Archiv der Kategorie: Oper

Saisoneröffnung 19/20 in Brüssel mit der Uraufführung von Macbeth Underworld von Pascal Dusapin

Mit Spannung ist die Saisoneröffnung und Uraufführung von Pascal Dusapins „Macbeth Underworld“ erwartet worden. Dusapin zählt zu den erfolgreichsten französischen Opernkomponisten der Gegenwart und ist ein bekannter Gast am De Munt/ La Monnaie in Brüssel. Mehr noch, Komponist des Vertrauens des dortigen Intendanten Peter De Caluwe. Dusapins „Medeamaterial“ nach Heiner Müller ist hier 1992 aus der Taufe gehoben worden. Sein Opernballett „Passion“ in Koproduktion mit dem Festival in Aix-en-Provence am Munt/ Monnaie 2008 über die Bühne gegangen. Zuletzt 2015 „Penthesilea“ nach Heinrich Kleist auf ein deutsches Libretto, das just zu der aktuellen Dusapin Uraufführungspremiere beim Label Cyprès herauskommt. Eine bemerkenswerte Aufnahme übrigens! Denn Georg Nigl ist dabei. Diesem stimmlich und spielerisch ausdrucksstarken und Neue Musik affinen Bariton hat Dusapin die meisten Titelrollen seiner Werke auf den Leib komponiert. So jetzt auch wieder. Saisoneröffnung 19/20 in Brüssel mit der Uraufführung von Macbeth Underworld von Pascal Dusapin weiterlesen

Die Straßburger Opéra du Rhin eröffnet die Saison mit Philip Venables Psychosis 4.48 und feiert sich als Opernhaus des Jahres!

Was für ein „Europa-Tag“ in Straßburg! Das dort beheimatete ARTE-Studio lädt europaweit Journalisten ein, um seine TV Konzert- und Opernsaison bekannt zu geben. ARD-Journalisten sind ebenfalls vor Ort, um Tuchfühlung mit neu nominierten EU-Ministern aufzunehmen, und, nach einem kaiserlicher Spätsommerwettertag, wird auch noch bekannt gegeben, dass Strasbourg sein Opernhaus als Opernhaus des Jahres feiern darf! Die Umfrage der Zeitschrift Opernwelt hat die Opéra du Rhin mit seinen Spielstätten in Strasbourg, Colmar und Mulhouse als ein Haus gewürdigt, das sich als „Opéra d’Europe“ versteht und „durch Entdeckerfreude, originelle Programme, vorbildliche Repertoirepflege sowie kreativen Esprit Aufsehen erregt!“ (Von Sabine Weber)
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RT19: Eine beklemmende Studie über Holocausterfahrungen, die eine Mutter-Tochter Beziehung noch in der übernächsten Generation traumatisiert

Vision oder Wirklichkeit? “Evolution” nennt Kornél Mundruczó seine neueste Kreation, die als letzte Musiktheaterpremiere am 5. September ihre Uraufführung auf der Ruhrtriennale in der Jahrhunderthalle in Bochum gefeiert hat. In drei zeitlich aufeinanderfolgenden Bildern entwickelt der künstlerische Leiter, Theaterregisseur und Mitgründer des freien Budapester Proton-Theaters die Handlung. Die Vergangenheit entdeckt ein Putztrupp. Er reinigt eine Sammeldusche und wird von der Vision einer Gaskammer heimgesucht. Im zweiten Bild, der Gegenwart zugeordnet, so Mundruczó, setzen sich Tochter und Mutter über das Jüdisch-sein auseinander und offenbaren sich dabei ihre Geschichten und ihre traumatischen Verletzungen. Im letzten Bild sorgt ein gigantischer Lichtstrahl aus den Tiefen der Jahrhunderthalle für Licht in einem Tunnel, in den der Sohn, bzw. Enkel mitsamt seinen Chatfreund*innen aufbricht, die ihre zuvor an einander ausgetestete Mobbingmaschinchen dabei haben, Mobilfunkgeräte. Ist das die Zukunft? (Von Sabine Weber) RT19: Eine beklemmende Studie über Holocausterfahrungen, die eine Mutter-Tochter Beziehung noch in der übernächsten Generation traumatisiert weiterlesen

RT19: Ensemble Ascolta fegt mit schrägem Roaring-Twenty Sound durch Gordon Kampes „Gefährliche Operette. Eine Wiederbelegung“. Countertenor Daniel Gloger läuft in einer Travestie-Nummernrevue zu Hochform auf!

(Foto: Heinrich Brinkmöller-Becker) Wiederbelegung ist hier nicht wortwörtlich zu verstehen und schon gar nicht Operette zu erwarten! In 16 Nummern – dazu gehören zwei Instrumentaleinlagen – wird allenfalls Operettenhafter Attitüde genüsslich der Hahn zugedreht. Am Ende ist die Operette eher tot. Lachen und Küssen als Unterhaltungswert wird musikalisch ins melancholisch-tot-Traurige verkehrt, das kleine Vögelchen wird getötet und muss sadistisch ausbluten oder Herzschmerz und deklarierter Lebenssinn wird mit einer Kindermelodie banalisiert. Eine verschrägte Dixielandband – statt Banjo mit dezent verzerrten E-Gitarrenklängen – vor allem mit immer neuen Klangideen, die auch an die Neue-Musik-Avantgarde der Zwanziger Jahre erinnern, wartet mit flirrenden und kratzenden Cellosounds auf, aggressiven Tuschs von Posaune und Trompete und vielen Schlagzeugeffekten von singender Säge über Waldteufel, Blechdosen, bis hin zum scheppernden Pekingoper-Gong und fährt in bissige, bisweilen Lächerlichkeit ausbreitende Texte hinein. Am Ende hat Daniel Gloger sich hinter einem Paravant zig mal in immer andere Klamotten und Posen geworfen und in seiner One-man-Show nicht nur Operetten-Charaktertypen mit Detailfreude untergehen lassen. (Von Sabine Weber) RT19: Ensemble Ascolta fegt mit schrägem Roaring-Twenty Sound durch Gordon Kampes „Gefährliche Operette. Eine Wiederbelegung“. Countertenor Daniel Gloger läuft in einer Travestie-Nummernrevue zu Hochform auf! weiterlesen

RT19: Superlative der Mehrstimmigkeit! Chorwerk Ruhr mit Berios Coro und Striggios Missa sopra Ecco sì beato giorno in der Maschinenhalle Zweckel in Gladbeck

(Foto: Christian Palm) Was hat Luciano Berio Mitte der 1970er und Alessandro Striggio den Älteren 400 Jahre früher dazu getrieben, 40stimmige Werke zu entwerfen? Der Italiener Berio will seine Aktivitäten auf dem Experimentierfeld Musik und Sprache auf eine unerhörte wirkmächtige Stufe heben. Was jenseits des üblichen Gesangs, mithilfe von Gesten, Lachen, Flüstern, Schnalzen an neuen stimmlichen Ausdrucksmöglichkeiten zu gewinnen sei, testet er schon seit Jahren zusammen mit seiner Expertin für diese Stimmversuche, Cathy Berberian aus. Als Grundlage dienen volksliedhaft-ethnische Texte oder Folksongs in allen Sprachen. Für Berberian hat er auch frühbarocke oder Popsongs bearbeitet. In „Coro“ rüstet Berio die gewonnenen vokalen Expertisen durch Verse des chilenischen Poeten und Widerstandskämpfers Pablo Neruda zu einer politischen Kunst auf und experimentiert mit einer neuen Raumklanglichkeit. Alessandro Striggio ist Komponist und Diplomat der Medici in Florenz. Er komponiert 40stimmig, um einer politischen Hochzeit Glanz zu verleihen und bei seinen Missionen zu beeindrucken. Ein diplomatischer Aufenthalt in London, wo er ein 40stimmiges Werk hören lässt, möglicherweise die für die Hochzeit komponierte Motette Ecce beatam lucem, es könnte aber auch die Missa sopra Ecco sì beato giorno gewesen sein, inspiriert Thomas Tallis, sein 40stimmiges Spem in alium zu komponieren.

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Das Freiburger Barockorchester eröffnet mit einer Countertenor-Gala das neue Alte Musik Festival Felix!

Original.Klang.Köln. Die Kölner Philharmonie widmet der historischen Aufführungspraxis ab sofort eine eigene klangliche Barock-Show. Die Eröffnungs-Gala bestritten drei junge Countertenöre mit Bravour- und Schmachtarien, die das Publikum entzückten. (Von Sabine Weber)

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RT19: Purcells Dido and Aeneas als experimentelle Semi-Opera mit zornigem Vergil und Jazzscratching in einer überhitzten Kraftzentrale

Für „Dido and Aeneas, remembered“ hat Regisseur David Marton etwas gemacht, was bei Londoner Aufführungen zu Purcells Zeiten üblich war. Nämlich zwischen die Musiknummern einer Oper Schauspieleinlagen zu schieben. Freilich hier kein William Shakespeare oder John Dryden. Bei der aktuellen „Dido and Aeneas, Remembered“ gräbt sich neu erfundenes Götterpersonal, Jupiter und Juno, archäologisch in die Vergangenheit, um die Zukunft zu suchen, und rezitiert aus Vergils Aeneis. Außerdem thront E-Gitarrist Kalle Kalima in weißem James-Last-Anzug rechts über der leichten Orchestergraben-Vertiefung und führt das Ensemble mit jaulend bis rhythmisch quietschenden, aber auch melodiös-bluesigen Noten durch von ihm neu hinzu komponierte Klangflächen. In das Sängerpersonal, nebst Chor, ist Erika Stucky geschmuggelt. Die amerikanisch-schweizerische Stimmkünstlerin hat einen laut scheppernden Auftritt. Sie zieht mit Schippe von hinten ein, wobei die Schippe auf den Boden kracht und das Publikum auf der Riesentribüne irritiert. Sie ist ja erstmal nicht zu sehen.

RT 19 Erika Stucky als Hexe. Foto: Paul Leclaire
RT 19 Erika Stucky als Hexe. Im Hintergrund Sandsturm. Foto: Paul Leclaire

 Auf der Bühne angekommen schlägt sie auf Stiel und Schaufel, um ihren Jazz-Volksmusik-freien Scatgesang zu begleiten und ruft die bösen Geister auf den Plan. Vor allem gibt sie der Rolle der Purcell‘schen Hexe ganz neue Farben. Das Außergewöhnliche fügt sich in dieser dritten experimentellen RT 19 Musiktheaterproduktion ganz wunderbar! (Von Sabine Weber)

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RT19 Die Eröffnungswoche mit Musik-Theater von Marthaler und Goebbels, flankiert von Installationen

IMG_6329Der US-amerikanische Künstler, Musiker und Bandleader Tony Cokes bereitet Statements über die Anfänge der Popmusik im Ruhrgebiet mit alten Collage-Arbeiten aus der britischen und US amerikanischen Club- und Rockszene auf und projiziert sie auf gigantische Betontrichter in der Mischanlage Kokerei Zollverein, Essen.IMG_6301Ein Tag später eröffnet Bühnenbildnerin Barbara Ehnes ihre Installation Αλληλεγγύη und präsentiert auf Bildschirmen in einer Nische der von raumlaborberlin aufgerüsteten temporären Architektur Third Space vor der Jahrhunderthalle Ausschnitte aus ihren Nachfragen zu Solidaritätsbewegungen im krisengeschüttelten Griechenland.

Fotos: Sabine Weber
Fotos: Sabine Weber

Im großen Fokus stehen natürlich die Musiktheaterproduktionen. In der Jahrhunderthalle mischt Heiner Goebbels am späteren Abend gewaltige Bilder in einer installativen Performance mit Geräuschattacken bis Orgel-plus-Ondes-Martenot–Klängen ab. Im Eröffnungspremierenstück am ersten Tag hat Ruhrtriennale-Intendantin Stefanie Carp als Autorin mit Artiste associé Regisseur Christoph Marthaler sowie Musiker Uli Fussenegger mit Ensemble im Audimax der Ruhr-Uni Bochum vorgeführt, wie ein zukünftiger Euro-Rassismus durch parlamentarische Debatten Wirklichkeit werden könnte. (Von Sabine Weber)

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Großes Theater, großartige Momente! Der Opern-Saisonrückblick 19.20 von Sabine Weber

Die Saisonabschlussbilanzen der Opernhäuser trudeln ins Mailfach. Einmal mehr ein Grund, dieser Saison auch unsererseits einen kleinen Rückblick zu gönnen. Trügt der Eindruck, oder waren es wirklich mehr Uraufführungen als im letzten Jahr? Christoph Marthalers Verbeugung vor Charles Ives mit „Universe, Incomplete“ auf der Ruhrtriennale, György Kurtàgs „Fin de Partie“ an der Scala, „Marx in London“ von Jonathan Dove in Bonn, Anno Schreiers “Schade, dass sie eine Hure war“ an der Oper am Rhein, Michael Wertmüllers „Diodati.Unendlich“ über den Frankenstein-Mythos in Basel, gefolgt von Mark Greys Frankenstein-Oper in Brüssel, Detlev Glanerts Fontane-Hommage „Oceane“ an der Deutschen Oper Berlin,  Hector Parras “Les Bienveillantes” in Antwerpen oder das szenische Lab.Oratorium von Philippe Manoury mit dem Gürzenich-Orchester in der Kölner Philharmonie. Dazu deutsche Erstaufführungen wie Philip Venables „Psychose 4.48“ an der Semper 2, Luca Francesconis Kammeroper „Quartett“ nach Heiner Müller in Dortmund. Dazu Wiederentdeckungen wie Jacques Offenbachs „König Karotte“ in Hannover oder César Francks „Hulda“ in Freiburg! Dazu zwei beglückende Repertoire-Inszenierungen in Köln mit „Rusalka“ und „Peter Grimes“, in Bonn mit „Die Sache Makropulos“, nicht zu vergessen Essen mit Aribert Reimanns „Medea“. Und bis zuletzt bleibt es spannend.

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Francks „Hulda“ und eine Kooproduktion der Oper mit Musikhochschulen begeistern am Theater Freiburg

Morenike Fadayomi als Hulda. Foto: Tanja Dorendorf
Morenike Fadayomi als Hulda. Fotos: Tanja Dorendorf

Standing Ovations und rhythmisches Klatschen nach dem endgültigen Schlussvorhang zwingen am Freiburger Theater das Ensemble doch noch einmal zur Aufstellung in Reihe! Das Haus ist bei der Dernière erneut fast ausverkauft. Wie jede Aufführung von César Francks „Hulda“. Die Inszenierung ist seit ihrer Premiere ein Renner in Freiburg. Diese Produktion ist auch mehr als eine bloße Wiederentdeckung einer Rarität. Es ist Freiburg gelungen, Franck als großartigen Opernkomponisten zu entdecken. Regisseur Tilman Knabe hat das Publikum zudem mit der politischen Aktualität des zeitlosen Stoffes eindrücklich konfrontiert. An diesem Sonntag ist zwei Stunden später im kleinen Haus des Freiburger Theaters ein Projekt von Studierenden der Hochschule für Musik in Freiburg, der Akademie für Darstellende Kunst Baden-Württemberg und der Akademie für Bildende Künste Stuttgart am Start, das bereits am Abend zuvor bei der Uraufführung aufhorchen ließ. Szenen aus Georg Friedrich Händels „Alcina“ sind mit Einaktern zweier Kompositionsstudenten aus der Klasse Brice Pausets verschmolzen. Das außergewöhnliche dieses Projekts: Studierende der Opernklasse und studentische Instrumentalisten konnten sich gleichermaßen in Alter und Neuer Musik beweisen. Und unter der Leitung von Brice Pauset haben nicht nur ausschließlich Studierende gesungen und gespielt. Das gesamte Regieteam, inklusive Kostümbildner, hat sich aus Studierenden rekrutiert. Auch das Bühnenbild lag in ihren Händen! Logischerweise ist auch das Publikum im Durchschnitt 30 Jahre jünger gewesen als im großen Haus, aber am Ende ebenso euphorisch. Jedenfalls am Samstagabend. Da hat es doch gepasst, dass der Zugang zum kleinen Haus durch eine sympathische Theaterbar führt, in der hinterher die After-Party bis zwei Uhr nachts stattfinden konnte. (Von Sabine Weber) Francks „Hulda“ und eine Kooproduktion der Oper mit Musikhochschulen begeistern am Theater Freiburg weiterlesen