CD-Überraschungen: Neue Countertenor-Sounds von Orlińsky und Jaroussky. Und exquisite Duette zweier Damen: Katharina Konradi und Catriona Morison

Philippe Jaroussky wagt sich an Schubert, vermeidet aber wohlweislich die großen Zyklen (ERATO). Orlińsky lässt sich auf Jazz-Popallüre ein (ERATO). Konradi und Morison entfalten nach romantischen Duetten von Schumann und Brahms mit französischen Mélodies einen ganz persönlichen Sound (AVI/ DEUTSCHE GRAMMOPHON). (Von Sabine Weber)

Jarousskys ganz persönliche Liebeserklärung an Schubert

Der Aufstieg des französischen Countertenors Philippe Jaroussky (1978) auf der Barockbühne war kometenhaft. Er klingt ja auch wie kaum ein anderer hell, nach Sopran. Sein Timbre ist einmalig klar, und er führt seine Stimme makellos ohne Brüche. Als er sich 2009 im Bahnhof Rolandseck bei Bonn mit Klavierbegleiter Jérôme Ducrois erstmals mit französischen Mélodies der Belle Époque hören ließ, war unser Staunen groß. Er ist doch die kongeniale Stimme von Christina Pluhars Ensembles l‘Arpeggiata!

Und jetzt füllt er sogar eine CD – wieder mit Ducrois am Flügel – mit Schubertliedern! Die großen Zyklen der Müllerin oder Winterreise packt er nicht an. Er stellt sich seine eigene Abfolge aus unbekannteren Liedern zusammen. Im getragenen Ton zu Anfang, da ist er einfach umwerfend bezaubernd. Mit der Litanei auf das Fest aller Seelen D 343 oder den berühmten Rückertverse Du bist die Ruh! D 776. Wenn es mit der Forelle D 550 schneller und bewegter wird und auch in die Höhe geht, schlägt ganz selten mal ein kleines Altweiberflackern durch. Das Ave Maria, Ellens dritter Gesang D 839 fehlt natürlich nicht. Und im letzten Teil huldigt Jaroussky zusammen mit Ducrois Schubert und der Nacht und rundet damit einen Bogen. Diese CD sei eine ganz persönliche Liebeserklärung an Schubert, und ein besonderer Schubert. Hörenswert, und wer Jaroussky liebt ein „Muss“.

Orliński: mit #Lets BaRock scheint er eher seine Rolle zu suchen

Jakub Józef Orliński Aufstieg war nicht weniger rasant als der Jarousskys. Eine Generation später – er ist 1990 geboren – mischt er noch ganz anders die Szene mit Breakdance auf und ist sogar für akrobatische Einlagen zu haben. Er ist also prädestiniert für das Szenische auf der Opernbühne.

Als Händelspezialist hat er sich längst einen Namen gemacht, beispielsweise bei den Karlsruher Händelfestspielen. Und ist natürlich auch im pur originären italienischen Repertoire von Cavalli bis Vivaldi zuhause. Auf dieser CD lässt er sich vom ebenfalls polnischen Pianisten, Komponisten und Improvisator Aleksander Dębicz mal jazzig begleiten. Dabei ist noch ein multifunktionaler Bassist, der auch den Mog-Synthesizer einsetzt und ein Schlagzeuger. Es klingt oft Bach-affin und Arrangements lassen an Jacques Loussier denken. Orliński liefert mal nur eine Vokalise, singt dann Purcell, Monteverdi, mit eben einer klanglich neuen Untermalung. Entfesselt klingt er nicht, wie man meinen könnte. Orliński Stimme scheint wenig von der neuen Klangumgebung zu profitieren. Und scheint eher seine Rolle zu suchen, sich an- und einzupassen. In Monteverdis Zefiro torna singt noch Madison Mona, über die man im Booklet nichts erfährt. Die CD gipfelt schlussendlich in einem polnischen Popsong. Und da geht Orliński auch mal aus sich raus.

Konradi und Morison gehen in der französischen Ambiance auf


Die große Überraschung sind die Duette mit Katharina Konradi und Catriona Morison. Die hört man so selten und auf CD schon gar nicht. Perfekt harmonieren die beiden, kongenial begleitet Amir Bushakevitz. Allerdings geht einem die gespielte Volkstonnähe und Mädchenromantik bei Schumann (Märchenlieder op 103) und Brahms (Duette op 20 und 61) mit den ewigen Terz- und Sextparallelen fast auf die Nerven. Und schon kommen französische Mélodies von Ernest Chausson, Maria Malibran, Mel Bonis, Pauline Viardot (mit einer Habenera, wozu Saint-Saëns Boléro sich bestens fügt). Beide Stimmen entwickeln prsönlichen Charakter und gehen in der französischen Ambiance auf. Gabriel Faurés Tarantella zum Schluss ist ein Sahnehäubchen. Fauré hat sie den beiden Viardot-Töchtern in die Kehle geschrieben. Eine amüsante Hommage an den Jubilar Fauré, dessen Todestag sich am 4. November 2024 zum 100. Mal gejährt hat.

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