Die Puccini-Lulu heißt Manon Lescaut und wird in der Premierenproduktion der Oper Köln auf Händen getragen

Liegt es an der erotisch aufgeladenen Inszenierung von Carlos Wagner oder der umwerfenden Carolina López Moreno, ein dramatisch jugendlicher Sopran mit Ausstrahlung, sodass die Lefzen tropfen. Andrés Orozco-Estrada als neuer Gürzenich-Chef hat goldrichtig auf diesen Durchbruchserfolg des Opernkomponisten Puccini kurz vor der Jahrhundertwende gesetzt. Selbst die vorvorletzte Aufführung ist so gut wie ausverkauft! (Von Sabine Weber)

(15. Oktober 2025,Oper Köln im Staatenhaus, vorvorletzte Vorstellung) Auch wer kein Puccini-Fan ist und der oftmals in den späten Opern so zelebrierten Klangkino-Gefühligkeit wegen distanziert ist, wird in Köln überzeugt. Die Farbigkeit des Orchester ist überwältigend. Da sind die Danze antiche im Stile Ottorino Respighis, zu denen Manon zur Unterhaltung der Oberschicht Tanzunterricht bekommt und sich zu prostituieren hat. Da ist das Bassklarinettensolo, das Todesahnungen schürt, ein plötzlicher Fugenausbruch, weil geflohen werden muss und nicht zuletzt die Streichquartetteinlagen im letzten Todesakt, in denen sich Puccini selbst und seine Crisantemi zitiert, komponiert auf den Tod Amadeo I. von Spanien. Andrés Orozco-Estrada versteht sich vorzüglich auf Details der orchestralen Farbgebung Puccinis, aber auch dessen Verve, die immer wieder wie aus dem Ärmel geschüttelt klingt. Und er reißt das immer exakt ihm folgende Gürzenich Orchester regelrecht mit, denen der emotionale Überschwang am Pult richtig wohl tut.

Der Sänger-Cast

Der Sänger-Cast ist vorzüglich. Allen voran und nochmals Carolina López Moreno, bolivianisch-albanischer Abstammung und in Nürtingen geboren, die ihre Rolle auch umwerfend spielt. Dabei muss sie ihr weißes Unschuldskleid des ersten Aktes abstreifen, Beine und Popo zeigen, mit Zirkuszylinder und neckisch kurzem Dompteursjäckchen in rot, wie sie jeder Mann dem Objekt der Begierde zu verpassen wünscht (Kostüme Jon Morell) sich in Striptease-Stangentanz-Posen gerieren oder auf dem Rücken ihres kriechenden Dauerkunden Garonte (solide: Cristian Saitta) Peitsche-schwingend reiten. Vielleicht ist Gaston Rivero als Des Grieux  ihre wahre Liebe, stimmlich ihr ebenbürtig, vielleicht in der Gestalt aber nicht genau das, was man sich unter einem Liebhaber-Studenten vorstellt. Was solls, bei Puccini muss gut gesungen werden. Wolfgan Stefan Schwaiger als Bruder Manons ist wieder in allem perfekt. Statt sie ins Kloster zu bringen, verkuppelt er sie in eigenem materiellen Interesse und gibt sie der Prostitution preis. Er tritt wie ein dubioser Möchtegern-Mafiosi in Erscheinung, mit Sonnenbrille, hochgeschlossener Trenchcoat, Ganovenhut. Freilich ahnt er nicht, wo die der Promiskuität ausgesetzt Schwester letztendlich landet. Im letzten Akt liefert sie Garonte nämlich ans Messer, weil sie ihm nicht mehr willig sein will. Das eigentlich Liebespaar wird deportiert. Und stirbt in Amerika in der Wüste ausgesetzt mit anderen Zwangsexilanten mehr oder weniger dem Tod ausgesetzt. Für Manon und Des Grieux ist es freilich ein Liebestod mit Seitenblick auf Tristan und Isolde.

Skandalroman von Abbé Prévost

Mehr muss man über diesen unerhörten Stoff von Abbé Prévost aus dem Paris des 18. Jahrhundertsaus, also der Rokokozeit eigentlich nicht wissen. Von Puccini, wie zuvor schon von Jules Massenet, in die Gegenwart geholt, wird er 1893 mit zahlreicher Geburtshilfen am Libretto zum Meilenstein seiner Karriere, und verhilft ihm zum Durchbruch.

Carolina Lopez Moreno (Manon). Foto: Sandra Then
Die Regie

Die Regie von Carlos Wagner mit einem sich drehenden Karussell im Mittelpunkt der Bühne, dessen Stangen sich zum Schluss zu Manons Gefängnisgatter wandelt, funktioniert als Einheitsbühnenbild hervorragend und verbindet die Szenen, die durch Zeitsprünge ziemlich auseinandergerissen sind.  (Bühne: Frank Philipp Schlößmann) Auskomponierte Erzählungen à la Wagner überbrücken ebenfalls die Lücken. Der Kölner Opern-Chor, musikalisch gut, geriert sich zu Anfang etwas hilflos in platten Tanzgesten, wird zu adeligen Voyeuren und Manon verurteilende Strassenmenge. Das Stück lebt von Manon, die wirklich hinreißend von einer harmlosen 18 Jährigen zur Gefallenen mutiert. Etwas nervig ist, dass nebenbei ausgebreitet wird, dass diese Femme fatale Schmuck und Reichtum über alles liebt. Dem muss angemerkt werden, dass in damaligen Sozialsystemen allein sich behauptende Frauen kaum Möglichkeit hatten, ordentlich an Geld zu kommen. Sie waren auf Geschenke und Aushalten angewiesen. Ein bitteres Kapitel angesichts der Tatsache, dass auch in Deutschland der Frau relativ spät erst nach dem 2. WK erst die Eröffnung eines eigenen Kontos gesetzlich erlaubt wurde. Und noch dies: vielleicht ist das Orchester obwohl differenziert, manches Mal doch ein bisschen zu laut für die Sänger…

Die allerletzten Vorstellungen heute am 17. Oktober und 19. Oktober

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