Das schönste Opernhaus Europas steht in Oslo! Oder? … Was man nicht sofort sieht ist, dass beim Innenausbau bis hin zu den Probebühnen und Werkstätten an die Menschen gedacht wurde, die sich darin wohlfühlen sollen!

(7. Januar 2020, Norske Nasjonal Operaen, Oslo) Ich habe in der Vorstellungspause noch nie so viele lachende Menschen in einem Opern- oder einem Konzerthaus erlebt! Überall Grüppchen. Lebhafte Unterhaltung! Liegt es wirklich daran, dass die Besucher sich hier wie in einem Baum – allerdings mit riesigen Innendimensionen – geborgen fühlen? Holzmaserung – über weißen Marmorplatten am Boden – dominiert.

Oslo Oper Foyer. Bild: Sabine Weber

Es fallen aber sofort auch weißlich-grün schimmernde Wände aus vierzackigen Reliefartigen Teilen auf. Die Kloboxen! Sie leuchten wie Schneekristalle. Dahinter sind die Garderobenhaken in Reihe. Auch hier ist es munter und laut. Vor und nach der Vorstellung! Man sitzt auf den Bänken an der Seite, um die Schuhe zu wechseln. Jugendliche rutschen auf der Schräge dahinter herum. Eine Jacke liegt da, hingeworfen und vergessen. Auch hier allerdings nur kleine Fenster, während an der Frontseite große Fenster auf den Fjord hinaus schauen lassen. Von innen wie von außen kann man von allen Seiten hinein schauen. Und der Oper aufs Dach zu steigen ist grandios. Oben gibt es Oslofjord-Ausblick! Und die Albatrosse führen hier ganz zutraulich das Regiment. Auf den Schrägen laufen wirklich morgens, mittags, abends, nachts Leute herum. Ich habe mich überzeugt! Es gibt ja auch keine Einschränkung, Verbotsschilder oder gesperrte

Oslo Oper, immer Menschen auf dem Dach! Foto: Sabine Weber

Sicherheitsrampen und Schleusen wie beispielsweise bei der Hamburger Elbphilharmonie. In Oslo muss man sich auch kein Märkchen ziehen und sich die Beine in den Bauch stehen, weil man warten muss, bis man zur Plaza rauf steigen darf. Denn ein nettes Kaffee gibt es in der Rampen-Schleusen-Sicherheitszone um die Elbphilharmonie nicht.

Ein Blick von außen hinein in die Oslo Oper in Richtung Eingang. Foto: Sabine Weber

Hier stolpert man in die Oper hinein direkt auf eines zu! Die Kaffeebarzone mit Fjordblick hat nicht nur während der Vorstellung offen, und in dem Restaurant gleich neben der Kaffeebar, von wo aus man gerade über dem Meer in den Sonnenuntergang schaut, treffen bereits um 17 Uhr die ersten Gäste ein. Hier ist wirklich ein öffentlicher Opernplatz geschaffen worden! Und vor der vorletzten Aufführung am 7. Januar von Giuseppe Verdis Rigoletto belebt. Die Vorstellung ist ausverkauft. Die norwegisch inspirierte Inszenierung lockt. Regisseur und Bühnenbildner Ole Anders Tandberg stellt die Hofgesellschaft nämlich als wilde Pullover-Trolle mit langen Haaren dar. In Norwegen sind Trolle allgegenwärtig! Und Trolle entführen ja den norwegischen Sagen nach die Menschen. Gilda (Sofie Asplund mit großer Stimme, in der Höhe etwas scharf) wird entführt und hier – sehr norwegisch – in ein Biwakzelt gesteckt, das mit Heringen auf einem steinigen Inselberg festgezurrt wird. Für diese Insel, Typ Böcklins Toteninsel, wären da nicht die abgestorbenen Fichtenstämme drauf, braucht es einen festen Tritt und Trittsicherheit. Immer wieder lehnt Rigoletto (Frederik Zetterström, sprachdeutliche Diktion, er bringt die Gebrochenheit und Widersprüchlichkeit der Figur sehr schön zum Ausdruck), in einem ollen braunen Pullover, sucht immer wieder Halt und lehnt gegen einen der toten Fichtenbäume, die dann unbeabsichtigt auch gefährlich wackeln. Gesungen wird auf hohem Niveau, auch wenn es wohl wegen der Trittunsicherheit Rampensingen auf der Insel gibt. Die Akustik scheint den Herzog (Atalla Ayan mit großer tenoraler Verve) geradezu herauszufordern, ohne Rücksicht zu schmettern. Er hat ja auch das Zugstück des Abends, die Kanzone „La donna e mobile“. Das Opernorchester unter Carlo Rizzi spielt fantastisch genau, vor allem die Bläsereinsätze sind perfekt. Die Norweger haben eine große Blaskapelltradition. Aber was mich doch am meisten an diesem Opernbesuch beeindruckt, ist die Führung von Gunilla Süßmann drei Stunden vor der Aufführung. Süßmann ist ausgebildete Konzertpianistin, hat unter anderem in Hannover studiert. Sie spricht deutsch und bietet mir an, hinter die Kulissen zu schauen!

Gunilla Süßmann. Foto: Felix Broede

Das Beethoven-Fest 2020 in Oslo vom 5. bis zum 15. November im Zusammenspiel der hiesigen Orchester und unter anderem mit Fargespill! In Oslo gibt es ein Kammerorchester und drei große, das der Oper, das norwegische Radio-Orchester und die berühmten Osloer Philharmoniker! Sie haben letztes Jahr ihr 100jähriges Bestehen unter der Leitung von Vasily Petrenko im Oslo Konserthus gefeiert.

Das Oslo Philharmonic unter Vasily Petrenko. Foto: Lise Kihle

Zurück in die Oper! Jetzt werfen wir mit Gunilla Süßmann vom ersten Balkon aus Blicke in die „Natur des Opernhauses“. Holz, Wasser, Eiskristalle. Natürlich hat man den Fjordblick noch vor Augen!

Oslo Oper auf dem Dach. Fjordblick. Foto: Sabine Weber
Blick vom ersten Balkon. Foto: Erik Berg
Oslo Oper Eiskristalle. Foto: Sabine Weber

Vom 1. Balkon geht es jetzt die wunderbare Holztreppe hinunter ins Foyer und links zu einer Probebühne. Blackbox klingt gefährlich. Das ist die zweite Bühne im Haus. Achtung, ab und zu quietschen die Schleusen- Türen!

Über der Zweiten Szene gibt es auch einen ganz großen Bühnenturm. Wäre also auch für Szenisches zu nutzen!

Oslo Oper Blackbox! Foto: Sabine Weber
Die Oslo Oper Mitwintersonne. Foto: Sabine Weber
Oslo Oper innen. Foto: Sabine Weber

Am Ticket-Office und der Bühne vorbei geht es jetzt in den Hauptsaal! Natürlich ganz in Holz…

„Das machen wir!“ … hat Gunilla Süßmann angeboten und ist leider etwas abgeschnitten worden.
Bevor es weiter geht noch ein paar Zahlen:
Das Opernorchester hat 101 festangestellte Musiker;
im Ballettensemble sind 70 Tänzer, dazu zählt die „Jungen Kompani”;
im Opernensemble sind 9 feste Solisten und 4 Praktikanten;
der Opernchor ist mit 53 Sängern gefüllt;
und es gibt einen Kinderchor mit 70 Kindern!
Und jetzt geht es in der Osloer Oper zu weiteren Probebühnen um die Hauptbühne. Drei komplette Bühnenbilder können gleichzeitig aufgebaut und bespielt werden. Auf der Hauptbühne wird gerade ‘Rigoletto’ nach vorne geschoben! Der Rigolettowald … und nochmals Szene Zwei, die Blackbox! Aber auch Probebühne Eins mit Kindern der Ballettausbildungsschule… und da wird nur noch geflüstert!

Und es wird spannend. Jetzt geht es in die Werkstätten. Alle Werkstätten sind im Opernhaus untergebracht! Und in welchen Dimensionen! Architekt Tarald Lundevall hat mit Weitsicht geplant und hier mal wirklich an alle und alles gedacht! Tarald Lundevall ist einer der vier Mitgründer vom norwegischen Architekturbüro Snøhetta. 2009 ist er für das fertiggestellte Opernhaus in der Osloer Bjørvika-Bucht mit dem Europäischen Architekturpreis der Mies van der Rohe Stiftung ausgezeichnet worden. Das Opernhaus ist Norwegens Sehenswürdigkeit Nummer eins! Und Gunilla Süßmann, mit der ich durch das Haus streife, ist hier seit August 2018 Konzertmanagerin. Von Haus aus ist sie Klaviersolistin. Gewesen. 24 Jahre lang. Und musste ihren Flügel verkaufen…

Oslo Oper Schleusen-Gänge. Foto: Sabine Weber
Oslo Oper Malwerkstatt. Foto: Sabine Weber

Ein bewegtes Schicksal hat Gunilla Süßmann wieder nach Oslo zurück geführt! An einen wunderbaren Ort, wo sie gerne ist!

Unsere Oslo Opernhaus-Führerin: Gunilla Süßmann. Foto: Sabine weber

Zum Schluss geht es weiter durch die Werkstätten. Gleich rattern auch mal die Nähmaschinen. Wir streifen durch die „Musiksäule“ im Opern-Off, werfen auch einen Blick zum neugebauten Riesen-Munch-Museums-Gebäude, das sich gleich neben der hellen Oper düster gigantisch erhebt. Im Opernhaus ist es absolut friedlich… Märchenhaft. Ersteinmal verrät Gunilla mir, wieviele hier in der Oper hinter den Kulissen arbeiten.

Oslo Oper, rechts daneben ist der schwarze Klotz zu erkennen, der ab März das Munch-Museum in Oslo aufnimmt. Foto: Sabine Weber
Oslo Oper Nähwerkstatt. Foto: Sabine Weber
Oslo Oper Nähwerkstatt. Foto: Sabine Weber
Oslo Oper Hutmodelle. Foto: Sabine Weber

Alles hat hier seine schönen Wege, und ein Vergleich zwischen norwegischem und deutschem Betrieb am Ende des Ausflugs gibt schon zu denken! Was es schön macht hier in Norwegen, dass man wirklich alles auf Augenhöhe erlebt. Natürlich wird auch Norwegen seine Probleme haben. Aber jedenfalls versucht Norwegen, nicht gleich zu zeigen, was man hier nicht darf! Als ich aus meinem Hotel zum alten Hafen gehe, stehe ich mir nichts dir nichts auf einem Steg im Fjord und könnte einfach so zwischen den alten Schaluppen ins Wasser hüpfen. Keine Absperrung nirgends. Kein Schild, kein Verbot! Die Norweger trauen sich und ihren Leuten zu, sich in ihrem Land adäquat verhalten zu können. Ein ungeahnt befreiendes Gefühl, wenn man aus Deutschland kommt!

3 Gedanken zu „Das schönste Opernhaus Europas steht in Oslo! Oder? … Was man nicht sofort sieht ist, dass beim Innenausbau bis hin zu den Probebühnen und Werkstätten an die Menschen gedacht wurde, die sich darin wohlfühlen sollen!“

  1. Das Opernhaus ist zweifellos ein wunderbarer Bau. Wenn auch in der Formsprache ganz anders erinnert es mich an das Gelsenkirchener Theater (Musiktheater im Revier) mit der Weite und Offenheit des Foyers.
    Das 60 Jahre alte Gelsenkirchener Haus besticht durch sein perfekte Integration von den wunderbaren riesigen blauen Reliefs von Yves Klein, Arbeiten von Kricke, Tinguely und anderen.
    Vielleicht fährt Frau Weber mal in den alten Kohlenpott. -?

  2. Ich bin bisher zweimal in der Oslo-Oper gewesen: im Juni 2014 und im Dezember 2018 – Holländer bzw. Liebestrank. Zwei Aufführungen auf hohem musikalischen Niveau, durchaus mit geglückter Freude an experimentellen Inszenierungskonzepten. Begeisternd aber die heitere Akzeptanz, die dieses zunächst nicht unumstrittene Opernhaus im Alltag der Osloer Bevölkerung gefunden hat – ob im Sommer auf der atemberaubenden Dachlandschaft, wo sich Familien zum Picknick und Freunde zum Plausch treffen, oder im Winter, wenn sich heiteres Leben in den offen stehenden Räumlichkeiten abspielt, durch die großen Fensterflächen ganz nah am faszinierenden nordischen Restlicht draußen.
    Ganz sicher werden weitere Besuche des architektonisch äußerlich als Eisberg konzipierten Opernhauses folgen, das innen so viel Wärme ausstrahlt.
    E. Schneider, Aachen

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