Archiv der Kategorie: Premierenbesprechungen

Die Frankfurter Oper entdeckt Gabriel Faurés „Pénélope“. Ein Wunder an Klängen – in einer hilflosen Regie

Die Entdeckung französischer Opern schreitet fort! Nach César Francks „Hulda“ in Freiburg erwirbt sich jetzt Frankfurt Meriten mit Gabriel Faurés „Pénélope“. Faurés Opernwerk ist das Unikat eines geschätzten Lied- und Kammermusikkomponisten. Das Prélude zum ersten Akt zählt, neben seiner Schauspielmusik zu „Pelléas et Mélisande“, zu seinen sinfonischen chef-d‘œuvres. Aber die dreiaktige Oper findet nach ihrer Uraufführung in Monte Carlo 1913, als Eröffnungspremiere im neuen Champs-Elysées Theater in Paris im selben Jahr und noch einmal aufgeführt 1919 an der Opéra-comique keine Gnade im Repertoire. Die Musik ist soghaft berauschend, dennoch der französischen Clairté verhaftet und bietet kammermusikalisch durchleuchtete lyrische Momente der ganz besonderen Art. Und auch die Gesangspartien legen sich dankbar geformt darüber und darein. Interpretinnen wie Régine Crespin oder Jessye Norman haben die Partie der Pénélope nie verschmäht und aufgenommen. An der Oper in Frankfurt hat man sich an eine Gesamtaufführung gewagt. In der aktuellen Produktion ist die Irin Paula Murrihy als Pénélope zu erleben und kehrt das noble und edle dieser Partie heraus. Das Frankfurter Opern- und Museumsorchester unter Joanna Malwitz lässt die Partitur glänzen und glitzern. (Sabine Weber) Die Frankfurter Oper entdeckt Gabriel Faurés „Pénélope“. Ein Wunder an Klängen – in einer hilflosen Regie weiterlesen

Das Theater Dortmund eröffnet seinen Wagner-Kosmos mit Lohengrin! Und Elsa wandelt mit Freud durch einen Alptraum!

In Dortmund wird der Wagner-Kosmos mit himmlisch ätherischen Klängen eröffnet.  Im Vorspiel, das „die Geschichte eines sagenhaften Mannes” erzählt, der das Weib sucht, das ihn unbedingt liebe…“ So Richard Wagner in der Mitteilung an seine Freunde 1851 über seine neue Oper „Lohengrin“. Wagner will, dass sein sagenhafter Schwanenritter  „nach dem einzigen sucht, das ihn aus seiner Einsamkeit erlösen, seine Sehnsucht stillen könnte – nach Liebe, nach Geliebtsein, nach Verstandensein durch die Liebe.“ Ein Scheitern ist unausweichlich – denn die perfekt Liebende, die nie zweifeln und nie fragen würde „woher, warum, weshalb…?“ gibt es nicht. Und darf es auch nach Regisseur Ingo Kerkhof nicht geben! Er dreht die Geschichte um und fokussiert die Frau, die gegen das Reglement eines Mannes, nicht in Frage gestellt zu werden, aufbegehrt. (Sabine Weber) Das Theater Dortmund eröffnet seinen Wagner-Kosmos mit Lohengrin! Und Elsa wandelt mit Freud durch einen Alptraum! weiterlesen

Diese Liebe lässt kalt! Die Uraufführung von Chaya Czernowins „Heart Chamber“ wirft Fragen auf!

Chaya Czernowin zählt zu den radikalen Avantgardekomponistinnen und zu den erfolgreichen, die aufgeführt werden. Ihre musikalische Sprache integriert elektronische Klänge ebenso wie Geräusche. Mit ihren Werken will die israelisch-amerikanische Komponistin zum Hinhören animieren, aber auch zum Nachdenken anregen. Seit 20 Jahren auch mit Musiktheater. In ihrer Erstlingsoper „Pnima… ins Innere“ hat sie, Tochter von Holocaust-Opfern, den Umgang mit Erinnerungen der Nachfolgegenerationen thematisiert. In „Adama“, als Einlegeoper für das Mozartopernfragment „Zaïde“ zum 250. Mozartjubiläum, die Unfähigkeit einer Israelin und eines Palästinensers, sich über kulturelle Gegensätze hinweg zu setzen. Infinite Now, ihr bisher größtes Opernwerk, ist in Koproduktion mit der Opera Vlaanderen und dem Nationaltheater in Mannheim entstanden. Es handelt von Kriegserfahrungen aus dem Ersten Weltkrieg, überlagert von der surrealen Erzählung „Heimkehr“ einer chinesischen Autorin. Für ihr jüngstes Musiktheaterprojekt Heart Chamber hat sie sich einem abstrakten Sujet verpflichtet, nämlich der Erforschung der Liebe. Welche Ängste und Vorbehalte lösen reale Berührungsmomente aus, welche Reaktionsmuster rufen sie hervor? Doch die 90 Minuten lassen einen ratlos zurück. Denn wenn diese Beziehungsunfähigkeit Liebe sein soll, müsste die Menschheit bald aussterben! (Sabine Weber) Diese Liebe lässt kalt! Die Uraufführung von Chaya Czernowins „Heart Chamber“ wirft Fragen auf! weiterlesen

Opulente Bilder mit surrealen Brechungen. Lydia Steier inszeniert Carmen in Köln

Georges Bizets „Carmen“ 1875 mit mäßigem Erfolg an der Pariser Opéra Comique uraufgeführt, entpuppt sich kurze Zeit später als Erfolg und ist heute eine der meistgespielten Opern auf der Welt. Sie spielt in Sevilla und hat damals den „Hispanismus“ als exotische Musiknote zum Modetrend gemacht. Was die Frau im Fokus dieser Oper betrifft, füllt sie inzwischen Bände: Femme fatale, rassige Zigeunerin, Hexe, sexgeiles Liebesobjekt, bedrohliche Exotin, eine Konfliktauslöserin tiefenpsychologischer Freudscher Verklemmungen… Projektionsflächen aus der Sicht von Männern! Für die Kölner Premiere gestern in der Oper im Staatenhaus hat Lydia Steier mal ein bisschen an diesem Klischee gekratzt und ihre weiblichen Reize in einem Overall und Stiefeln versteckt. Dass Carmen in einer Inszenierung mal ohne die üblichen Verführungsallüren auskommt, finde ich als Frau sehr erfrischend. (Sabine Weber) Opulente Bilder mit surrealen Brechungen. Lydia Steier inszeniert Carmen in Köln weiterlesen

Existentielle Metamorphosen! Romeo Castelluccis Sicht auf Arthur Honeggers „Jeanne d‘Arc au bûcher“ am La Monnaie/ De Munt in Brüssel!

Kriegerische Amazone, arme Bauerntochter, besessene Jungfrau oder visionäre Heilige … Wer sie wirklich war, wissen wir auch nach den 100 Minuten in der Brüsseler Oper nicht. Regisseur Romeo Castellucci kratzt zwar an den Schichten, die sich im Laufe der Geschichte auf ihren Mythos, beziehungsweise um die inzwischen heilig-gesprochene Patronin Frankreichs gelegt haben. Er legt aber auch neue Projektionsflächen an. Erlebbar macht er vor allem einen Menschen, der einsam ist. Jeanne hat es in Konfrontation mit den Autoritäten gehörig mit der Angst zu tun bekommen. Und dass sie, wenn auch hier kontrolliert Amok läuft, weil sie politisch benutzt wird und dafür kläglich im Feuer sterben muss, ist nachvollziehbar. Ein Hauptverdienst des Abends geht auf das Konto der großartigen Schauspielerin Audrey Bonnet. Die Partie der Jeanne ist eine reine Sprechrolle. Audrey Bonnet durchlebt das in Jeannes kurzem Leben so tief gesunkene Hoffnungsbarometer bis in ein vorweg geschaufeltes Grab hinein mit hohem körperlichem Einsatz. Das sorgt für Kontrapunkte zu den über weite Strecken mystisch-magischen verklärenden Klangflächen. (Von Sabine Weber)

Hausmeister/ Jeanne. Foto: Bernd Uhlig
Bruder Dominique vor und Hausmeister/ Jeanne hinter der Tür. Foto: Bernd Uhlig

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Saisoneröffnung 19/20 in Bonn mit dem Rosenkavalier. Josef Ernst Köpplinger gibt sein Regiedebüt!

Der Rosenkavalier ist im Repertoirebetrieb DAS Vorzeigestück für festliche Anlässe! Ein Fest der Stimmen! Und für eine Saisonpremiere eine repräsentative Wahl. Das Theater Bonn eröffnet seine Saison 19/20 mit dieser Richard-Strauss-Oper noch aus einem anderen Grund. Josef Ernst Köpplinger, gebürtiger Österreicher, hat für die Regie zugesagt. Das war für den Bonner Generalintendanten Bernhard Helmich Bedingung, um das Stück als Saisonpremiere zu setzen. Köpplinger gilt als ein Regisseur, der sowohl im Sprech- wie Musiktheater zuhause und zudem ein erklärter Operetten-Regisseur ist. Seit 2013 ist er Intendant am Münchner Gärtnerplatztheater und setzt in seinen Spielplänen immer wieder Musicals oder Operetten gleichberechtigt neben die große Opernliteratur. Köpplinger schwört auf die leichte Muse, so sie Unterhaltung mit Haltung bietet! Der Rosenkavalier ist aber natürlich keine Operette! (Von Sabine Weber) Saisoneröffnung 19/20 in Bonn mit dem Rosenkavalier. Josef Ernst Köpplinger gibt sein Regiedebüt! weiterlesen

Weibliche Ekstase im mystischen Verklingen! Salvatore Sciarrinos “Infinito Nero” über die Mystikerin Maria Magdalena de‘Pazzi in Bonn

THEATER BONN: INFINITO NERO
Dshamilja Kaiser (Maria Maddalena); Keisuke Mihara (Das menschgewordene Wort); Helena Baur (Die junge Maria Maddalena)
Foto: Thilo Beu

Mystikerinnen und ihre Ekstasen sind ein Phänomen. Ein katholisches! Wobei diese weiblichen Ekstasen in der Enthaltsamkeit nicht selten einen erotischen Touch haben. Mit unglaublicher Hingabe und Leidenschaft bezieht sich die zumeist Nonne auf den blutenden Jesus im Lendenschurz. Die Visionärinnen haben dann auch noch einen männlichen Beichtvater oder Mittler, das macht die Sache heikel. Christina von Stommeln ihren Petrus von Dacien, Adrienne von Speyr Urs von Balthasar. Das berühmteste Klosterpaar sind wohl Heloise und Abaleard. Hildegard von Bingen und ihr anonymer Schreiber sind über alle Zweifel erhaben. Und Maria Magdalena de‘Pazzi aus einem Schweigeorden der Karmeliterin in Florenz brauchte keine Männer. Acht Nonnen hielten sich in ihrem Zimmer auf, damit, wenn sie in Ekstase fiel, ihre in irrem Tempo gestammelten Worte aufgenommen und solange wiederholt wurden, bis sie aufgeschrieben waren. Nach ihrer Ekstase konnte sie sich nämlich an nichts mehr erinnern. Fünf Bücher sind auf diese Art und Weise mit ihren Worten gefüllt worden. Blut ist eines der häufigsten Worte, die darin vorkommen. Sie ist heilig gesprochen worden. Der italienische Komponist Salvatore Sciarrino hat 1998 Textauszüge zu einer theatralische Szene entwickelt. Wobei das Theatralische im Wort steckt. Denn die Musik ist allenfalls ein Hauch vor dem Verklingen. (Von Sabine Weber) Weibliche Ekstase im mystischen Verklingen! Salvatore Sciarrinos “Infinito Nero” über die Mystikerin Maria Magdalena de‘Pazzi in Bonn weiterlesen

„Der Goldene Drache“ von Peter Eötvös in Mönchengladbach und der Komponist sitzt im Publikum!

Das Theater Krefeld-Mönchengladbach ist die älteste Theaterhaus-Ehe der Republik! Die verläuft erfolgreich und glücklich, hat allenfalls einen kleinen Schönheitsfehler, dass es nämlich die A-Premieren gibt, die, wenn sie ins zweite Haus wandern, nur noch B-Premiere sind. In NRW hat eine solche B-Premiere aber einen Vorteil. Wer die A-Premiere eines Stückes nicht besuchen kann, darf nicht allzu weit weg auf die B-Premiere setzen. Und die hat mit dem MusikTheater „Der Goldene Drache“ in Mönchengladbach einen zufällig glamourösen Zusatzeffekt bekommen. Komponist Peter Eötvös reist an, stellt sich im Theaterkaffee dem Publikum in einem lockeren Gespräch mit der Dramaturgin Ulrike Aistleitner auch vor und sitzt schließlich mit offenkundiger Anteilnahme in der Aufführung. Zu erkennen an der Hand, die an bestimmten Stellen als Spannungsbarometer ihre Position im Gesicht verändert. Und ziemlich häufig setzt er auch ein wohlwollendes bis amüsiertes Lächeln auf! (Von Sabine Weber) „Der Goldene Drache“ von Peter Eötvös in Mönchengladbach und der Komponist sitzt im Publikum! weiterlesen

Saisoneröffnung 19/20 in Brüssel mit der Uraufführung von Macbeth Underworld von Pascal Dusapin

Mit Spannung ist die Saisoneröffnung und Uraufführung von Pascal Dusapins „Macbeth Underworld“ erwartet worden. Dusapin zählt zu den erfolgreichsten französischen Opernkomponisten der Gegenwart und ist ein bekannter Gast am De Munt/ La Monnaie in Brüssel. Mehr noch, Komponist des Vertrauens des dortigen Intendanten Peter De Caluwe. Dusapins „Medeamaterial“ nach Heiner Müller ist hier 1992 aus der Taufe gehoben worden. Sein Opernballett „Passion“ in Koproduktion mit dem Festival in Aix-en-Provence am Munt/ Monnaie 2008 über die Bühne gegangen. Zuletzt 2015 „Penthesilea“ nach Heinrich Kleist auf ein deutsches Libretto, das just zu der aktuellen Dusapin Uraufführungspremiere beim Label Cyprès herauskommt. Eine bemerkenswerte Aufnahme übrigens! Denn Georg Nigl ist dabei. Diesem stimmlich und spielerisch ausdrucksstarken und Neue Musik affinen Bariton hat Dusapin die meisten Titelrollen seiner Werke auf den Leib komponiert. So jetzt auch wieder. Saisoneröffnung 19/20 in Brüssel mit der Uraufführung von Macbeth Underworld von Pascal Dusapin weiterlesen

Die Straßburger Opéra du Rhin eröffnet die Saison mit Philip Venables Psychosis 4.48 und feiert sich als Opernhaus des Jahres!

Was für ein „Europa-Tag“ in Straßburg! Das dort beheimatete ARTE-Studio lädt europaweit Journalisten ein, um seine TV Konzert- und Opernsaison bekannt zu geben. ARD-Journalisten sind ebenfalls vor Ort, um Tuchfühlung mit neu nominierten EU-Ministern aufzunehmen, und, nach einem kaiserlicher Spätsommerwettertag, wird auch noch bekannt gegeben, dass Strasbourg sein Opernhaus als Opernhaus des Jahres feiern darf! Die Umfrage der Zeitschrift Opernwelt hat die Opéra du Rhin mit seinen Spielstätten in Strasbourg, Colmar und Mulhouse als ein Haus gewürdigt, das sich als „Opéra d’Europe“ versteht und „durch Entdeckerfreude, originelle Programme, vorbildliche Repertoirepflege sowie kreativen Esprit Aufsehen erregt!“ (Von Sabine Weber)
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Die Straßburger Opéra du Rhin eröffnet die Saison mit Philip Venables Psychosis 4.48 und feiert sich als Opernhaus des Jahres! weiterlesen