Maestro. Ein Film über Leonard Bernstein verpasst alle Chancen und fesselt doch!

(Foto: Jason McDonald/Netflix. Bradley Cooper als Leonard Bernstein) Bradley Cooper mimt Leonard Bernstein einfach fantastisch! Und die zu große Nase fällt gar nicht auf! Eher das deutsche Overvoice von Tobias Kluckert, das irritierend verschnupft klingt. (Von Sabine Weber)

(30. Dezember, 2023, Rex Lichtfilmtheater, Bonn) Aber die ewige Dauerzigarette, eine großartige Carey Mulligan als treu bemühte Gattin, dem Künstler angeblich überlebenswichtiges Korsett durch die konventionell spießige Ehe, die dann auch noch Love-Story-artig mit dem Krebstod endet, erfasst bei weitem nicht das Phänomen Bernstein! Man hört zwar Bernsteins Musik, ganz zu Anfang ein Klavierstück. Aus den Anniversaries? Felicia Montealegre gewidmet? So hieß seine Frau. Oder das Matrosen-Trio aus dem Musical On The Town, sogar vertanzt mit Bernstein/ Cooper als Tänzer! Und die Ouvertüre der Opern-Operette Candide. Allerdings mehr als Untermalung. Bezüge zu den Kompositionen gibt es keine. Dass ihm beispielsweise Noten des Adagiettos aus Mahlers Fünfter mit ins Grab gelegt wurden, erfährt man nicht, wenn diese Noten erklingen. Über den inneren Konflikt Bernsteins, als klassischer Komponist, unter anderem von drei Sinfonien und sakraler Werke, nicht wahrgenommen zu werden, und immer nur berühmter Dirigent sein zu müssen, erfahren wir auch nichts. Ebenso wenig über seine Zeit als erster US-amerikanischer Musikdirektor des New York Philharmonic. Was macht denn seine dirigentische Leistungen aus, zum Beispiel als Gastdirigent der Wiener Philharmoniker oder des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks bis zu seinem Tod im Jahr 1990? Da gibt es doch den wahnsinnigen Youtube-Film, wie er nur mit Gesichtsmimik Haydn dirigiert.

Wie Bernstein 1948 in Deutschland ein Orchester von Holocaust-Überlebenden am Starnberger See dirigiert und traumatisiert wird, seinen Bezug zur jüdischen Vergangenheit in seinen Kompositionen ist auch kein Thema. Und da wären noch die einmaligen Education-Projekte, seine Harvard Lectures, seine auf die Musik übertragenen Sprachanalysen von Noam Chomsky und und und…

Nichts davon, nur Bernstein als exzessiv rauchender Lebemann, seine homosexuelle Neigung wird auch marginalisiert mit zwei Ausrutschern, ansonsten perfekt amerikanische Moral-Ehe und wie er einen Dirigenten mit ziemlich banalen Anweisungen erzieht und später in der Disco knutscht. Da ist Felicia bereits tot. Das war’s.

Allerdings ist die Love-Story Hollywodesk erzählt und filmisch mit grandiosen Momenten begleitet, Flucht vom Tisch direkt auf die Bühne ins Bühnengeschehen, das ist zum Beispiel gut gemacht.
Doch der Netflix-Film wird den Anschein nicht los, lieber einen Oscar gewinnen zu wollen als Bernstein nahe bringen zu wollen. Martin Socorsese und Stephen Spielberg als Produzenten dieser Netflix-Produktion sprechen ebenfalls für sich. Das Bernstein-Klischee bleibt beliebig, auch wenn er selbst täuschend echt aussieht.

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