I feel pretty in Salzuflen!

  1. Gerade erst in Bad Salzuflen und schon im tiefsten „Lietholz-Blues“, weil einkaserniert in eine monumentale Reha-Anlage. Jeder poetische Moment ist diesem 70er Jahre-Bau kategorisch ausgemerzt (Pförtnerloge im Stil einer Bushaltestelle in Eingangshalle). Alles funktional, wirft es dennoch auf die Gretchenfrage zurück, warum bin ich bloß hier? … Aber da gibt es ja noch die wunderbare Konzerthalle im Kurpark. Und die Nordwestdeutsche Philharmonie, die hier aufspielt. Zum Neujahrstag! Natürlich krücke ich unverzüglich hin! (Von Sabine Weber)

(1. Januar 2023, Konzerthalle Bad Salzuflen) Denn was für eine „pretty“ Architektur! Dieser flachgedeckte Bau mit freundlich sandfarbenen Steinplatten verkleidet, lädt ein. Winkt sozusagen bereits aus dem Kurpark, denn die Fassade aus großflächigen Stahlrahmenfenster ist optisch mit der Kurquell-Wandelhalle davor verbunden. (Da habe ich mir jeden Tag den Elektrolyte-was-weiß-ich-Drink aus der Solequelle mit Gehhilfen erkämpft!) Das Konzert ist also eine logische Fortführung. Und das in dem hellen Saal ganz und gar nicht oberflächlichem Unterhaltungsprogramm – Beschwingte Melodien zum Neuen Jahr, so der Titel des Abends – geboten von 60 glänzend aufgelegten Musikern der Nordwestdeutschen Philharmonie ist geradezu Belohnung.

Galina Benevich als Olympia – nicht nur singend, sondern mit komödiantischem Talent auch spielend. Foto: Sabine Weber

Im Mittelpunkt steht charmant Galina Benevich, die aus Offenbachs Hoffmanns Erzählungen die traurig-überkandidelte Antonia ebenso überzeugt singt und mimt wie die Arie der mechanischen Puppe Olympia, die extreme Koloratur verlangt. Dirigent Markus Huber, der mit gut gesetzten Worten auch witzig durchs Programm führt, muss die stehenbleibende Puppe zwei Mal aufziehen. Ein Effekt, den Dirigent und Solistin spielerisch zelebrieren und das Publikum schmunzelnd goutiert. Natürlich fehlt Offenbachs berühmte Barcarole nicht, bevor es mit Lokalkolorit und unbekannten, aber positiv überraschenden theatralen Operetten- bzw. Zarzuelaklänge von Gerónimo Giménez und Ruperto Chapi und weiteren Damen im Arienporträt nach Spanien und mit Filmmusik zu den Glorreichen Sieben von Elmar Bernstein in Hollywood und mit Leonard Bernsteins Cunigonde aus Candide auf dem Broadway in „Bad America“ landet. Kleiner Scherz am Rande.

Zwei der Bassisten der NWD-Philharmonie. Foto: Sabine Weber

Die Nordwestdeutsche Philharmonie liefert satten sinfonischen Klang, die Holzbläser, vor allem die Oboe, spielen großartig, die Posaunen stehen beim Tigerrag zu Recht mal auf, die Kontrabässe zupfen sich die Fingerkuppen bei Irving Berlins Puttin’ on the Ritz blutig, den das Orchester übrigens einer alten Dame widmet, die sage und schreibe in ihrem 101. Jahr im Konzert sitzt. Damit Dirigent Huber der Jubilarin zur Musik den Glückwunschstrauß überbringen kann, drückt er der Sängerin mal kurz für einen Wiener Marsch den Taktstab in die Hand. Mit dem Strauß-Walzer Rosen aus dem Süden hat es auch ja auch in Wien begonnen. An diesem Abend hat einfach alles gestimmt!

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