Deutsche Erstaufführung des Cembalokonzerts der Jüdin und Kölnerin Maria Herz mit Michael Hell als Solisten am 15. August: Das Shalom-Festival öffnet in der Kölner Flora seine Tore!

Cembalokonzerte im 20. Jahrhundert? Keine Seltenheit, sie waren sogar Mode, erklärt Michael Hell. Hell unterrichtet Generalbass und Cembalo an der Musikhochschule in Graz und verweist auf 10 große Cembalokonzerte, die er im Fundus hat. Angefangen bei Manuel de Falla, Poulenc, beide haben für Wanda Landowska als Solistin geschrieben. In Deutschland gibt es zwei von Hugo Diestler, in England hat der Hindemith-Schüler Walter Leigh ein Concertino für Cembalo hinterlassen, übrigens 1934 komponiert, ein Jahr vor der Fertigstellung des Konzerts von Maria Herz, die selbst eine hervorragende Pianistin war und es für sich selbst geschrieben haben könnte. Ein passendes Instrument stand auch hierzu zur Verfügung, denn die Pariser Klavierbaufirma Pleyel hatte für die neue Cembalo-Renaissance das Grand Modèle de Concert mit Stahlrahmen, fünf Registern, darunter ein 16‘-Register, sieben Pedalen, Lederkielen und weiteren besonderen Aperçus entwickelt. Ihr Konzert klingt ganz und gar nicht barock, auch wenn es Verweise auf barocke Stilistiken enthält, Fugati, und Bezüge zu Bach. Nicht zuletzt ist es in der Besetzung identisch mit dem Fünften Brandenburgischen. Die Bach-Allüre geht in Post-Brahmsischer Schreibweise auf.

Maria Herz’ Cembalokonzert: eine deutsche Erstaufführung
Art House 17
Ārt House 17 Ensemble. Foto: Marieke Wijntjes

Um eine Uraufführung, wie in einigen Pressemitteilungen des Shalom-Musik-Festivals vollmundig verkündet, handelt es sich bei der Aufführung mit dem Ārt House 17 Ensemble in Köln allerdings nicht. Bereits 2020 wurde das Cembalokonzert in Zürich posthum aus der Taufe gehoben. In der Züricher Zentralbibliothek lagert nämlich ihr Werk. Das „Schweizer“ S-Ensemble besetzte damals die Stimmen im begleitenden Streichorchester solistisch. Wie auch das Ārt House 17 Ensemble jetzt für Köln. Der solistische Flötenpart wird von einer modernen, allerdings hölzernen Böhmflöte gespielt. Statt eines Klaviers ist jetzt aber erstmals ein Cembalo zu hören. Nämlich Michael Hells eigenes Großmodell von Pleyel, das er durch Zufall vor einigen Jahren erstehen konnte. Sehr pianistisch sei das Werk, so Hell, er bedaure etwas, dass es noch kein Haltepedal gibt, aber auch cembalistisch, denn es halte sich exakt an den 5 Oktaven-Umfang. Maria Herz habe ihren eigenen Zugang zu diesem Instrument gesucht.

Maria Herz
Maria Herz, ca 1930. Foto: Zentralbibliothek Zürich. Nachlass Maria Herz

Das Shalom-Musik.Köln-Festival greift mit Maria Herz, 1878 in Köln als Maria Bing in eine jüdische Textildynastie geboren, eine virulente Vita auf. Seit Jahren versucht der in Köln geborene Musikjournalist Georg Beck, ihre Werke dem Vergessen zu entreißen.

So erinnerte die durch ihn angestoßene Initiative der Stadt Köln mit der Stiftung Lichtenfeld zusammen mit der Musikhochschule Köln am Menschenrechtstag der Vereinten Nationen im Dezember 2019 an Maria Herz und ihre Familie. Und Oberbürgermeisterin Henriette Reker entschuldigte sich vor dem Mikro bei den Nachkommen. Ein Enkel, Albert Herz, war sogar vor Ort. Die Veranstaltung fand im Gesundheitsamt der Stadt Köln am Neumarkt statt, aber wer weiß heute noch, dass dieses Gebäude das sogenannte Kölner Bing-Haus ist! Ehemals ein mondänes Verkaufshaus, das die Nationalsozialisten zwangsenteigneten! Ruft man die Seiten dieses Orts im Netz auf, findet sich kein Hinweis auf Maria Herz. Ebensowenig bei der Villa am Oberländer Ufer 208 in Marienburg, wo Maria Herz 1920 nach dem plötzlichen Tod ihres Mannes Albert zu Bruder Moritz Bing, einem bekannten Kölner Rechtsanwalt, hinzieht.

Und leichtes Schauern überkommt einen, wenn von der Einhardstraße 2 oder dem Sülzgürtel 8 die Rede ist. Orte, an denen Maria Bing und Familie gewohnt haben. Künstlerisch fruchtbare Zeiten erlebt sie in Köln durchaus. Hier studiert sie bei Philipp Jarnach. Und ihre Werke finden  Anerkennung. Werden vom Gürzenich-Orchester und namhaften Kammermusikensembles aufgeführt. Eine Klaviersonate f-moll entsteht, kraftvoll, schwungvoll. Alice Schmuckler-Hess spielt die Uraufführung im Saal der Kölner Musikhochschule. „Gedichte der Gefangenen – ein Sonettenkreis“ von Ernst Toller liefert den Stoff für Liedkompositionen. Doch 1934 ist sie wieder auf dem Sprung. Anfang 1935 emigriert sie, mit eben ihrem letzten Cembalo-Werk im Gepäck und stirbt 1950 in New York.

Hila Baggio
Hila Baggio. Foto: Liran Levy

Die im Eröffnungskonzert des Shalom-Musik.Köln-Festivals eingestreuten Lieder hat Hell für die Solistinnen Hila Baggio, Sopran, und Iris Vermillion, Mezzosopran, ausgewählt und sollten auch auf dem Cembalo zu begleiten sein.

Auch ein Akkordeon kommt noch dazu und soll mithelfen, dem ernsten Konzert einen charmanten, leichten Tonfall beizumischen. Deswegen gibt es auch ein paar jüdische Schlager, so wie sie in einem Salon der 30er Jahre – damals erklungen sein könnten. Hell hat hier auch bearbeitet.

Iris Vermillion
Iris Vermillion. Foto: Styriarte Milatovic

Die Internetpräsenz des SHALOM-MUSIK.KOELN-Festivals bietet weitere Informationen.

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