SEL und COE! Die Solistes Européens, Luxembourg und das Chamber Orchestra of Europe gastieren in der Luxemburger Philharmonie

Sich der Luxemburger Philharmonie überhaupt zu nähern, ist ein Ereignis. Mit dem Auto fährt es sich auf dem Kirchberg oberhalb der Ville Bas der Stadt Luxemburg wie auf einer Achse durch ein Mega-Industriegebiet. Nur liegen rechts und links keine Baumärkte oder Einkaufszentren, sondern Banken, europäische Institute, Behörden, der EuGH und das EU-Parlament. Alles hinter monumentalen futuristischen Fassaden, über denen hier und da noch der Baukran ragt. Auf der Place de l‘Europe ist man dann bei der hell-leuchtenden Philharmonie angekommen. Und steht unter den von Architekt Christian de Portzamparc errichteten unzähligen schlanken weißen Säulen einer Glasfassade, unter einem oval, spitz zulaufenden Dach. Das soll ein Auge darstellen, auch wenn es um das Hören geht. (Von Sabine Weber) SEL und COE! Die Solistes Européens, Luxembourg und das Chamber Orchestra of Europe gastieren in der Luxemburger Philharmonie weiterlesen

Ein denkwürdiger Klavierabend in der Kölner Philharmonie mit Maurizio Pollini und den letzten drei Beethovensonaten

Maurizio Pollini  Foto: Cosimo Filippini
Maurizio Pollini. Foto: Cosimo Filippini

Seine Programme sind stets ungewöhnlich durchdacht. Er ist ein Intellektueller, der auch politisch Standpunkte vertritt. Und Neue Musik gehört immer dazu, mindestens Arnold Schönberg, als dessen Apologet er spätestens seit einer Referenz-Aufnahme aus den 1970ern gehört. Aber auch Pierre Boulez oder Karlheinz Stockhausens Klavierwerk gehört in seinen Kosmos. Mit diesem Abend hat er ein abgesagtes Konzert im letzten September nachgeholt. Ursprünglich sollte Ludwig van Beethovens „Hammerklaviersonate“ mit ausgewählten Stücken Schönbergs kombiniert und mit der „Grande Sonate pathétique“ ergänzt werden. Doch kurzfristig hat sich Pollini anders entschieden und Beethovens letze drei Sonaten ausgerufen. Ein denkwürdiger Klavierabend in der Kölner Philharmonie mit Maurizio Pollini und den letzten drei Beethovensonaten weiterlesen

Oh là là und Aïe aïe aïe! Das Gürzenich-Orchester läutet in einem musikalisch überschäumenden Neujahrskonzert das Offenbachjahr 2019 in Köln ein und hebt einen verschollenen Einakter halbszenisch aus der Taufe!

Inseklkönigin Oyayaye und Racle-à-Mort. Hagen Matzeit (Countertenor) und Matthias Klink (Tenor); Foto: Thomas Kost
Inseklkönigin Oyayaye und Racle-à-Mort.
Hagen Matzeit (Countertenor) und Matthias Klink (Tenor); Foto: Thomas Kost

Es gibt ja kaum etwas, das Jacques Offenbach nicht auf die Bühne gebracht hat. Wurzelgemüse, das ein Königreich usurpiert wie in „König Karotte“. Ein Hund, der besser regiert als alle Männer zusammen, wenn er von einer Frau geführt wird, wie in „Barkouf“. Nicht zu vergessen das in damals erstaunlich aktuellen Gesellschaftsintrigen verstrickte antike Götterpersonal! Da wundert es kaum, dass sein erster Einakter für Paris von der Inselkönigin Oyayaye handelt, die einem bei ihr gestrandeten Kontrabassisten droht, ihn in den Kochtopf zu werfen, sobald ihm der Esprit ausgeht. Oh là là und Aïe aïe aïe! Das Gürzenich-Orchester läutet in einem musikalisch überschäumenden Neujahrskonzert das Offenbachjahr 2019 in Köln ein und hebt einen verschollenen Einakter halbszenisch aus der Taufe! weiterlesen

Être ou ne pas être… Die Hamlet-Oper von Thomas Ambroise steht derzeit nicht nur auf dem Spielplan in Mönchengladbach. An der Opéra Comique wird derzeit eine Neuproduktion gefeiert

Der Narr, Andrew Nolen, hält die Aschenurne des ermordeten Vaters Hamlet, Raphael Bruck, hin. Foto: Mathias Stutte
In Mönchengladbach hält der Narr, Andrew Nolen, die Aschenurne des ermordeten Vaters Hamlet, Raphael Bruck, hin. Hinten tobt die Hofgesellschaft. Foto: Mathias Stutte

Ambroise Thomas ist ein absoluter Theaterpraktiker gewesen. Aufführungen müssen funktionieren und das Publikum überzeugen. Eine eigene unverkennbare Handschrift ist hörbar nicht sein Ziel gewesen. Aber eine erstaunliche und für Dirigenten faszinierende Stilvielfalt entfesselt Thomas im Orchestergraben. Être ou ne pas être… Die Hamlet-Oper von Thomas Ambroise steht derzeit nicht nur auf dem Spielplan in Mönchengladbach. An der Opéra Comique wird derzeit eine Neuproduktion gefeiert weiterlesen

Rauf und runter vom Sockel! In Bonn erlebt die Komödie mit Musik „Marx in London“ eine umjubelte Uraufführung.

Karl Marx, Mark Morouse, arnt vor der Gefahr des Kapitals! Foto: Thilo Beu
Karl Marx, Mark Morouse, warnt vor der Gefahr des Kapitals! Foto: Thilo Beu

Das war nicht vorhersehbar: ein prall gefülltes burleskes Musiktheater über Karl Marx begeistert das Publikum! Obwohl die Komödie nach einem Libretto von Charles Hart vorrangig Details seines nicht unbescholtenen Privatlebens pointiert. Aber der britische Komponist Jonathan Dove öffnet eine eklektizistische Wundertüte an Musik, präsentiert die Charaktere durch wirkungsvolle Stimmpartien, die in Bonn vom eigenen Ensemble auch hervorragend besetzt sind. Und das Stück-Szenario von Jürgen R. Weber, der auch Regie geführt hat, verquirlt virtuos banale bis hysterische Situationen mit kommunistischen Ideologiephrasen. Marx geht rauf und runter vom Ikonensockel! (Von Sabine Weber) Rauf und runter vom Sockel! In Bonn erlebt die Komödie mit Musik „Marx in London“ eine umjubelte Uraufführung. weiterlesen

Das Meer sind wir! – Frederic Wake-Walker und Nicholas Collon gelingt eine dramatisch wie musikalisch eindringliche „Peter Grimes“-Inszenierung an der Oper Köln

Marco Jentzsch (Peter Grimes), Darren Jeffery (Hobson) Foto: © Bernd Uhlig
Marco Jentzsch (Peter Grimes), Darren Jeffery (Hobson). Foto: Bernd Uhlig

Peter Grimes, ein großer tragischer Außenseiter, der von der Menge in den Selbstmord getrieben wird! An der Kölner Oper gelingt es, diese Tragödie nicht bloß als das Schicksal eines Einzelnen, sondern als vielschichtige Doppeltragödie zu inszenieren. Und der Chor entwickelt eine Eigenpersönlichkeit! (Von Jukka Höhe) Das Meer sind wir! – Frederic Wake-Walker und Nicholas Collon gelingt eine dramatisch wie musikalisch eindringliche „Peter Grimes“-Inszenierung an der Oper Köln weiterlesen

György Kurtágs Oper „Fin de Partie“ nach Samuel Beckett wird an der Scala uraufgeführt. Und lässt hören, wie Beckett zu Kurtàg wird!

Ein bedrückendes Setting in der Uraufführung von Fin de Partie in Mailand: Nagg in seiner Mülltonne (Leonardo Cortellazzi), Clov (Leigh Melrose) und Hamm (Frode Olsen) Foto: Ruth Walz
Ein bedrückendes Setting in der Uraufführung von Fin de Partie in Mailand: Nagg in seiner Mülltonne (Leonardo Cortellazzi), Clov (Leigh Melrose) und Hamm (Frode Olsen) Foto: Ruth Walz

Ob es Beckett gefallen hätte, können wir kaum glauben. Denn György Kurtág emotionalisiert, und dies ganz bewusst! Dennoch grenzt diese Beckett-Oper an ein Wunder. Mit fast 92 Jahren hat sich Ungarns – vielleicht sogar der Welt – berühmtester lebender Komponist den Traum einer ersten Oper verwirklicht! Bei allem, was er kompositorisch vorlegt, geht er streng ins Gericht. Nie eine Note zuviel, um so kondensiert wie möglich etwas auszudrücken! Und das oft mit einer humorvollen Note! Die braucht es auch für „Fin de Partie“, eine schwarz-düstere Parabel um vier behinderte Menschen, die wegwollen und nicht voneinander loskommen. In der es am Ende auch nicht zum Äußersten kommt. Kein Drama nirgends, dafür viele banale bis absurde Wortwechsel. Kurtág als musikalischer Dramaturg greift als sein eigener Librettist ein, folgt dem französischen Sprachklang Becketts Wort für Wort, versucht aber, Zwischentöne hörbar zu machen. Das, was jenseits der Gleichgültigkeit, die die Beckettschen Figuren an den Tag legen, an Bedürfnissen oder Verletzungen subkutan lauert. Die Klänge, die Kurtág dazu einfallen, verraten einen großen Meister der orchestralen Möglichkeiten! (Von Sabine Weber) György Kurtágs Oper „Fin de Partie“ nach Samuel Beckett wird an der Scala uraufgeführt. Und lässt hören, wie Beckett zu Kurtàg wird! weiterlesen

Warlikowski erzählt Leoš Janáčeks Aus einem Totenhaus für Brüssel. Und stellt das System Gefängnis zur Diskussion!

Ganz links im Käfig: Sir Willard White als Gorjančikov, Alexander Vassiliev als Gefängnisgouverneur; daneben: Štefan Margita als Luka, Graham Clarke, ein älterer Gefangener und Nickey Spencer, ein kleiner Gefangener. Foto: Bernd Uhlig
Ganz links im Käfig: Sir Willard White als Gorjančikov, Alexander Vassiliev als Gefängnisgouverneur; daneben: Štefan Margita als Luka, Graham Clarke, ein älterer Gefangener und Nickey Spencer, ein kleiner Gefangener. Foto: Bernd Uhlig

“Die Erfindung des Gefängnisses als legale Bestrafung verfehle seit ihrer Erfindung ihr erklärtes Ziel”. Der große französische Philosoph Michel Foucault ist im Bild. “Welche Rolle spielt das Gesetz oder der Richter?” Die militärische und schulmeisterliche Gefängniskontrolle jedenfalls demütige, zerbreche und sorge lediglich dafür, dass Straftäter Straftäter blieben. Das Filmdokument stammt wohl aus den 1970er Jahren. Sicherlich hat sich der Strafvollzug seitdem verbessert. Was Fjodor Dostojewsky in einem sibirischen Gefangenenlager am eigenen Leib erfahren hat, bestätigt allerdings Foucault. Eine schockierende Erfahrung von Habgier und Brutalität der Mitgefangenen, die vor allem eines nicht zeigten, Reue. In seinen halbbiografischen „Aufzeichnungen aus einem Totenhaus“ verarbeitet Dostojewsky seine vierjährige Omsker Festungshaft. Leoš Janáček greift in seiner letzten Oper darauf zu. Warum der Schöpfer großer Frauenfiguren diesen männlich dominierten Stoff in seinem letzten Bühnenwerk vertonen wollte, bleibt eine offene Frage. Wollte er den Gegenbeweis antreten, dass es für jeden Gefangenen doch einen Funken Hoffnung geben könnte? Er lässt sie zu einer hochemotionalisierten Musik zu Wort kommen, die man fast nicht aushalten kann. (Von Sabine Weber) Warlikowski erzählt Leoš Janáčeks Aus einem Totenhaus für Brüssel. Und stellt das System Gefängnis zur Diskussion! weiterlesen

Die Staatsoper Hannover eröffnet das Jacques-Offenbach-Jahr mit König Karotte. Und zeigt, dass märchenhaftes Ausstattungstheater auf einer deutschen Bühne glänzend funktioniert!

Prinz Fridolin (Eric Laporte) wird von König Karotte (Sung-Keun Park) in die Knie gezwungen. Dahinter Chor der Staatsoper Hannover Foto: Jörg Landsberg
Prinz Fridolin (Eric Laporte) wird von König Karotte (Sung-Keun Park) in die Knie gezwungen. Dahinter Chor der Staatsoper Hannover. Foto: Jörg Landsberg

Auch das geht auf das Konto des Pariser Opernspötters Jacques Offenbach! Eine Opéra-Bouffe-Féerique, in der sich eine Möhre zum Tyrannen eines Königreiches aufschwingt. Begleitet von Rettich, Kartoffel und Roter Beete übernimmt er das Regime. Das Riesenspektakel von Theaterschriftsteller Victorien Sardou und Jacques Offenbach bricht bei seiner Aufführung 1872 am Pariser Theatre Gaité alle Rekorde. 200 Personen wimmeln für eine sechsstündige Aufführung in Kostümen, für die drei Kostümbildner über 1000 Kostüme schneidern. Ein Riesenerfolg, der Offenbach in den Ruin treibt, nur wenige Male nachgespielt, dann vergessen und nie ediert wird. In der von Jean-Christophe Keck betreuten kritischen Erstausgabe ist dieses Werks für Boosey & Hawkes/Bote & Bock Berlin 2015 in Lyon über die Bühne gegangen. Mit der Erstaufführung in deutscher Sprache hat die Staatsoper Hannover jetzt das Offenbachjahr 2019 eingeläutet. In der deutschen Neuübersetzung von Jean Abel, die pfiffig vor allem perfekt den Couplets und Rondeaus angepasst und erstaunlich aktuell rübergekommen ist. Ein großer Coup ist gelungen. Das Publikum war zu Recht aus dem Häuschen! (Von Sabine Weber) Die Staatsoper Hannover eröffnet das Jacques-Offenbach-Jahr mit König Karotte. Und zeigt, dass märchenhaftes Ausstattungstheater auf einer deutschen Bühne glänzend funktioniert! weiterlesen

Blindheit als schicksalsverhafteter Seinszustand! Lydia Steier inszeniert einen Doppelabend mit Strawinskys Oedipus Rex und Tschaikowskys Jolanthe für Frankfurt und bringt Bewegung in die Dramen!

Asmik Grigorian  als Jolanthe und Robert Pomakov als König Renésowie Ensemble in der Puppenstube. Foto: Barbara Aumüller
Asmik Grigorian als Jolanthe und Robert Pomakov als König René, sowie Ensemble in der Puppenstube. Foto: Barbara Aumüller

Als sich der Vorhang nach der Pause hebt, gibt es erst einen Aufschrei, dann Szenenapplaus! Eine grell pinke Riesenpuppenstube ist mit Blondinenpüppchen bis unters Dach in Reih und Glied auf Regalen an den Wänden ausgestattet. Jolanthe sitzt blind und hilflos im Barbielook auf dem Bett, umringt von ihren Dienerinnen im gleichen Outfit. Diese phobische Kinder-Traumwelt von Bühnenbildnerin Barbara Ehnes hätte keinen größeren Kontrast zu der gestrengen grau-weiß gehaltenen Bühnenarchitektur vor der Pause darstellen können. In einer Nachbildung des Weimarer Reichstags steht der antike Ödipus und wird von seiner Vergangenheit grausam eingeholt. Umzingelt von einer grauen Herrengesellschaft. Einzig Jokaste im grell roten Abendkleid setzt einen kurzen, aber magischen Kontrapunkt, bevor die ausgestochenen Augen bluten! (Von Sabine Weber) Blindheit als schicksalsverhafteter Seinszustand! Lydia Steier inszeniert einen Doppelabend mit Strawinskys Oedipus Rex und Tschaikowskys Jolanthe für Frankfurt und bringt Bewegung in die Dramen! weiterlesen

social listening and reading