiser am Klavier. Eine Operngala mit großen Stimmen aus dem Opernstudio mit rund 15 Orchestermusikern sorgt für bekanntes Opernfeeling. Ein Projekt des jungen Ensembles ist noch in Planung. Die Restriktionen sind natürlich in jedem Detail spürbar. Aber sie werden hier als Chance behandelt. Generalmusikdirektor Mikhel Kütson freut sich, auch mal das kleiner besetzte Repertoire zu sichten. Georg Philipp Telemanns Orchestersuite Don Quichotte, Barockmusik überhaupt aufzuführen. Und wenn nur zwei „atmungsaktive Musiker“ auf dem Podium zugelassen sind, also zwei Bläser oder zwei Sänger, dann gibt es im ersten Stück eben zwei Trompeten, im zweiten die Sänger und im dritten zwei Holzbläser. Geht doch! Grosse sieht den Sonderspielplan als Trainingsphase für die nächste Saison. Einen Plan B hätte man für die nächste Saison auch schon im Kopf, denn wer weiß, ob so, wie geplant gespielt wird. Auf jeden Fall sollten dann auch die Ränge im Haus fürs Publikum wieder geöffnet sein. Denn nur 10 Prozent der ursprünglichen Einnahmen sei schon ein Verlust. Nach jeder Vorstellung wird im Juni also mit Sicht auf die Zukunft nachjustiert. Dass dasselbe Stück nicht mehrmals gespielt wird um mehr Publikum zu bedienen liegt einfach daran, dass man nur die großen Bühnen für die Entwicklung und zum Proben zur Verfügung hätte. Auch für Künstler im Off gelten Raum und Abstandsregeln. Dass die Theaterbar in Mönchengladbach das Publikum empfängt, im viel größer dimensionierten Theater in Krefeld aber geschlossen bleiben muss, ist eine der vielen kuriosen Widersprüche im lokal unterschiedlichen Umgang mit der Pandemie. Aber kein Grund zur Sorge. In Krefeld gäbe es das Kaffee Paris daneben. Das ist auch noch nach den Vorstellungen geöffnet.

Komplette Infos zum Sonderspielplan unter Corona-Bedingungen hier.

Mihkel Kütson und Andreas Wendholz im Gespräch auf Abstand. Foto: Sabine Weber

Gesprächsbedarf gibt es immer! In das Gespräch von Generalmusikdirektor Mihkel Kütson und Operndirektor Andreas Wendholz durfte ich mich – auf Abstand selbstverständlich – einmischen und ein paar Fragen stellen. Zu den vier Juni-Sonderspielplan-Konzerten und den Anforderungen im Musiktheaterbetrieb. Und als erstes wollte ich vom Operndirektor Andreas Wendholz etwas über die Herausforderungen erfahren, einen Sonderspielplan unter Corona-Bedingungen zu realisieren. Was ist anders?

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