(Foto: Thomas Brill) „Klatschen Sie! Klatschen Sie!“ fordert ein Geiger des WDR Sinfonieorchesters auf, der durch den Künstlereingang in die Kölner Philharmonie hinein will. „Es ist so triste, wenn die Reaktion des Publikums fehle!“ Ich verspreche ihm, zu klatschen und werde schnell eines besseren belehrt. Das dürfe man nicht, sonst entstünde der Eindruck, Publikum wäre im Saal. Immerhin dürfen wir, nicht mehr als eine Handvoll Verantwortliche, darunter drei Journalisten, hinein. Sozusagen unsichtbar huschen wir durch die dunklen Philharmoniegänge in den gähnend leeren Saal, wo wir uns ganz rechts unsichtbar für die Kameras, die mitschneiden, in die Sessel drücken. (von Sabine Weber)
(30. April 2021, Kölner Philharmonie) Vom ersten Moment an fühlt es sich dennoch an wie „endlich wieder zuhause“. Das sanfte Sonnenlicht der mächtigen Deckenbeleuchtung strahlt milde, die roten Sessel spielen Abendrot und vorne sitzen schon etwas mehr als 40 Musiker*innen des WDR Sinfonieorchesters. Marek Janowski, Chef der Dresdner Philharmoniker bis 22/23, wird auf dem Kölner Podium von Bogenschlägen gegen Notenständern begrüßt. Er reicht Konzertmeister José Blumenschein die Hand und gibt sofort Einsatz. Obwohl die Musiker weit auseinander gezogen sitzen und es mit Mendelssohns Hebriden noch nicht einmal laut beginnt, ist der Klangeindruck zunächst geballt verwirrend. Das Hören per Kopfhörer, dazu die nachträglich bearbeiteten, also optimierten Streams, hat Spuren hinterlassen. Also jetzt erst mal wieder die Ohren spitzen und durchhören. Maestro Janowski wirkt hagerer als sonst. Dieser Dirigent hat die Kölner Philharmonie unvergessen mit Mahlers mächtiger Achter einst eröffnet. In diesem Konzert 35 Jahre danach lässt er eher spielen, was nicht heißt, dass er nicht eingriffe, um die Musiker zwischen sicher laufenden Tempi für Rubati an die Zügel zu nehmen oder noch waghalsigere Accerlerandi umzusetzen, die er grundsätzlich in den Finali fordert. Mendelssohns Konzertouvertüre kulminiert in stürmischem Wellengang, bis einzelne Bläser den Aufruhr endgültig verebben lassen. In Max Bruchs erstem und berühmten Violinkonzert garantiert Janowski dem Solisten Vadim Gluzman eine perfekte Klangbalance. Der Geigen-Souverain Gluzman gibt an diesem Abend sein Debüt vor dem WDR Sinfonieorchester. Seine Virtuosität ist makellos. Der Schmelz seiner Stradivari „ex Leopold Auer“ flutet den leeren Saal mühelos. Vielleicht ist alles zu perfekt. Doch warum einer Herz-Seelen-Musik-Packung Haare in die Suppe werfen. Was soll‘s, wenn Schlusspizzicati ein bisschen klappern oder die Bläser sich nicht wie gewohnt mischen, weil sie einfach zu weit von einander entfernt blasen müssen. Die Musiker sind mit vollem Einsatz dabei, engagiert, offenkundig begeistert, wieder zu spielen, einige im Orchester sogar entfesselt. Der Fagottist hüpft in der Stretta des letzten Satzes von Schumanns Vierter sogar auf seinem Stuhl. Ein wunderbares Konzert, das übrigens bis zum 29. Mai nachzuhören ist.