
(25. Juni 2025, Kunststation Sankt Peter, Köln) Das Konzert am Tag drei des Romanischen Sommers, in Kooperation mit der Kunststation Sankt Peter, überraschte in Facetten, Bezügen, und mit enormen Kontrasten. Normalerweise sind die Konzerte eine Stunde lang, dieses dauerte fast zwei. Und unterschiedlicher hätte die Musik nicht ausfallen können, die mit Streichquartettklängen bezauberte, mit superlativ angehäuften Player-Piano-Tönen faszinierte und mit gewaltigen computergesteuerten Orgelklängen überwältigte. Und es gab, auch dies ganz ungewöhnlich für Kölns etabliertes Sommerfestival, das die romanischen Kirchen mit Leben füllen soll, sogar drei Uraufführungen! Michael Veltmann, Komponist, Organist und künstlerischer Leiter der Kunst-Station sowie des Tra i Tempi Ensembles hat allerdings ein ausgefeilt ausgeklügeltes Programm zusammengestellt, eine Reise, auf die sich das Publikum begeistert einstellte, mit der Uraufführung seines ersten Streichquartetts im Fokus. (Von Sabine Weber)
Auch dieses natürlich in Bezug gesetzt, nämlich zu dem String Quartet von Terry Riley, das im Ansatz Ähnlichkeiten aufweist und in dem Jahr entstanden, in dem Veltman geboren ist, 1960. Zufälliger Weise feierte der US amerikanische Minimal Music Komponist Riley auch noch tags zuvor seinen 90. Geburtstag. In Rileys Quartet ist die Minimal Music noch nicht zu erahnen. Die mit Dämpfer pianissimo gezogenen Streichertöne vor und nach gefühlt kosmisch langen Atempausen ergänzten sich zu immer neuen zarten Zusammenklängen. Die Tra i tempi Streicher, hier allen voran das Cello und die Bratsche, streichelten das Ohr bis in die Unendlichkeit, ohne je die Spannung zu verlieren. Bleibt Riley in diesem Jugendwerk tonal, so arbeitet Veltmann in seinem ersten Streichquartett Die Brücke von San Giacomo mit mikrotonalen Klanggesten. Er spielt mit Motiven, Glissando-Seufzern, verlässt den Schönton und lässt die Violinen auch mal auf den Seiten kratzen. Ebenso fein und still wie bei Riley ziehen sich die Streichertöne über die meiste Zeit. Die Seelen der Verstorbenen, auf die der titelgebende süditalienische Mythos anspielt, schweben eher, als dass sie über besagte Brücke gehen. Am Ende wird der Tonklang immer ausgedünnter. Die angeblich nur haaresbreite Brücke verlangt ihren Tribut.
Fünf ratternde Studies for Player Piano
Vor dieser Musik der Stille gab es zu Anfang fünf ratternde Studies für das Player Piano von Conlon Nancarrow. Nancarrow hat das mechanische Player Piano als Non plus ultra etabliert, weil ihm die Interpreten nie genug Töne spielen konnten. Bis zu 200 Töne pro Sekunde müssen es nämlich sein. Die Lochkartenrollen, die der Sonderling auch selbst stanzte, konnten Themen in rhythmischer Dehnungsverschiebung von 17:18:19:20 umsetzen. Und die mechanisch gesteuerten Glissandi oder Arpeggien lassen den Klavierton schon mal vergessen und erinnern an elektronische Klänge von Flipperautomaten in Spielhöllen. Das Publikum blickte dabei auf ein selbstspielendes historisches Exemplar der Marke Marshall & Wendell. Das, sowie die Rollen, stammen aus der Sammlung Jürgen Hocker und sind von seiner dessen Nachlass verwaltenden Frau, die auch anwesend war, zur Verfügung gestellt worden. Hocker war Chef-Chemikerbei Bayer, sammelte mechanische Musikinstrument, und nach einer persönlichen Begegnung mit Nancarrrow 1982 in Köln sorgte Hocker für Player Piano Modelle, auf denen Nancarrows „Studies“ auch in Deutschland (ur-)aufgeführt werden konnten.
Schwindelerregende Orgelklänge

Das Duo Gamut Inc verwandelten im Finale die angeblich zweitgrößte Kölner Orgel, vom Kölner Orgelbauer Peter Willi 2004 als Neue Musik Orgel mit Perkussion und Schlagzeugregister ausgestattet, zu einer gewaltigen „Player Orgel“. Auf dem vorn aufgebauten Spieltisch waren Bildschirme und Computer abgestellt, die die beiden Musiker Marion Wörle und Maciej Śledziecki mittels Midi-Schnittstelle ansteuerten, sodass sich der Kirchenraum mit rauschenden schwindelerregenden Klängen der Kirchenpfeifen füllte. 30 Minuten lang durchzogen Patterns und Klangmuster von Giddy Sound den Raum, wanderten von den Pfeifen rechts vorn wieder zum Hauptwerk hinten auf der Empore. Doch ließen sie in allen fünf Teilen eher ein bisschen das Außergewöhnliche Klangergebnis vermissen, dass man bei Ihrem Auftritt vor zwei Jahren an der Orgel in Sankt Aposteln noch so bewunderte. Teilweise dachte man an Filmmusik. Die Überraschung war dann aber die dritte Uraufführung zum Schluss. Das Gamut-Team steuerte eine Lochkartenrolle für das Player Piano bei. Und die Abdeckungen des Kastenklaviers wurden noch entfernt, sodass man die Maschine arbeiten sah. Große Begeisterung! Und mit lang anhaltendem Applaus bedankten sich die Zuhörer für diesen ereignisreichen Abend. Und noch lange stand das Publikum um das Player Piano und staunte über diese Musikmaschine…