Wann hat zuletzt ein Kölner Orchester die Philharmonie bis auf den letzten Platz gefüllt? Und das Publikum kam voll auf seine Kosten. Ein klug zusammengestellter beschwingter Bogen von „Till Eulenspiegels lustigen Streichen“ bis zu DEM „Boléro“, gefüllt mit 3/4 Walzer- und 2/4-Marschtakten, im Zentrum Bernd Alois Zimmermanns „Rheinische Kirmestänze“ für 13 Bläser, lassen das Publikum aus den Sesseln aufspringen. „Und los!“ (Von Sabine Weber)
(3. Januar 2025, Kölner Philharmonie) Das ist richtig wohltuendes Gedränge bereits im Foyer! Und die Stimmung im Saal ist sofort bombig. Richard Strauss‘ Tondichtung ist geritzt, nach dem heiklen Hornsolo mit dem Eulenspiegel-Motiv. Spielerisch neckisch ohne Kiekser vom 1. Hornisten dringt das Podiumskollektiv in die Ritzen jedes Strauss-Witzes, ohne zu forcieren. Gleichsam nonchalant! Die Orchestersolisten, allen voran der Klarinettist, spielen perfekt aus, sodass man dem Possenreißer bis zum Marsch zum Galgen gebannt auf der Spur bleibt. Schmachtend schön dann Emanuel Chabriers Fête Polonaise aus seiner Erfolgsoper Le roi malgré lui mit virtuosem Triangeleinsatz. Kurt Weills Ouvertüre zu Der Silbersee folgt– ein Wintermärchen mit Aufbruchstimmung und nachdenklich typischem Songstil-Weill in der Mitte. Die Trompete stimmt wie Mackie Messer an.
Es soll Spaß machen! Und macht Spaß!
Die Dilirien bringen ausgefeilten Wiener-Walzer-Charme vom Josef der Strauß-Dynastie. Josef Strauss schrieb sich allerdings bewusst mit zwei ss! Immer wieder greift Dirigent Markus Stenz zum Mikro und wendet sich kurz zum Publikum, um mit kleinen dosierten Ansagen das Publikum persönlich zu bekommen. Es soll Spaß machen. Und entertainen kann er, wie die Kölner wissen, sehr einnehmend. Zu Berlioz elegantem Marche hongroise aus der Oper La damnation de Faust fällt ihm Louis de Funès ein, den er kurz imitiert. „Nein, doch! Och …!“ Der Komiker hat nämlich mal einen Dirigenten gemimt und genau das Stück dirigiert, das jetzt kommt.
Piccoloflöten und größtes Tam-Tam!
Geschickt entwickelt sich das Programm und steuert mit William Waltons „crescendiös“ sich entwickelndem Crown Imperial March stilsicher auf den Boléro zu. Und nach all dem musikalischen Witz und Charme versteht man Maurice Ravels trockenen Witz des immer Gleichen, eben auf höchst ungewöhnliche und vor allem komische Weise Klang-registriert jetzt ganz anders. Es beginnt so leise mit dem zupfenden Violoncelli, dass man sie fast nicht hören kann. Die Kontrabässe tanzen beim Zupfen der drei Begleittöne bald schwungvoll beglückt mit den Armen. Die immer gleiche Melodie und die Begleittöne werden weiter und weitergereicht. Da schleifen die beiden Saxophone und die Posaunen herrlich vulgär mit Jazzattitüde. Einmal klingt’s wie Kirmesorgel. Die Celesta und die Piccoloflöten, ergänzt von Fagott und? … ergeben das skurrilste Klangbild im ganzen Stück. Und schon wird das große Tam-Tam zurechtgerückt für die finalen Schlussschläge, das „Trömmelchen“ durch einen zweiten Snare-Drum-Spieler ergänzt. Sie sitzen vor dem Dirigenten. Das Forte fährt hier richtig ein.
Rut-wieß-Kappen
Das habe ich auch noch nicht erlebt. Nach stehenden Ovationen, Stenz lässt alle Solisten aufstehen, das gesamte Orchester und rennt immer wieder raus. Und das Publikum setzt sich hin und wartet. „Wie?“, frage ich meinen Nachbarn. „Die wissen doch gar nicht, ob es eine Zugabe gibt …“ Das sei eben „rheinisch“ – und vier Jecken mit rut-wieß-Kappen werden auch gesichtet. Die hat der Dirigent persönlich einbestellt, damit es bunt wird. Und … es kommt die Zugabe, obwohl nach dem Boléro doch nichts mehr kommen kann … aber „da wäre noch etwas in der Pipeline …“, so Stenz. Der Donauwalzer …!